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Was lief schief bei der Bombensuche?

Die Messmethode der sächsischen Entschärfer entspricht dem Stand der Technik. Doch es geht noch genauer.

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© Robert Michael

Von Sandro Rahrisch und Christoph Springer

Ganz froh ist Bombenentschärfer Holger Klemig nicht. Einen Tag nach dem Einsatz im Ostragehege fragt er sich, wo die Bombe ist, die er und seine Kollegen gesucht haben. Die Luftbilder, die nach den Angriffen gemacht worden waren, zeigten genau dort einen Einschlag, wo der Sprengmeister und seine Kollegen in reichlich zwei Metern Tiefe auf ein Wasserrohr mit Muffe gestoßen sind. Die Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg könnte schon entsorgt worden sein, als das Rohr verlegt wurde. Doch dazu gibt es nirgends eine Notiz.

1945 hatten es die Alliierten vor allem auf Dresdens Innenstadt abgesehen (re.). Alte Luftbilder werden noch heute herangezogen, um Blindgänger zu finden.
1945 hatten es die Alliierten vor allem auf Dresdens Innenstadt abgesehen (re.). Alte Luftbilder werden noch heute herangezogen, um Blindgänger zu finden. © SZ-Archiv

Ein Fehlschlag auf ganzer Linie? „Wir würden das wieder so machen“, sagte noch am Abend nach der Entwarnung Polizeisprecher Thomas Geithner. Klemig und seine Kollegen hatten mit Magnetsonden den Untergrund überprüft, dabei entdeckten sie eine sogenannte Anomalie. Das Messgerät zeigte eine Ablenkung des Erdmagnetfelds an. Das war ein eindeutiger Hinweis auf einen Metallkörper im Untergrund. Weitere Untersuchungen und der Abgleich mit den Luftaufnahmen ergaben: Dort könnte eine 250 Kilo-Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg liegen. Das war im Spätsommer. Daraufhin legten sich Polizei und Stadt auf den Entschärfungstermin fest.

Klemig und seine Kollegen vom Kampfmittelbeseitigungsdienst (KMBD) haben mit Geräten nach der Bombe gesucht, die Magnetfelder ausmessen können. Das ist der aktuelle Stand der Technik. Dazu gehört auch, dass Löcher rund um den Fundort gebohrt wurden, in die die KMBD-Mitarbeiter lange Plasterohre steckten. In diese Rohre wurden dann Sonden eingeführt, die ebenfalls Magnetfelder ausmessen können. So ermittelten die Experten, wie die vermeintliche Bombe liegt und wo sie graben müssen. Dieter Neumann, Chef der Münchner Firma MuN Ortung, die erst am Dienstag im Osten der bayrischen Landeshauptstadt fünf Brandbomben in 1,5 Meter Tiefe geortet hat: „Sie haben fachlich korrekt gearbeitet.“ Dass dann ein Wasserrohr statt einer Bombe ans Tageslicht kam, sei einfach Pech. „Auf den Luftbildern sieht man die Eintauchstellen. Wenn man dann genau an der Stelle auch noch ein großes Eisenobjekt ortet, ist das mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Bombe“, sagt der Chef der Münchner Firma. Die Geometrie „kann einem aber auch viel vorgaukeln“. Ob es sich um ein Rohr oder eine Granate mit gleichem Durchmesser handelt, könne niemand vorhersagen. „Bei 90 Prozent der Grabungen sind die Funde nichtmilitärischen Ursprungs.“

Ein Blick ins brandenburgische Oranienburg zeigt, dass es auch anders geht. Die Kleinstadt war während des Zweiten Weltkrieges wegen der ansässigen Rüstungsindustrie Ziel alliierter Luftangriffe. Mehr als 10 000 Bomben wurden damals abgeworfen, über 300 Blindgänger vermuten Experten heute noch im Boden. Um nicht immer graben zu müssen, hat das Land Brandenburg vor drei Jahren ein Verfahren zugelassen, mit dem nicht nur metallische Körper im Erdreich aufgespürt werden können. Mit ziemlicher Sicherheit lässt sich auch sagen, ob es sich um eine Bombe handelt oder eben nur ein Wasserrohr. Denn mithilfe starker elektromagnetischer Felder kann man auch die Form und die Größe des Objektes erkennen.

Statt bis zu 300 000 Euro fürs Aufgraben zu bezahlen, kostet dieses Verfahren SZ-Informationen zufolge nur um die 10 000 Euro pro Einsatz. Außerdem spart man sich die Kosten für die Evakuierung sowie die Umleitung von Bussen und Bahnen. In Sachsen habe man ebenfalls überlegt, das Verfahren namens Ultra-TEM einzusetzen, sagt Jürgen Scherf, Sprecher des Polizeiverwaltungsamtes. „Aber die Firma, die das Verfahren entwickelt, kann uns nur mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen, dass es sich nicht um eine Bombe handelt. Eine Garantie gibt sie uns nicht.“ Letztendlich sei der KMBD in der Verantwortung, falls doch einmal eine Bombe detonieren sollte, wo vorher nur ein Rohr vermutet wurde. „Graben müssen wir also so oder so.“

Genau das haben Klemig und seine Kollegen getan. Mit einem Bagger, mit Spaten und Schaufeln. Nachdem der Asphalt abgetragen und die Tragschicht darunter herausgekratzt waren, stießen sie auf Bauschutt. Etwa zwei Meter dick war diese Schicht. Auch in Bauschutt könne sich eine Bombe eingraben, sagt Dieter Neumann. Doch die Untersuchung des Schutts ließ erste Zweifel an der Bomben-Theorie aufkommen. Er stammt aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, muss dort also hingekommen sein, nachdem die Bombe eingeschlagen ist. Dann tauchte Sand auf, der zweite Hinweis auf Aufschüttungen aus jüngerer Zeit. Und schließlich kam das Wasserrohr ans Tageslicht. Auch darunter lag keine Bombe. Den Einschlag gab es aber laut den Luftbildern. Bleibt die Frage, wer sie wann geborgen hat. Darauf hätte Holger Klemig gern eine Antwort.