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Von Malta zurück in Schönfeld

Vincent Johne gehörte zu den ersten sächsischen Jugendlichen, die auf Freistaatkosten zum Schüleraustausch auf die Mittelmeerinsel durften.

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© Kristin Richter

Von Jörg Richter

Schönfeld. Auf Malta zur Schule gehen, wenn die Freunde zu Hause in Sachsen Ferien haben. Das hat Vincent Johne aus Schönfeld nicht davon abgehalten, sich auf das vierwöchige Abenteuer auf der Mittelmeerinsel einzulassen. So lange dauerte sein Schüleraustausch. Ausgerechnet die Herbstferien fielen in diese Zeit. Und auch der Tag der Deutschen Einheit. Vincent sieht das positiv, „denn dadurch habe ich nur acht Tage an meiner Schule verpasst“.

Der 14-Jährige geht normalerweise in die neunte Klasse der Oberschule Schönfeld. Nach seiner Rückkehr aus Malta musste er nur eine Arbeit nachschreiben. In Gemeinschaftskunde. Ein Unterrichtsfach, das es in Malta gar nicht gibt. Dafür aber andere, die er bisher nicht kannte. Zum Beispiel PSCD (personal, social and career Development), eine Art Knigge-Unterricht für soziales und gesellschaftsfähiges Verhalten. „Da wird vor allem viel geredet, über das Leben und wie man mit anderen umgehen sollte“, erzählt Vincent.

Die meisten Fächer wurden auf Englisch gehalten, nur wenige auf Maltesisch. Das sind die beiden Amtssprachen. Immerhin war Malta bis 1964 britische Kolonie. „Ich habe nicht alles verstanden“, gibt Vincent zu. Sein Banknachbar Francesco habe ihm zum Glück oft geholfen. Denn Vincent war der einzige Austauschschüler in seiner Klasse auf Zeit. Für diese vier Wochen war der 14-Jährige ein Zehntklässler, aber dennoch unter Gleichaltrigen. Das liegt daran, dass die Kinder auf Malta bereits mit fünf Jahren in die Schule kommen. Die dortigen Colleges sind mit den hiesigen Oberschulen vergleichbar. Die Oberstufe beginnt dort mit der sechsten Klasse und endet nach der elften.

Und noch etwas ist an maltesischen Schulen anders. Etwas, was sofort auffällt. Oder anders gesagt, weswegen Vincent an seinem ersten Schultag am St. Paul’s Missionary College sofort als Neuling auffiel. Während er mit einem weißen T-Shirt die Schule betrat, liefen alle anderen in einheitlicher Schulkleidung herum. Sie besteht aus einem weinroten Polo-Shirt mit dem College-Namen, einer dunkelgrauen Hose und schwarzen Schuhen. Noch am gleichen Tag erhielt Vincent ein Polo-Shirt und eine Hose geschenkt. Seine schwarzen Schuhe durfte er anlassen, obwohl sie auch ein paar weiße Streifen hatten. Das St. Paul’s Missionary College steht in Rabat, Maltas ehemaliger Hauptstadt. „Das ist eine sehr große Schule mit zwei Kapellen“, berichtet Vincent. Dass dort nur Jungen zur Schule gehen, hängt wohl damit zusammen, dass es sich um eine katholische Schule handelt. Jeden Tag wurde beim Morgenappell gebetet. Und auch der Schulleiter wird nicht wie alle anderen Lehrer mit „Sir“, sondern wie in einem Kloster mit „Father“ (Vater) angesprochen. „Die Lehrer waren locker drauf“, erzählt Vincent. „Das hatte ich nicht erwartet.“

Denn von außen sieht die Schule wie ein altes Residenzschloss aus. „Aber von innen ist sie sehr modern“, sagt Vincent. Dort gibt es interaktive Tafeln, die man in Schulen im Landkreis Meißen eher selten findet. Und auch der moderne Fußballplatz mit Kunstrasen ist sehr beeindruckend. Mit rund 300 Schülern ist das St. Paul’s College zahlenmäßig sogar kleiner als die Oberschule Schönfeld mit knapp 400 Schülern. Anders als an hiesigen Schulen war Unterrichtsausfall fast ein Fremdwort. Vincent hatte in den vier Wochen nur drei Stunden Ausfall. Und das bei acht Stunden Unterricht – jeden Tag. 6 Uhr morgens ging er außer Haus und kehrte 16 Uhr ins gut zehn Kilometer von Rabat entfernte Dorf Balzan zurück. Dort wohnte er bei seiner 58-jährigen Gastmutter Elisabeth, die auch einen jungen Japaner und zwei Studenten aus Kolumbien beherbergte.

An den Wochenenden nutzte er die freie Zeit, um sich mit anderen Schülern aus Sachsen in der Hauptstadt Valletta zu treffen und die Insel zu erkunden. „Es war sehr interessant, eine andere Kultur kennenzulernen“, sagt Vincent. „Ich kann es nur jedem empfehlen, als Austauschschüler solche Erfahrungen zu machen.“

Er hätte sich auch die USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich oder Tschechien als Gastland aussuchen können. „Aber Malta war mein Erstwunsch. Da war ich noch nie“, sagt der 14-Jährige. Seine Mutter Diana Johne hat ihm das Austauschschüler-Gen vererbt. Sie war selbst als Schülerin in den USA, hat noch heute Kontakt zu ihren Gasteltern in Florida und besucht sie regelmäßig mit ihrer Familie.

Das sächsische Kultusministerium möchte solche zwischenmenschlichen Kontakte in andere Länder stärken. Außerdem sollen Jugendliche ihren Horizont erweitern. In diesem Jahr vergab der Freistaat 35 Stipendien für einen vierwöchigen Schulbesuch im Ausland. Zur Zielgruppe gehörten Oberschüler der neunten Klasse, deren Familien sich sonst den Aufenthalt an einer Schule im Gastland nicht leisten können. Malta und Tschechien standen dabei zum ersten Mal auf der Liste der teilnehmenden Länder.