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Vor dem Absturz

Ein Bulgare gründete vor 50 Jahren in Dresden das erste deutsche Frauenfußballteam. Die Leistungskurve sinkt nun dramatisch.

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© Jürgen Lösel

Von Alexander Hiller

Er selbst hat das nie so gesehen, aber Wladimir Zwetkow ist für einen speziellen Teil einer Frauenbewegung ein wichtiger Mann. Der gebürtige Bulgare hat den ersten Frauenfußballverein auf deutschem Boden gegründet. 1968 bei der BSG Empor Dresden-Mitte. Da war es Frauen in der Bundesrepublik noch verboten, gegen den Ball zu treten.

Im Frühjahr 1968 gründet Wladimir Zwetkow in Dresden die erste weibliche Fußballmannschaft. Und dann noch eine und noch eine.
Im Frühjahr 1968 gründet Wladimir Zwetkow in Dresden die erste weibliche Fußballmannschaft. Und dann noch eine und noch eine. © privat

50 Jahre später droht der Frauenfußball in Dresden jedoch, in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Dabei hat der 1. FFC Fortuna gerade mal eine positive Neuigkeit zu verkünden: die ersten Punkte dieser Saison – nach elf Spieltagen, zum Abschluss der Hinrunde also. Als Schlusslicht besiegte der 1. FFC am Sonntag den Tabellenvorletzten BSC Marzahn mit 2:1 (1:1), bleibt aber mit einem Zähler Rückstand Letzter. Der Abstand zum ersten Nichtabstiegsplatz beträgt immerhin fünf Punkte.

Fortuna droht der Abstieg in die Landesliga, die vierthöchste Spielklasse. Dort spielen mit dem Post SV Dresden und dem SV Johannstadt zwei weitere Dresdner Mannschaften. Für den schleichenden, aber steten Leistungsverfall gibt es viele Gründe. Schließlich war Fortuna – damals noch Rähnitz – sogar bis 2004 zweitklassig.

Erstens: Die Klubs der Stadt arbeiten eher gegen- als miteinander

Seit Jahren negieren sich Fortuna und der SV Johannstadt. Inzwischen sind mit dem Post SV, dem FSV Lok und dem SV Loschwitz (beide Landesklasse) drei Klubs zu erwähnenswerter Stärke herangewachsen. Förderlich war das für die Kommunikation untereinander nicht. „Ich vermute, dass da viele Fehler gemacht wurden, auch von Fortuna“, sagt Steve Maschik, seit Oktober Trainer des Regionalligisten. „Wir müssen Wege finden, gemeinsam voranzukommen. Dafür müsste jeder seine Befindlichkeiten hintenanstellen“, fordert er.

Zweitens: Für eine Nachhaltigkeit der Frauen-WM 2011 wurde nichts getan.

Die Frauenfußball-WM auf deutschem Boden 2011 war ein voller Erfolg. Und das, obwohl das heimische Team im Viertelfinale am späteren Weltmeister Japan scheiterte. Der WM-Standort Dresden verdiente sich dabei glänzende Noten. Insgesamt 80 205 Besucher verfolgten die vier WM-Partien im Dresdner Fußball-Tempel, der damals noch so hieß, wie heute wieder: Rudolf-Harbig-Stadion. Das Viertelfinale zwischen Brasilien und den USA war mit 25 598 Zuschauern ausverkauft. Doch es fehlte an zündenden Ideen, das offensichtliche Interesse und die Neugier ins Drittliga-Hier-und-Jetzt zu transformieren.

Die Realität sieht nüchterner aus denn je. 42 Fans sahen das Kellerduell im Heinz-Steyer-Stadion an letzten Sonntag. Früher kamen deutlich mehr als 100.

Drittens: die geplatzte Kooperation mit Dynamo Dresden.

Es galt als spektakuläres Projekt, zumindest für die eine Seite. Im August 2009 unterzeichneten Fortuna Rähnitz und Dynamo einen Kooperationsvertrag. Der hatte als Ziel, dass die Drittligafrauen als „Verein im Verein“ geschlossen bei der SG Dynamo eintreten. Davon erhoffte man sich mehr Aufmerksamkeit. „Wir versprechen uns von der Kooperation in erster Linie, dass wir unser Image nachhaltig verbessern“, zeigte aber auch der damalige Dynamo-Geschäftsführer Sven Bohne Vorzüge auf. Fortuna spielte zwei Jahre lang mit zwei Logos auf dem linken Oberarm – im sächsischen Fußball ein einmaliger Vorgang. Letztlich stimmten die Dynamo-Mitglieder im November 2011 auf einer ordentlichen Mitgliederversammlung mehrheitlich gegen eine Frauen-Abteilung.

Viertens: Leipzig ist besser aufgestellt, obwohl sich die Strukturen ähneln.

Der Sächsische Fußball-Verband hat das Landesleistungszentrum für Mädchen- und Frauenfußball seit Jahren in Leipzig verortet, obwohl mehrere Vereine krachend an dieser Aufgabe scheiterten. Mit RB Leipzig scheint nun ein zukunftsfähiger Partner gefunden zu sein. Auch mit den Frauen, derzeit Regionalliga-Dritte, strebt der Brauseklub die erste Liga an. Das hemmt Entwicklungen in Dresden. „Wir haben hier ein tolles Sportgymnasium, müssen unsere besten aber nach Leipzig schicken. Das ist für viele regionale Talente nicht darstellbar. Wir haben von den F- bis zu den B-Juniorinnen in allen Altersklassen Teams. Das bietet nicht mal RB“, sagt Fortuna-Chef Roland Hönisch.