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„Fortschritt“-Geschichte nicht zu Ende

Ein ehemaliger Kundendienstingenieur erzählt Geschichten aus dem Kombinat, das mit dem Landmaschinenbau auch Bischofswerda prägte.

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© Dirk Zschiedrich

Von Anja Weber

Neustadt/Bischofswerda. Der Langenwolmsdorfer Christian Tuschling ist ein exzellenter Experte in Sachen Fortschritt Erntemaschinen. Er war als Kundendienstingenieur zu DDR-Zeiten weltweit im Auftrag des Kombinates unterwegs. Einen kleinen Ausschnitt aus dem Erlebten fasste er bereits in einer Vortragsreihe unter dem Thema „Länder, Leute, Landmaschinen“ zusammen. Er kennt viele Geschichten, die sich um Fortschritt und die Landmaschinen ranken. Und sobald jemand in der Historie stöbert, wird er schnell zum ersten Ansprechpartner

So war es auch im Stadtmuseum Neustadt. Christian Tuschling hatte dort Unmengen von Fotos sortiert. Und immer, wenn ihm welche mit Menschen in Aktion in die Finger kamen oder ganz besondere Raritäten, dann legte er sie beiseite. Dass daraus ein neuer Vortrag würde, hatte er damals eigentlich gar nicht im Sinn. Doch das Ganze hat ihm keine Ruhe gelassen. Und nun präsentiert er erstmals seinen neuen Vortrag unter dem Thema „Fortschritt spezial – eine Reminiszenz der besonderen Art“. Zu erleben ist Christian Tuschling anlässlich des Kultursommers in Stolpen am Sonnabend, 14. Juli, 19 Uhr im Rats- und Bürgersaal im Alten Amtsgericht.

Die Zuschauer erwartet ein Bildervortrag mit ganz seltenen Fotos, darunter zum Beispiel Fotos von Neuentwicklungen der hauseigenen Ingenieure, die aber nicht vom Band liefen. Oder auch Bilder von Produkten, die nur in geringer Stückzahl angefertigt wurden, wie eine Schilfpresse für Rumänien. Er hat auch Fotos gefunden, auf denen das gesamte Küchenkollektiv abgebildet ist oder von den Betriebsfestspielen. „Ich will in dem Vortrag Dinge beleuchten, die wenig bekannt sind. Vor allem geht es um die Menschen, die in der Produktion gearbeitet haben“, sagt Christian Tuschling. Sicherlich wird sich der eine oder andere wiedererkennen – oder Nachbarn, Freunde, Bekannte.

Ein weiterer Teil wird sich mit den Hintergründen des Mähdrescherbaus befassen, dessen Schwerpunkt in Bischofswerda und Singwitz lag. Welche Neuentwicklungen es gab, welche Versuche unternommen wurden, um die Produkte auf den Markt zu bringen. Aber auch, woran so manche gute Idee der Entwickler scheiterte. Und Christian Tuschling geht noch weiter, blickt in die heutige Maschinenfabrik in Stolpen, die früher ebenfalls mit zum VEB Fortschritt Landmaschinen gehörte. „Mir ist es wichtig zu zeigen, dass die Geschichte nicht aufhört, das Kapitel Fortschritt nicht abgeschlossen ist“, sagt er.

Christian Tuschling war zwischen 1968 und 1991 als Kundendienstbeauftragter für Fortschritt in Europa, dem Nahen Osten und Afrika unterwegs. Er spricht unter anderem Englisch, Italienisch, Arabisch. Immer, wenn ein Einsatz anstand, bereitete er sich auch sprachlich akribisch darauf vor. Denn die Landmaschinen, die bei Fortschritt entwickelt wurden, rollten über die Felder in aller Welt. Die Technik wird bis heute genutzt, sodass Christian Tuschling immer wieder Anfragen nach Ersatzteilen bekommt. Denn an die heranzukommen, ist äußerst schwierig.

Die Fortschritt-Geschichte ist also noch längst nicht zu Ende geschrieben. In dem Kombinat haben einst etwa 54 000 Menschen gearbeitet. Die blau-weiße Marke war viele Jahrzehnte auch in Bischofswerda präsent. Hier lag der Schwerpunkt des Mähdrescherbaus. 6 800 Männer und Frauen arbeiteten im Mähdrescherwerk Bischofswerda/Singwitz, davon 3 300 in Bischofswerda. Hier liefen der E 512 und seine Nachfolgermodelle vom Band.

Vortrag: „Fortschritt spezial“ am 14. Juli, 19 Uhr, im Alten Amtsgericht, Markt 26 in Stolpen. Eintritt frei.