Merken

Von der Schuleruine zum Wohnparadies

Der Umbau der früheren Leninschule ist abgeschlossen. Lustig: Eine Lehrerin zieht an ihren früheren Arbeitsplatz.

Teilen
Folgen
© Dietmar Thomas

Von Jens Hoyer

Döbeln. Allein 155 Fenster musste Albrecht Steinbach und sein Helfer Robert Fessel aus dem sechs Millimeter dicken Sperrholz sägen. Im Format 1:60 bauten sie das neue Wohnhaus der Wohnungsgenossenschaft Fortschritt nach. „Da steckt viel Arbeit drin. Die Originalfarbe habe ich mir beim Bauleiter besorgt“, erzählt Albrecht Steinbach. Am Montag hat er das Modell zur Eröffnung des Wohnparks übergeben.

Generalauftragnehmer Jochen Töpfer (l.) und Döbelns Schutzpatronin Doblina übergaben den Schlüssel an Teamleiterin Carolin Pfütze-Grafe (2.v.l) und Vorstand Stefan Viehrig.
Generalauftragnehmer Jochen Töpfer (l.) und Döbelns Schutzpatronin Doblina übergaben den Schlüssel an Teamleiterin Carolin Pfütze-Grafe (2.v.l) und Vorstand Stefan Viehrig. © Dietmar Thomas
Zur Einweihung gab es Gelegenheit, sich in den Wohnungen umzusehen.
Zur Einweihung gab es Gelegenheit, sich in den Wohnungen umzusehen. © Dietmar Thomas

Das Wort „Mut“ war dort mehrfach zu hören. Denn was man weder dem Modell ansieht noch dem Original: Es war eine Ruine, die die Wohnungsgenossenschaft Fortschritt von der Stadt übernommen hatte. Nässeschäden an vielen Stellen, aus manchen Spalten wuchsen Bäume. Die ehemalige Leninschule, später Außenstelle des Gymnasiums, hatte 14 Jahre leer gestanden. „Es ist meines Wissens das erste Mal in Sachsen, dass eine Schule in Skelettbauweise komplett zu Wohnzwecken umgebaut wurde“, sagte Jochen Töpfer, Geschäftsführer der Firma B&O Wohnungswirtschaft, die als Generalauftragnehmer den Umbau abgewickelt hat. Der Umbau einer solchen Schule in ein Wohnhaus habe durchaus Pilotcharakter, sagte er. Ein knappes Jahr lag zwischen Teilabriss der ehemaligen Schule und Fertigstellung. „Ich hätte nicht gedacht, dass wir das schaffen. Ich habe mit einem Monat längerer Bauzeit gerechnet“, sagte Töpfer.

„Respekt vor dieser Leistung“, meinte auch Oberbürgermeister Hans-Joachim Egerer (CDU). Die Schule war für den Abriss vorgesehen. Auf dem Gelände sollten Bäume gepflanzt werden. Die Stadt hatte der WG Fortschritt die Schulruine nach längerer Diskussion verkauft. „Wir wollten, dass sie in gute Hände kommt“, so Egerer. Die repräsentativen Wohnungen seien auch ein Aushängeschild für die gesamte Stadt.

Seit zwei Jahren investieren viele Genossenschaften wieder in neuen Wohnraum – nicht nur in den Großstädten, sagte Axel Viehweger, Chef des Verbandes der Sächsischen Wohnungsgenossenschaften. Preiswerte Wohnungen gebe es genügend. Bedarf bestehe an hochwertigen und großen Wohnungen.

Die 24 Wohnungen hatte die WG Fortschritt trotz des relativ hohen Preises problemlos vermietet. Im Juli war der letzte Vertrag unterschrieben. 7,50 Euro kalt will die Genossenschaft pro Quadratmeter, zehn Euro warm, erzählte Mitarbeiterin Silke Härtig. Anfang September ziehen auch die Olbrichs in ihre neue Wohnung ein. Bärbel Olbrich wohnt dann sozusagen an ihrem ehemaligen Arbeitsplatz. Die 78-Jährige hatte seit 1972 an der Schule unterrichtet. Altersbedingt wollen sie und ihr Mann sich noch einmal verändern. „Wir sind froh, dass wir dann einen Lift haben“, sagte Reinhard Olbrich (79).

Eine neue Begegnungsstätte für das Wohngebiet Ost II hat die Genossenschaft im Untergeschoss mit untergebracht. Hier wird das Rote Kreuz regelmäßig Veranstaltungen für die Bewohner anbieten. „Gedächtnistraining, Spielenachmittage, Veranstaltungen zur Pflege“, zählte Andrea Rauch, Chefin der Sozialstation des DRK, auf. Das soziale Leben ankurbeln wird auch der neue Clubrat des Gebiets. „Er hat zwölf Mitglieder und schon mehrere Male getagt“, sagte WG-Vorstand Stefan Viehrig.

Im 16. September feiert die Wohnungsgenossenschaft auf dem weitläufigen Gelände ihr erstes Parkfest. Dann soll auch ein neues Kneipp-Becken zum Wassertreten eingeweiht werden. Das hatte der Generalauftragnehmer gesponsert und es wird künftig allen Mietern der Genossenschaft zur Verfügung stehen.