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Von der Zelle in die eigene Wohnung

Die Mitarbeiter der Arche betreuen mehr als 80 Menschen, die nicht mehr im Heim leben. Vor 25 Jahren war das undenkbar.

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© Dietmar Thomas

Von Cathrin Reichelt

Waldheim. Es sei ein Kraftakt gewesen, meint Gabriele Markus, Geschäftsführerin der Arche Wohnstätten: „Und der war so nicht geplant.“ In den vergangenen beiden Monaten hat sie mit ihrem Team fünf Umzüge gestemmt. Das betraf eine Außenwohngruppe mit drei Wohnungen, die Verwaltung der Arche sowie die Kontakt- und Beratungsstelle in Leisnig. Für letztere hatte die Geschäftsleitung bereits drei Jahre lang nach neuen Räumen gesucht. Gefunden wurden sie ausgerechnet, während die anderen Umzüge schon im Gange waren. Kurz vor dem Sommerfest, das am Sonnabend aus Anlass des 25-jährigen Bestehens der sozialtherapeutischen Einrichtung und zum 20-jährigen der Arche gefeiert wird, ist das Team damit wieder einen großen Schritt in der Neugestaltung der Einrichtung gegangen.

Begonnen hat diese im Jahr 1992 als Gabriele Markus einen Arbeitsvertrag mit dem Sozialministerium unterschrieb und die einstige Psychiatrie in Waldheim übernahm. „Die psychisch Kranken lebten in zwei mal vier Meter großen Zellen, wie sie zu Zeiten des Frauengefängnisses üblich waren – mit schweren Riegeln und Schlössern“, erzählt die Geschäftsführerin. Irgendwo habe sie noch den großen Schlüssel, der ihr damals mit dem Hinweis in die Hand gedrückt worden sei, dass sie jeden Tag gut zuschließen müsse. „Das habe ich regelmäßig vergessen“, sagt sie lächelnd. Die Umstände, unter denen die Menschen damals lebten, empfand sie als schlimm. „Für mich war die Frage, schnell etwas zu verändern oder selbst krank zu werden“, so Gabriele Markus.

Sie begann, etwas zu verändern – am Zustand der Gebäude und am Umgang mit den Menschen, die darin wohnten. „Denen hatte man den Stempel aufgedrückt, dass sie nichts können und nie selbstständig leben werden. Das haben wir durch unsere gute sozialpädagogische Arbeit widerlegt“, so die Geschäftsführerin. Von den damals 22  Klienten leben noch drei im Heimbereich. Viele von ihnen und denen, die danach kamen, in der Zwischenzeit in eigene Wohnungen gezogen.

Die Gebäude der Arche wurden seit 1994 kontinuierlich saniert. In dem einen entstanden zwölf, in dem anderen 24 moderne Bewohnerzimmer. Für jede Wohngruppe, die aus sieben bis neun Personen besteht, gibt es ein Wohnzimmer, eine Wohnküche, ein Bad und mehrere Toiletten. Das Haus 2 ist seit einigen Jahren auch über einen Fahrstuhl erreichbar. Die 2001 neu gestalteten Außenanlagen werden unter Anleitung des Hausmeisters nicht nur von den Klienten gepflegt. Sie erhalten auch regelmäßig tierischen Besuch. „Auf dem Teich brütet jedes Jahr eine Wildente“, erzählt Gabriele Markus. Sobald die Küken geschlüpft sind, verschwinde die Mutter mit ihrem Nachwuchs in Richtung Zschopau.

So positiv die Entwicklung der Arche Wohnstätten ist, ein Problem gibt es noch. „Wir haben Schwierigkeiten, Fachpersonal zu bekommen“, erklärt Sascha Markus. Er ist seit vergangenem Jahr Eigentümer der sozialtherapeutischen Einrichtung und übernimmt Stück für Stück die Aufgaben von Gabriele Markus. „Wir bewegen uns mit dem Personal an der Grenze, um eine gute Arbeit leisten zu können und immer wieder Klienten in ein eigenständiges Leben zu führen“, so Sascha Markus. Zwei Heilerziehungspfleger, Erzieher oder Krankenpfleger mehr im Team wären ihm recht.

1996 zogen die ersten Klienten in eigene Wohnungen. Drei Jahre später wurde in Waldheim die erste Kontakt- und Beratungsstelle eröffnet. Inzwischen gibt es mehr als 80 Frauen und Männer, die außerhalb des Heimbereichs leben und von den Mitarbeitern betreut werden. Diese Zahl soll noch steigen. Deshalb hat Sascha Markus eine Vision. Auf dem Gelände der Arche Wohnstätten würde er gern ein neues Gebäude mit Wirtschafts- und Beschäftigungsräumen bauen. Noch gebe es für die Heimbewohner überwiegend kreative Beschäftigungen. „Wir wollen aber noch intensiver zur Selbstversorgung übergehen“, so Gabriele Markus. Dazu gehöre das Kochen ebenso wie das Wäschewaschen. Gleichzeitig werden die Klienten mit den Beschäftigungen auch auf eine Arbeit, zum Beispiel in den Roßweiner Werkstätten, vorbereitet.

Der Neubau ist aber noch Zukunftsmusik. Trotzdem geht die Sanierung der Einrichtung weiter. Voraussichtlich im kommenden Jahr werden das Dach des Hauses 2 neu gedeckt und die Mauer zum Gässchen instand gesetzt.

Sommerfest der Arche Wohnstätten an der Hainichener Straße in Waldheim: 9. September ab 14 Uhr mit einem Rückblick auf die Entwicklung der Einrichtung und einem Programm, das erstmals nicht von den Bewohnern gestaltet wird. Auch sie sind Gäste.

Bei geführten Rundgängen besteht die Möglichkeit, die Wohnstätten zu besichtigen.