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Von der Wohnung wieder ins Heim?

Die Ausländeramtschefin gibt Auskunft, ob in Radebeul Asylbewerber zurückgeschickt wurden. Die Antwort überrascht.

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© Norbert Millauer

Von Nina Schirmer

Radebeul. Einige Kommunen in Deutschland schaffen aus Kostengründen dezentrale Unterbringungen von Geflüchteten wieder ab und verfrachten die Menschen zurück in Heime – das prangerte die Tageszeitung, kurz taz, in der vergangenen Woche an. In Thüringen etwa habe es schon mehrere solche Fälle gegeben, heißt es im Artikel, in dem die thüringische Integrationsbeauftragte entsprechend zitiert wird.

Auch Radebeul kommt in dem Artikel vor. „Im Villenstädtchen vor Dresden“, so heißt es, wurde ein Heim wieder eröffnet, in dem gut 100 Flüchtlinge in Zweibett- und Familienzimmern Platz haben. Ob in die Radebeuler Sammelunterkunft an der Kötitzer Straße auch Leute geschickt wurden, die vorher schon in normalen Wohnungen gelebt, wird offengelassen.

Nachfrage bei Barbara Schwedler, Leiterin des Ausländeramtes im Landkreis Meißen: Zum Stichtag 30. April lebten insgesamt 1 337 Asylbewerber in vom Landkreis gestellten Unterkünften, teilt sie mit. Davon 326 in Gemeinschaftsunterkünften und der weit größere Teil, nämlich 1 011 Personen in Wohnungen. Insgesamt hat der Landkreis 318 Wohnungen für Geflüchtete angemietet. Davon sind 99 in Meißen, 94 in Riesa, 31 in Großenhain und fünf in Radebeul.

In der Lößnitzstadt gibt es also mit Abstand die wenigsten Wohnungen für Asylbewerber. Liegt das daran, dass dort auch das Heim in Naundorf steht und der Landkreis deshalb aus Kostengründen nicht daran interessiert ist, Leute dezentral unterzubringen? Nein, sagt Barbara Schwedler. Mit der Finanzierung habe das zwar etwas zu tun, jedoch nicht mit der Sammelunterkunft. „In Radebeul gibt es einfach insgesamt weniger freie Wohnungen“, sagt sie. Noch dazu wenige, die im Finanzrahmen liegen. Denn in der Regel würden Wohnungen angemietet zu einem Preis, den auch das Sozialamt für andere Hilfsbedürftige, beispielsweise Hartz-IV-Empfänger, zahlt. Solch günstiger Wohnraum ist in Radebeul rarer als in den anderen Städten.

Die Wiedereröffnung der Sammelunterkunft an der Kötitzer Straße habe keinen Einfluss auf die Zahl der dezentralen Wohnungen gehabt, sagt Schwedler. Seit der Wiedereröffnung der Gemeinschaftsunterkunft in Radebeul wurden keine Wohnungen in Radebeul abgeschafft und es sind auch keine dezentral untergebrachten Personen wieder in eine Gemeinschaftsunterkunft umgezogen, erklärt sie. Den Weg von der Wohnung zurück ins Heim habe es also nicht gegeben.

In die Sammelunterkunft kamen Asylbewerber, die bis dato in Gemeinschaftsunterkünften in Moritzburg, Weinböhla, Meißen und Klipphausen lebten. Diese Einrichtungen wurden geschlossen. Auch in keiner anderen Gemeinde im Landkreis mussten Geflüchtete aus einer Wohnung zurück ins Heim, sagt Schwedler.

In Zukunft sei das ebenfalls nicht geplant, obwohl die Zahl der dezentralen Wohnungen im Landkreis bis Ende Juni von 318 auf 310 minimiert wird. Das liege aber daran, dass im Moment weniger Asylbewerber kommen und der Bedarf an Wohnraum kleiner geworden ist, sagt die Ausländeramtschefin. Auch die Zahl der Sammelunterkünfte werde von fünf auf vier reduziert. Der Betreibervertrag für die Unterkunft im Hotel Saxonia in Riesa ist Mitte Mai abgelaufen.

„Mit diesen Unterbringungskapazitäten plant der Landkreis zunächst bis Jahresende“, so Schwedler. Der Bedarf müsse aber fortwährend geprüft und immer angepasst werden – je nachdem wie viele Flüchtlinge dem Landkreis zugewiesen werden. Die Kreisverwaltung verfolge dabei die Strategie, ein Drittel der Asylbewerber in Sammelunterkünften unterzubringen und zwei Drittel in Wohnungen. „Insbesondere Familien werden aus integrativen Aspekten in Wohnungen zugewiesen“, erklärt Schwedler.

Neue Sammelunterkünfte seien nach jetzigem Stand nicht geplant. Denn die Wohnungen haben auch für den Landkreis einen entscheidenden Vorteil: Die Mietverträge lassen sich flexibler kündigen. Das in der taz beschriebene Problem gebe es im Landkreis Meißen jedenfalls nicht, sagt Schwedler. Sowohl Wohnungs- als auch Heimplätze seien hier zuletzt reduziert worden.

Der Sächsische Flüchtlingsrat spricht sich für eine dezentrale Unterbringung in normalen Wohnungen aus. Denn in den Sammelunterkünften sei der Schutz der Intimsphäre der Bewohner nicht gewährleistet, schreibt der Verein auf seiner Internetseite. Menschen mit unterschiedlichstem Lebensrhythmus, verschiedenen Fluchtgeschichten und zum Teil traumatischen Erfahrungen lebten dort auf engstem Raum zusammen. Auch kulturelle und religiöse Differenzen und Sprachbarrieren erschwerten den Bewohnern das unfreiwillige Zusammenleben.