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Von Hunden und anderen Menschen

Die Erziehung von Kind und Hund hat viel gemeinsam, sagt Thorsten Fauser. Eine Leine brauche keiner von beiden.

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© T. Fauser

Von Henry Berndt

Er ist der Unaussprechliche. Wenn Thorsten Fauser jetzt den Namen seines Hundes nennt, dann wird der seinen gemütlichen Schlafplatz auf dem Fell vor der Heizung blitzartig verlassen und ein Kommando erwarten. Doch es gibt gerade nichts zu kommandieren. Also buchstabiert das Herrchen: J – A – C – O – B.

Der Rhodesian Ridgeback ist sieben Jahre alt und weiß ganz offensichtlich, was er zu tun und zu lassen hat. Was nicht heißt, dass er sein Herrchen nicht auch mal herzlich abknutschen darf, bis Thorsten Fauser sich die Haare einzeln aus dem Mund sammeln muss. Jacob muss auch nicht artig „sitz“ machen, bevor er ein Leckerli bekommt. Befehle bekommt er nur, wenn es auch wirklich nötig ist.

„Vorsitzen oder am Fuß laufen wird es bei mir nie geben“, sagt der Hundetrainer, der sich selbst lieber als Sozialtrainer bezeichnet. Seine Regeln würden nämlich nicht etwa nur bei Hunden funktionieren, sondern genauso bei Kindern. Der 47-Jährige spricht deswegen auch lieber allgemein von „Zöglingen“, wenn er etwas erklärt. Und er erklärt viel und wortreich. Er spricht davon, wie Menschen durch die antiautoritäre Erziehung die Fähigkeit zum Erziehen verloren hätten. Auch Hunde sollten aus Fausers Sicht als Teil der Familie angesehen werden. „Ihr seid Mutter und Vater für euren Hund.“ Im Vergleich zum Kind laufe die Erziehung nur im Zeitraffer ab. Damit das funktioniert, sind für ihn nur zwei Dinge wichtig: Jeder muss seine Position in der Hierarchie genau kennen, und die Kommunikation muss stimmen.

Dasselbe müsste für Thorsten Fauser eigentlich auch für die Polizei zutreffen. Weil das aus seiner Sicht nicht funktionierte, quittierte er vor 16 Jahren seinen Dienst als Polizist und machte sich als Hundetrainer selbstständig. Seitdem gibt er Einzelunterricht, lud Erklärvideos auf YouTube hoch und schrieb das Buch „Beziehung ohne Leine“ (Telescope Verlag, 34 Euro). Seine Erziehungsthesen fasste er im sogenannten „Fauser-System“ zusammen. Das hört sich professionell an und steht sogar auf seinem Klingelschild unten am Hauseingang in Dresden-Löbtau. „Eigentlich bin ich aber viel lieber einfach Thorsten Fauser“, sagt er inzwischen. Ein früherer Geschäftspartner habe ihm einst den Floh ins Ohr gesetzt, er brauche unbedingt einen Markennamen für sein Produkt. Und nun ist er einmal da, da benutzt er ihn auch weiter.

Tierische Langeweile

In der Wohnung hier wohnen er und seine deutlich jüngere Freundin Cora erst seit wenigen Wochen. Damit sie in Dresden ihr Studium zur Kostümbildnerin beginnen konnte, zogen die beiden aus ihrer Heimat in Baden-Württemberg nach Sachsen. „Ich wohne noch in einer kleinen Mühle in der Nähe von Stuttgart“, sagt er. „Vorerst haben wir jetzt zwei Wohnsitze.“ Wenn wieder ein Wochenende mit Terminen gefüllt ist, fährt er runter und arbeitet sie ab.

Damit Jacob nicht zu viele Treppen laufen muss, kam in Dresden nur das Erdgeschoss infrage. „Wir lassen ihn nie allein zu Hause“, sagt Fauser. Ob Bücher oder Waschmaschine, ein Tier könne mit all den Dingen aus der Menschenwelt nichts anfangen und könne allein im Raum nur vor sich hinvegetieren. Dasselbe gelte auch für andere Haustiere, deren Haltung Fauser recht kritisch gegenübersteht. Überhaupt scheint er kaum einen Menschen einem Tier vorzuziehen. Thorsten Fauser ist überzeugter Vegetarier und Tierschützer. „Die Menschen nehmen Tiere nicht ernst“, sagt er. „Sie definieren sie nur über ihren Körper. Während ein Schwein im dunklen Stall leben muss, darf ein Hund auf der Wiese herumtollen.“ Gerade schreibt Fauser an einem Buch über die menschliche Entfremdung von der Natur. Früher wollte er deswegen auch nie Kinder in diese Gesellschaft setzen. Später wollte er das unbedingt, damit sein Nachwuchs es besser machen kann. Heute spürt er keinen Druck mehr und lässt das auf sich zukommen.

Wahrscheinlich hätte Thorsten Fauser heute kein Tier an seiner Seite, wenn er nicht sein Leben lang mit Hunden aufgewachsen wäre. Als er 16 war, schenkten ihm seine Eltern einen Afghanen, den er später zu Hause zurückließ, als er auszog. Das lässt ihm bis heute keine Ruhe.

Von Anfang an machte Thorsten Fauser jedem seiner Hunde klar, dass sie ihn niemals ignorieren dürfen, wenn sie angesprochen werden. Der Trainer spricht von Respekt in seiner „warmherzigen Form“.

Freiheit statt Lob

Fauser erfand das sogenannte „Daseinssignal“, das jeder Hundebesitzer mit einem anderen kurzen Wort besetzen kann, das aber immer dasselbe bedeutet: Sei jetzt bei mir und halte maximal eine Armlänge Abstand. „Die meisten loben ihren Hund, wenn er ein Kommando befolgt hat, doch das ist Quatsch“, sagt Fauser. Wichtiger sei, das Kommando danach auch wieder zu beenden, das Tier also wieder in seine „Freiheit“ zu entlassen. Viel mehr als diese beiden Signale braucht es für Fauser gar nicht. „Von der klassischen Hundeschule halte ich nicht viel. Dort wird den Tieren zwar etwas beigebracht, aber sie werden nicht erzogen. Das ist ein großer Unterschied.“ Fast jeder vermeintlich gut trainierte Hund würde am Ende doch der Katze hinterherjagen, wenn ihm danach ist. „Und genau das darf nicht passieren.“ Wenn der Hund weiß, wer das Familienoberhaupt ist, dann brauche er auch keine Leine. Dafür benötige Thorsten Fauser oft kaum mehr als sechs Termine, selbst in den schwierigsten Fällen. „An Menschen bin ich schon verzweifelt“, sagt er, „aber nie an Hunden.“

www.fauser-system.de