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Nicht jedes Kind darf an Wunschschule

Gleich 364 Dresdner Familien trifft es dieses Jahr. Sie können noch widersprechen.

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© René Meinig

Von Sandro Rahrisch

Ein Brief und ein Satz des Bedauerns: Mehr als 300 Dresdner Familien müssen wohl umplanen, nachdem sie nun erfahren haben, dass ihr Kind im August nicht an der Wunschschule aufgenommen wird. Allerdings können sich Eltern gegen den Bescheid noch wehren.

Warum sind die Schüler überhaupt abgewiesen worden?

Insgesamt sollen 364 zukünftige Fünftklässler an eine andere Schule geschickt werden. Das sind etwa elf Prozent. Denn dort, wo sie sich beworben hatten, gab es mehr Anmeldungen als freie Plätze. In insgesamt sieben Dresdner Gymnasien und acht Oberschulen wäre es zu voll geworden. Sie mussten Kinder ablehnen.

Welche Schulen sind so beliebt, dass die Plätze nicht reichen?

Klare Favoriten sind das Gymnasium Bürgerwiese in der Gret-Palucca-Straße und das Marie-Curie-Gymnasium in der Zirkusstraße. Allein diese zwei Schulen haben zusammen gut 100 Ablehnungsbescheide verschickt. Auch die 66. Oberschule im Herzen von Leuben konnte sich vor Anmeldungen kaum retten. Dort musste der Schulleiter fast 60 Kindern die schlechte Nachricht überbringen. Die neue Oberschule im alten Tolkewitzer Straßenbahnhof zählte insgesamt die meisten Anmeldungen. Da dort mehr Platz ist, kommen aber nur 16 Schüler nicht zum Zug.

Warum sind besonders diese Schulen bei Familien so gefragt?

Ganz klar: Die Gymnasien Bürgerwiese und Marie Curie haben mit die modernsten Schulhäuser in der Stadt. Außerdem befinden sich beide im Dresdner Zentrum und sind damit in überschaubarer Zeit erreichbar. Bei den Gymnasien kommt hinzu, dass die Zahl der Anmeldungen generell gestiegen ist. Etwa 2 300 Kinder wollen ab August das Abitur machen. Dem stehen 1 900 Anmeldungen für die Oberschulen gegenüber. Ein Grund für dieses Ungleichgewicht ist, dass die Bildungsempfehlungen der Grundschulen nicht mehr bindend sind. Das heißt: Auch wenn die Lehrer einem Kind aufgrund seiner Leistungen raten, die Oberschule zu besuchen, müssen sich Familien nicht mehr daran halten. Das ist diesmal für 166 Kinder in Anspruch genommen worden. Das sind etwa sieben Prozent aller Schüler, die ab Sommer das Gymnasium besuchen möchten. Im vergangenen Jahr lag dieser Anteil noch bei fünf Prozent. Ermöglicht hat dies der Landtag im vergangenen Jahr. Zuvor hatte bereits das Oberverwaltungsgericht moniert, dass mit der bisherigen Regelung in die Erziehungsfreiheit der Eltern eingegriffen werde. Das finden nicht alle gut, wie eine Umfrage im Auftrag der Sächsischen Zeitung im März ergeben hat. Demnach fanden knapp 77 Prozent der Befragten, dass nicht jedes Kind, unabhängig von seinen Leistungen in der Grundschule, auf ein Gymnasium gehen dürfe. Gut 15 500 Menschen hatten sich an dieser repräsentativen Umfrage beteiligt.

Welche Schulen sind bei den Dresdnern weniger begehrt?

Nur wenige Anmeldungen gingen bei der Dreikönigschule ein. Lediglich 51 Schüler interessieren sich für das Gymnasium. Neu ist das verhaltene Interesse nicht. Früher spielte der bauliche Zustand des Gebäudeensembles in der Neustadt eine Rolle. Derzeit dürfte es die Auslagerung der Schule sein. Während die drei Häuser an der Ecke Alaunstraße/Görlitzer Straße saniert werden, müssen die Kinder und Jugendlichen auswärts lernen, aktuell am neuen Gymnasium in Tolkewitz. Auch der 107. Oberschule auf der Hepkestraße in Gruna dürfte es mit 17 Anmeldungen schwerfallen, ihre Klassenzimmer zu füllen.

Wer entscheidet, ob die Kinder an andere Schulen geschickt werden?

Für den Fall, dass der Platz nicht reicht, lege jede Schule im Vorfeld selbst Auswahlkriterien fest, sagt Petra Nikolov vom Landesamt für Schule und Bildung. So würden zunächst Härtefälle, Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf und Geschwisterkinder berücksichtigt. Alle anderen Schüler würden an einem Losverfahren teilnehmen. Zunächst wird versucht, die Zweit- und Drittwünsche der Familien zu erfüllen, falls welche angegeben wurden.

Müssen Eltern die Entscheidung der Schulleiter hinnehmen?

Nein, sie haben die Möglichkeit, zu widersprechen. Das ist bis vier Wochen nach Erhalt des Schreibens möglich, also bis zum 24. Juni. Immer wieder versuchen Eltern, den Platz an der Wunschschule für ihr Kind einzuklagen. Die meisten Klagen blieben in den letzten Jahren allerdings erfolglos, da das Verfahren fehlerfrei und die Auswahlkriterien rechtmäßig waren.