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Vorsicht, Geldwäsche!

Ein Haselbachtaler stand jetzt vor dem Amtsrichter. Hätte er merken müssen, dass ihn eine Internet-Mafia missbraucht?

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© dpa

Von Frank Oehl

Kamenz. Ein selbstständiger Handelsvertreter lebt gefährlich. Erst recht, wenn er versucht, auf der Auftragssuche im Internet fündig zu werden. Diese bittere Erfahrung hat jetzt ein 58-Jähriger aus dem Haselbachtal gemacht. Vor dem Amtsgericht in Kamenz wurde gegen ihn wegen „leichtfertiger Geldwäsche“ verhandelt. Aber, das ist nun wirklich eine längere Geschichte.

Der frühere Postmitarbeiter, der es zwischenzeitlich immerhin zum Leiter eines DHL-Verteilzentrums gebracht hatte, muss sich seit 2004 als Selbstständiger durchschlagen. Das ist ein harter Job, vor allem wenn dem Serviceanbieter die Standbeine wegbrechen. Das war im Frühjahr 2016 der Fall gewesen. Dann ist man verstärkt auf Arbeitssuche. Im Internet. Dort kann man sich zum Beispiel bei der Kraken Trading GmbH oder bei Stepstone umschauen. Auf deren Seiten wimmelt es nur so vor Angeboten unzähliger Partner der Jobvermittler. Und dort gibt es offenbar auch jede Menge schwarze Schafe. Und dann ist Vorsicht geboten. Vor allem, wenn es um viel Geld für im Grunde wenig Arbeitsaufwand geht. Der Haselbachtaler („Man muss ja auch eine Familie ernähren.“) jedenfalls ist reingefallen. Auf Online-Kriminelle.

Die Masche der Geldwäscher

Eine Masche geht so: Man hackt Ebay-Profile und bietet teure Elektronikgerätschaft zum Schnäppchenpreis an. Ohne sie wirklich zu haben, versteht sich. Das fliegt normalerweise schnell auf – und nun beginnt die Verschleierung. Mithilfe von Strohmännern. Sie brauchen nur ein Konto, und schon können sie „Geld verdienen wie im Schlaf“. Als Finanzagent hochkrimineller Banden. Ohne es zu merken? Unser Haselbachtaler versicherte, sich bei der Internetjobbörse nach der Seriosität eines lukrativen Angebotes erkundigt zu haben. Aber das können (und wollen?) weder Kraken noch Stepstone wirklich ernsthaft bestätigen. Das muss der Arbeitswillige schon selbst herausfinden.

Die Masche

Kriminelle Banden hacken beispielsweise Ebay-Profile und geben vor, teure Elektronikgeräte zu verkaufen. Der Käufer zahlt auf das Konto eines leichtgläubigen Bürgers

Der hebt das Geld ab und übergibt es gegen eine Provision in bar an die Straftäter. Oder es fließt sofort auf ein Zwischenkonto wieder ab, das ohne Wissen des Agenten eingerichtet wird.

Die verkaufte Ware kommt beim Käufer nie an. Der Strohmann verbrennt und wird gefasst. Die Hintermänner bleiben meist unbehelligt.

Die Masche wird groß aufgezogen. Allein in der Hauptstadt Berlin wurden nach Angaben der Justizverwaltung im vergangenen Jahr rund 300 Finanzagenten festgenommen.

Wer sich leichtfertiger Geldwäsche schuldig macht, kann bis zu zwei Jahre ins Gefängnis kommen.

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Im April 2016 kontaktierte unser Mann seinen neuen „Arbeitgeber“, natürlich ohne ihn zu kennen. Er stellte über ein Selfie sein Gesicht und seinen Personalausweis (als Seriositätsbeweis für die potenzielle Ebay-Kundschaft) zur Verfügung – und sein Postbankkonto. Auf Letzteres allein hatten es die Internetbetrüger abgesehen. Der private Finanzagent hatte eine geradezu banale Aufgabe. „Die Zahlung der Ebay-Kundschaft verwalten und überwachen.“ Arbeitsaufwand: zwei Stunden am Tag. Monatsentgelt: 1 600 Euro. Das wären 40 Euro pro Stunde, aber im Grunde laufen die Transaktionen ja auch ganz ohne Überwachung. Der Internet-Arbeitgeber schickte sogar einen Arbeitsvertrag rum, aber auch das machte unseren Haselbachtaler nicht stutzig. „Man hatte mir mitgeteilt, es ginge um CD-Verkäufe.“ Die ersten über ihn abgewickelten Rechnungen bezogen sich allerdings auf durchaus wertvollere Produkte. Die Staatsanwaltschaft legte ihm jetzt zwölf Transaktionen im Gesamtwarenwert von rund 8 000 Euro zur Last. Zwölfmal haben gutgläubige Ebay-Kunden Geld an den selbstständigen Handelsvertreter überwiesen, ohne dass irgendwann Ware eintraf.

Weiteres Internetkonto eröffnet

Der Strohmann war im Grunde schon verbrannt, nachdem der erste geprellte Kunde vom Postbankkonto sein eingezahltes Geld zurückhaben wollte. Das Problem: Dieses Konto war nur Durchgangsstation. Mit dem Personalausweisbild des unbedarften Haselbachtalers hatten die Kriminellen ein weiteres Internetkonto eröffnet – eines zur Verrechnung von Euro in Bitcoins. Die Internet-Wunderwährung – deren Urheber zu den letzten großen Geheimnissen unserer Zeit gehören – fußt auf Programmierleistung und wirbt für sich mit freiem Handel ohne Banken- und Finanzaufsicht. Am letzten Sonntag lag der Verrechnungskurs bei rund 1 120 Euro pro Bitcoin. Mit der virtuellen Währung kann freilich nur im Netz bezahlt und gehandelt werden, dort allerdings nahezu vollkommen anonym.

Der ermittelnde Kriminalhauptkommissar aus Bautzen hat sich in unserem Fall natürlich auch mit dem Verrechnungskonto bei der Fidor-Bank beschäftigt. Von hier aus war das betrügerisch erworbene Geld der gutgläubigen Ebay-Kundschaft längst in alle Winde zerstreut. „Wir bekommen in diesen Fällen für jede erfolgte Transaktion eine lange Nummernreihe, damit ist unsere Ermittlungsarbeit bisher am Ende.“ Was früher über ein Schweizer Nummernkonto möglich war, wird heute im Netz viel effektiver vollzogen: die Geldwäsche. Das Perfide: Während die Hintermänner in den endlosen Weiten des Virtuellen verschwinden, wird der kleine Fisch verfolgt, weil man ihn greifen kann. „Es tut mir leid für die Geschädigten“, sagte der 58-Jährige jetzt vor Gericht. „Ich bin da in eine schlimme Sache reingerutscht.“

Relative milde Geldstrafe

Nun war die Frage zu klären, ob das unser Mann hätte merken müssen. Durchaus, meinte Amtsrichter Thomas Kranke. Die großangelegte Betrugsmasche hätte er erkennen können. Schon aufgrund seiner Lebenserfahrung. „Sie haben Abitur und dennoch die Augen vor dem Offensichtlichen verschlossen.“ Der „Arbeitsvertrag“ (für einen „selbstständigen Handelsvertreter“?) sei als Fake erkennbar gewesen, eine „niedergeschriebene Lüge“. Es hätte ihm klar sein können, dass er vom allzu leicht verdienten Stundenlohn nie auch nur einen Cent sehen würde. Auf dem Postbankkonto blieben nach einem Überweisungsfehler 32 Euro als „Provision“ der Geldwäsche.

Richter Kranke verurteilte den 58-Jährigen wegen seiner „Leichtfertigkeit“, die man auch an der Grenze zum „bedingten Vorsatz“ ansiedeln könne, zu einer relativ milden Geldstrafe von 1 350 Euro. Weil der Familienvater kaum Einkommen hat und nicht vorbestraft ist. Dass der Strohmann für die geprellte Ebay-Kundschaft nun auch noch der einzige Ansprechpartner für Schadensersatz ist, macht die Betrugsmasche der Internet-Mafia noch perfider.