Merken

„Voreingenommen bis zum Erbrechen“

Die Verteidiger von Infinus-Gründer Jörg Biehl fordern Freispruch. Zugleich greifen sie den Richter und die Staatsanwaltschaft frontal an.

Teilen
Folgen
© Robert Michael

Von Ulrich Wolf

Dresden. Deutlicher kann man seine Unzufriedenheit und sein Unverständnis mit dem Verlauf eines Prozesses kaum demonstrieren: Rechtsanwalt Ulf Israel plädierte am Donnerstag fast zwei Stunden lang mit verschränkten Armen.

Was der Verteidiger des wegen Anlagebetrugs angeklagten Infinus-Gründers Jörg Biehl (56) vortrug, war schwerer Tobak. Er habe trotz einer zweieinhalbjährigen Prozessdauer und nun 160 Verhandlungstagen nur fadenscheinige Argumente, reine Vermutungen und Fake-News gehört. „Die Kammer war voreingenommen bis zum Erbrechen“, zürnte Israel. Ein Raunen ging da durch den mit rund 100 Zuschauern bis auf den letzten Platz besetzten Saal N1.05 des Landgerichts Dresden. Der ein oder andere klatschte zaghaft.

Insbesondere mit dem Vorsitzenden Richter Hans Schlüter-Staats ging der Verteidiger hart ins Gericht. Der Richter habe sich anmaßend verhalten. „Sie haben uns gedroht, uns in der Kanzlei zu besuchen. Wir haben das nicht vergessen.“ Vokabeln wie „Niedertracht“, und „Willkür“ benutzte Israel häufig in seinem emotionalen, teils zynisch gehaltenen Plädoyer.

Die Kammer habe sich von vornherein auf die Seite der Staatsanwaltschaft geschlagen. Entlastungszeugen seien bewusst vom Verfahren ferngehalten worden. Israels Kanzleikollege Alexander Hübner verwies auf das Beispiel des Finanzamts Dresden, von dem ein Verwalter der längst insolventen Infinus-Gruppe eine zweistellige Millionensumme an Steuern zurückfordert.

Das aber lehnt die Behörde ab mit dem Verweis auf die langfristige Tragfähigkeit des Geschäftsmodells. Hübners Vorwurf: Der Richter habe die Finanzbeamten nicht einmal anhören wollen mit der Begründung, die hätten ohnehin weniger Ahnung als der gerichtlich bestellte Sachverständige. Die Kammer habe zudem nicht einmal den Versuch unternommen, den Wirtschaftsprüfer sowie den Steuerberater von Infinus anzuhören. „Somit entsteht der Eindruck, dass Sie es nicht genau wissen wollten, Herr Richter.“

Unverständnis zeigten die Verteidiger auch für die Meldeauflagen, die ihrem Mandanten nach der Entlassung aus der U-Haft auferlegt worden waren. Sie hätten als Anwälte auf Anweisung des Richters je 50 000 Euro privat auslegen müssen, damit Biehl, dessen Vermögen beschlagnahmt ist, nicht flüchte. „Das hat doch was mit Demütigung zu tun. Das war überflüssig. Keiner der Beschuldigten wollte fliehen, Herr Richter“ sagte Hübner.

Auch die Staatsanwaltschaft bekam ihr Fett weg. Israel sagte, es sei eine „Lebenslüge“ der Ankläger zu glauben, mit der Razzia bei Infinus im November 2013 einen größeren Schaden vermieden zu haben. Biehl habe das Geld seiner Anleger bis zuletzt so angelegt, wie es in den Verkaufs-Prospekten stand. Ihm Bereicherung zu unterstellen, sei „ein fassungslos schlichtes Denken“. „Vermutlich haben Sie sich das beim Bier ausgedacht,“ urteilte Israel. Die Forderung nach einer Haft von acht Jahren sei „völlig abwegig“. Biehl müsse freigesprochen werden und zudem für die U-Haft von fast drei Jahren entschädigt werden.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft betrieben Biehl und fünf mitangeklagte Manager ein betrügerisches Anlage-System. Dabei soll 20 000 Anlegern zwischen 2011 und 2013 ein Schaden von 150 Millionen Euro entstanden sein. Die meisten Firmen der Infinus-Gruppe gingen Ende 2013 nach einer Razzia der Staatsanwaltschaft in die Insolvenz. Bis dahin waren die Unternehmen allen Zahlungsverpflichtungen nachgekommen.

Das Urteil soll im Juli fallen.