Merken

Waldbesitzer scheitern mit Jagdverbot

Weil ein Jagdpächter wegen eines Vergehens bestraft wurde, wollten drei Familien ihre Waldstücke zur jagdfreien Zone erklären. Vergebens. Oder nicht?

Teilen
Folgen
© Schulze/dpa

Von Jörg Richter

Brößnitz. Tierfreundin Christina Klausch aus Brößnitz ist wütend und enttäuscht zugleich. Sie hat wenig Vertrauen in die weidmännischen Fähigkeiten eines hiesigen Jagdpächters (Name ist der Redaktion bekannt). Aus ihrer Sicht sei er zu jung und unerfahren, um für eine ausgewogene Bejagung des Wildbestandes zu sorgen.

Christina Klausch und zwei weitere Brößnitzer Familien haben sich für jagdfreie Zonen eingesetzt.
Christina Klausch und zwei weitere Brößnitzer Familien haben sich für jagdfreie Zonen eingesetzt. © Klaus-Dieter Brühl

Ein Vorfall aus dem Sommer scheint ihr Recht zu geben. Laut Gerüchten, die im Dorf kursieren, soll der junge Jagdpächter einen Hirsch in der Schonzeit geschossen haben. Die stellvertretende Landkreissprecherin Helena Musall bestätigt dieses Jagdvergehen und auch, dass es eine Anzeige und ein anschließendes Verfahren gegen den Jäger gab. „Er hat eine Geldstrafe erhalten, weil er in der Tat etwas in der Schonzeit geschossen hat“, sagt Musall. Ob es ein Hirsch war, verrät sie nicht, lediglich, dass es sich um Wild gehandelt habe.

Geldstrafe als „Warnschuss“

Die Geldstrafe sei so etwas wie eine Verwarnung. „Wenn wir den Eindruck haben, dass er als Jäger nicht zuverlässig ist, wird unser Ordnungsamt als untere Jagdbehörde ihm den Jagdschein entziehen.“

Ethische Gründe zählen

Waldbesitzer können beim Landkreis (untere Jagdbehörde) einen Antrag auf Jagdbefriedung stellen.

Sie müssen glaubhaft machen, dass sie die Jagd aus ethischen Gründen ablehnen (Ablehnung der Jagd, Bedrohung durch Jäger, Ablehnung der Tötung von Tieren, Vegetarismus etc.).

Das neue Jagdgesetz sieht vor, dass die Befriedung erst mit Ablauf des Jagdpachtvertrages beginnen kann. Das kann Jahre dauern. Jagdgegner sollte daher auf die Unzumutbarkeit hinweisen und notfalls gerichtliche Schritte einleiten.

Das Ende des Jagdjahres (31. März) ist entscheidend. Anträge sollten daher rechtzeitig vor diesem Termin abgegeben werden.

Gegen den angedrohten Ersatz von Wildschäden bereitet die Initiative „Zwangsbejagung adé“ Musterklagen vor. Antragsteller sollten sich davon nicht einschüchtern lassen. Quelle: www.zwangsbejagung-ade.de

1 / 5

Christina Klausch geht die Geldstrafe nicht weit genug. Auch weil der verwarnte Jäger in ihrem Waldstück aktiv ist. Mit immerhin zehn Hektar ist sie in der hiesigen Jagdgenossenschaft zwangsintegriert.

Denn Waldbesitzer sind durch das Bundesjagdgesetz verpflichtet, sich zu Jagdgenossenschaften zusammenzuschließen, ob sie wollen oder nicht. Diese Genossenschaften vergeben die Jagdpachten an Jäger. „Wenn Frau Klausch ein Problem mit dem Jäger hat, muss sie sich an ihre Jagdgenossenschaft wenden“, sagt Helena Musall. Die Brößnitzerin ist sogar einen Schritt weiter gegangen. „Ich habe versucht, mein Land zu befrieden“, sagt Christina Klausch, „aber ich habe ein Jagdverbot in meinem eigenen Wald nicht genehmigt bekommen.“

Zwei weitere Brößnitzer Familien, die ebenfalls Wälder in die Jagdgenossenschaft eingebracht haben, hätten das Gleiche probiert. Doch auch sie seien damit gescheitert. Für Christina Klausch ist das ein klarer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht. „Schließlich sind wir die, die Wald und Felder für die Jagd zur Verfügung stellen“, sagt die Waldbesitzerin.

Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EHG) gibt ihr sogar Recht. Der EHG hatte am 26. Juni 2012 entschieden, dass die Zwangsmitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft gegen die Menschenrechte verstößt, sofern der Grundeigentümer die Jagd aus ethischen Gründen ablehnt. Es sei nicht mit dem in der Menschenrechtskonvention garantierten Schutz des Eigentums zu vereinbaren, wenn Grundstückseigentümer zwangsweise Mitglied in einer Jagdgenossenschaft sind und damit die Jagd auf ihrem Grund und Boden gegen ihren Willen dulden müssen.

Die bundesweite Bürgerinitiative (BI) „Zwangsbejagung adé“ setzt sich dafür ein, dass das EHG-Urteil, das mittlerweile im Deutschen Jagdrecht berücksichtigt wurde, noch mehr populär wird. „Denn die Jäger haben eine mächtige Lobby“, sagt Mitinitiatorin Julia Brunke. „Meistens sind in den Jagdbehörden auch Jäger drin.“

Letzteres bestätigt der Großenhainer Kreisjägermeister Jörg Köhler. Jäger würden dem Ordnungsamt des Landkreises Meißen beratend zur Seite stehen. Auch Köhler kennt das EHG-Urteil und die damit verbundenen offenen Fragen. Unklar ist, ob Waldbesitzer, die jagdfreie Zonen einrichten wollen, für Wildschäden in der Landwirtschaft aufkommen müssen. Und wenn ja, wie wird der Schaden berechnet? Jagdpächter, die ihr Revier nachweislich vernachlässigen, können von Landwirtschaftsbetrieben finanziell in die Pflicht genommen werden. Das müsse dann auch für die Waldbesitzer zutreffen, so Köhler. Doch der Nachweis für die Ursache von Wildschäden sei schwierig und in Sachsen bisher ohne Beispiel.

In Sachsen fehlt ein Vorreiter

Kein Wunder, denn laut der Bürgerinitiative ist der Freistaat das einzige Flächen-Bundesland, in dem es noch keine jagdfreien Wälder gibt. Das habe einen Grund, sagt Julia Brunke. Es fehle in Sachsen bisher jemand, der als Erster den Kampf gegen die Jäger-Lobby aufnimmt. „Wenn man in einem Bundesland Vorreiter ist, kann es dauern, bis man sein Recht vor Gericht bekommt“, sagt sie.

Julia Brunke ahnt den Grund, warum das Landratsamt den Antrag von Christina Klausch auf einen befriedeten Wald abgelehnt hat. „Es dürfen keine persönlichen Befindlichkeiten als Begründung herhalten. Das ist schlecht.“, sagt die BI-Initiatorin. „Nur zu sagen, dass ich den Jäger nicht mag, reicht nicht. Das wird immer abgelehnt.“ Entsprechend dem EHG-Urteil würden nur ethische Gründe berücksichtigt, um das Jagen im eigenen Waldstück zu verbieten.

Das würde zutreffen, wenn der Antragsteller zum Beispiel Vegetarier sei oder die Tötung von Tieren als Hobby ablehnt. In Deutschland gebe es gerade mal 1000 Berufsjäger. „Der Rest sind alles Hobbyjäger“, sagt Julia Brunke. Mit dieser Begründung hätte man auch in Sachsen gute Chancen, jagdfreie Zonen einzurichten. Aber wer macht den Anfang?

Christina Klausch ist dazu nicht mehr bereit. „Ich habe in Sachsen sehr negative Erfahrungen mit Richtern gemacht“, sagt die Pensionsbetreiberin, die aus der DDR floh und nach der Wende in ihre Heimat zurückkehrte. „Ich bin müde, gegen Windmühlen zu kämpfen.“

www.zwangsbejagung-ade.de