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Von Malle nach Neukirch

Spanien-Rückkehrer Jörg Rokitta verwirklicht im Ostbahnhof ein Gastronomieprojekt – Start ist an diesem Sonnabend.

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© Steffen Unger

Von Ingolf Reinsch

Neukirch. Für Jörg Rokitta dürfte es an diesem Sonnabend eine Punktlandung werden: 13 Uhr möchte er die Wartehalle des Neukircher Ostbahnhofes für seine Gäste öffnen. Bis dahin ist Zeit zu bauen, aufzuräumen, einzurichten. Ein Wettlauf gegen die Uhr, den der 48-Jährige gewinnen wird. Die SZ besuchte ihn zwei Tage vor der Eröffnung. Da gab es noch jede Menge zu tun. Doch gemessen daran, was sich nach jahrelangem Stillstand in nur knapp drei Wochen im Empfangsgebäude alles verändert hat, sollte der für Sonnabend geplanten Faschingsparty, zugleich Eröffnungsparty, nichts mehr im Wege stehen.

Neukirchs Bahnhof Ost. Jörg Rokitta möchte das Gebäude und mit ihm auch den Ort beleben.
Neukirchs Bahnhof Ost. Jörg Rokitta möchte das Gebäude und mit ihm auch den Ort beleben. © Steffen Unger
Der ehemalige Wartesaal am Donnerstagvormittag. Am Sonnabend ist hier Party angesagt.
Der ehemalige Wartesaal am Donnerstagvormittag. Am Sonnabend ist hier Party angesagt. © Steffen Unger
Die Tür zum Wartesaal. Das Holz wurde abgeschliffen und anschließend neu gestrichen.
Die Tür zum Wartesaal. Das Holz wurde abgeschliffen und anschließend neu gestrichen. © Steffen Unger

Bahnhofsgrau adé

In der Halle, in der einst Reisende auf ihren Zug warteten, erinnert nichts mehr ans Bahnhofsgrau. Die Wände wurden neu verputzt und weiß gestrichen. Das Blau an den Wänden und der Säule mitten in der Halle hebt sich davon ab. Türen und Fensterrahmen wurden abgeschliffen und gestrichen, fehlendes Glas in den Scheiben durch neues ersetzt. Das Rollo an der Fahrkartenausgabe ist am Donnerstagvormittag noch unten. Dahinter wird gebaut. Jörg Rokitta richtet hier seinen Kiosk ein. Zur Eröffnung am Sonnabend soll auch er in Betrieb gehen. Kaffee, Tee, belegte Brötchen, eine Bockwurst wird es dort schon ab den nächsten Tagen geben. Mit Blick auf Berufspendler, die am Morgen in Neukirch in den Zug steigen, soll der Kiosk schon früh um 6  Uhr öffnen, stellt der Betreiber in Aussicht. Er hat mit dem Kiosk nicht nur Bahnreisende im Blick, sondern auch Leute, die an der „Oberland“-Kreuzung auf den Bus warten, oder die einfach nur mal so in den Bahnhof reinschauen möchten. Vor dem Kiosk wird es Stehtische geben, an der Wand gegenüber ein Pult, auf dem DJs auflegen. Jörg Rokitta, der auch Entertainer ist, wird oft selbst am Pult stehen. Für die Wochenenden plant er Musikevents im Bahnhof – auch um „Neukirch zu beleben“. Nebeneffekt seines Engagements: Wer auf dem Bahnsteig wartet, kann sich in der Halle aufwärmen. Auch Toiletten gibt es dort. Nachdem die Bahn das Empfangsgebäude geschlossen hatte, fehlten sie.

Kacelofen bleibt erhalten

Eigentlich wollte Jörg Rokitta zur Eröffnung auch schon seine Imbissstube präsentieren, die er in der früheren Bahnhofsgaststätte einrichten möchte. Doch sie wird auch noch am Sonnabend Baustelle sein. Wegen des kühlen Wetters trocknete der Putz an den Wänden nicht so schnell wie erhofft. Die Fußbodendielen haben Rokitta und Freunde, die ihm helfen, herausgerissen. Dort soll Estrich rein. Die Zimmerdecke aus DDR-Zeit will er erhalten, ebenso den Kachelofen in der Ecke. Tische und Stühle für den Gastraum sind schon gekauft. – Flippig Grün präsentiert sich der Vorraum zur Wartehalle. Hier wird Jörg Rokitta eine Lounge einrichten. Den Zugang zum Bahnhof von der Straßenseite her möchte er dafür nach der Eröffnungsparty von innen zumauern. Von außen bleibt die Tür des denkmalgeschützten Gebäudes jedoch erhalten. Künftig soll es nur noch über den Bahnsteig in die Wartehalle gehen. Der Gastronom, der gelernter Koch ist, wird selbst am Herd stehen.

Gekocht für Mallorca-Promis

Rund 30 Jahre lang lebte und arbeitete Jörg Rokitta, der aus dem Ruhrpott stammt, in Spanien – auf dem Festland, auf Mallorca und den Kanaren. Als er auswanderte, war er 17. Es sollte nur für eine Saison sein. Doch er blieb. Er arbeitete als Koch und Küchenchef, bekochte Mallorca-Promis wie Jürgen Drews und richtete auf der Urlaubsinsel seine eigene Bar „Cubanito“ ein. Dort wurde der Fernsehsender Vox auf ihn aufmerksam und begleitete ihn in der Serie „Goodbye Deutschland“. „Früher war das mal eine Garage“, berichtet er vom Cubanito. „Ich habe sie selbst renoviert und mit Palmenzweigen dekoriert. Es sah toll aus.“ Palmen gibt es in Neukirch nicht. Dort werden Bilder die Wände schmücken.

Neukirch war ein Zufall

Gesundheitlich angeschlagen, kehrte Jörg Rokitta nach Deutschland zurück. „Hier ist das Gesundheitssystem besser als in Spanien“, begründet er diese Entscheidung. Dass es ihn dabei ausgerechnet nach Neukirch verschlagen hat, ist dem Zufall geschuldet. Ein anderer Malle-Auswanderer, der ebenfalls zurückkehrte, kaufte vor zweieinhalb Jahren den Ostbahnhof. Jörg Rokitta arbeitet nicht nur in dem Gebäude. Seit Dezember wohnt er auch darin. Es lebe sich gut im Bahnhof, sagt er.

Neukircher wünschen sich, dass das Gastronomieprojekt gelingt. Seitdem die Bahn das 1877 errichtete Empfangsgebäude aufgegeben hat, wurden mehrmals Hoffnungen geweckt – und enttäuscht. Zunächst gab es seriöse Pläne für einen Bürgerbahnhof, die der Initiator, ein Mann aus dem Allgäu, aufgrund der Entfernung fallen ließ. 2013 wurde das Gebäude für 5 000 Euro versteigert. Kurz darauf wurde es im Internet von einem Immobilienbüro zum Verkauf angeboten. Für den vergleichsweise stolzen Preis von 19 900 Euro. In all diesen Jahren tat sich nichts am Bahnhof. Wer das Gebäude noch von früher her kennt, der wird am Wochenende staunen, was sich in den vergangenen drei Wochen alles verändert hat.

Eröffnung: Sonnabend 13 Uhr. Gegen 15 Uhr treten die Funken des Steinigtwolmsdorfer Karnevalklubs auf. Die Party am Abend gestalten Mike van Hyke (Supertalent 2017) und ein DJ.