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Von Bürgerbus bis Mitfahrerbank

Abseits größerer Städte ist das Busnetz oft dünn. Ohne eigenes Auto geht häufig nichts. Bürgerbusse und Mitfahrbänke können eine Alternative sein. Aber funktioniert das auch?

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© Peter Förster/dpa

Von Simon Ribnitzky

Möser. Der weiße Kleinbus rumpelt über einen staubigen Feldweg. Am Ende der Straße liegen ein paar Backsteinhäuser. „Hier hält nie ein Linienbus“, sagt Christel Schröder, während sie vor den Häusern des Karlshofs ihr Fahrzeug wendet. Schröder arbeitet als ehrenamtliche Fahrerin für den Bürgerbus in Möser, einer kleinen Gemeinde östlich von Magdeburg in Sachsen-Anhalt. Der Bürgerbus will den öffentlichen Nahverkehr ergänzen und die vielen kleinen Ortschaften rund um Möser besser anbinden - vor allem ältere Menschen ohne eigenes Auto sollen profitieren.

„Der Bürgerbus ist eine Top-Möglichkeit für alle, die nicht so mobil sind“, sagt Hartmut Dehne, der das Projekt im Verwaltungsamt der Stadt betreut. Allerdings: rund zwei Monate nach dem Start gibt es in Möser noch Anlaufschwierigkeiten. Rund 600 Kilometer ist Christel Schröder mit dem Bus bereits gefahren. „Bislang hatte ich drei Fahrgäste“, sagt die 55-Jährige. An diesem Julitag kommt zunächst kein weiterer dazu. Auch am Karlshof will niemand einsteigen.

Ganz neu ist das Konzept des Bürgerbusses - ehrenamtliche Fahrer setzen sich in ihrer Freizeit hinters Lenkrad - nicht. Die Idee entstand vor mehr als 30 Jahren in Nordrhein-Westfalen. Die Fahrer müssen einen Gesundheits- und Reaktionscheck machen, dann dürfen sie hinters Steuer. In Sachsen-Anhalt ist das erste Projekt im März dieses Jahres in Osterburg in der Altmark gestartet. Das Angebot werde langsam angenommen, sagt die Leiterin des Verwaltungsamtes, Anke Müller. Etwas mehr als 50 Fahrgäste wurden in den ersten vier Monaten gezählt. „Wir haben nach wie vor Luft nach oben“, so Müller.

Mehr Erfahrung gibt es zum Beispiel schon in Sachsen. Den Bürgerbus im Vogtland nutzten nach Angaben der Betreiber zuletzt monatlich mehr als 1100 Fahrgäste. Insgesamt waren es seit dem Start im März 2017 bereits mehr als 13 000. Herausforderung sei vor allem, genügend Fahrer zu finden, sagt Thorsten Müller, Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Vogtland. In Brandenburg rollen fünf Bürgerbusse, häufig genutzt wird vor allem das Angebot in Brieselang (Landkreis Havelland). Seit der Gründung des Vereins im Jahr 2007 fuhren mehr als 120 000 Fahrgäste mit, pro Monat sind es derzeit rund 800.

Eine andere Möglichkeit bei fehlenden Linienbussen sind sogenannte Mitfahrerbänke. Dort nehmen Menschen Platz, die auf eine Mitnahme im Auto hoffen - zum Beispiel im thüringischen Lödla. „Das hat hier im Landkreis Altenburger Land eingeschlagen wie eine Bombe“, sagt Bürgermeister Torsten Weiß (CDU). Er selbst habe es schon ausprobiert und nur fünf Minuten warten müssen, bis ein Auto hielt. Positive Resonanz gebe es in der ganzen Gemeinde. Die Bank gibt es seit Dezember 2017. „Wenn eine neue Busstrecke eingerichtet wird, dauert es in der Regel drei Jahre bis gesagt werden kann, ob das Angebot auch tatsächlich angenommen wird.“ Weiß ist deshalb zuversichtlich, dass sich die Idee bewährt.

Gute Erfahrungen mit den Mitfahrerbänken hat auch die thüringische Gemeinde Nahetal-Waldau gemacht. Vor allem Einwohner mittleren und höheren Alters würden die im Sommer 2017 aufgestellten Bänke inzwischen schon ganz gut annehmen, sagt Bürgermeister Thomas Franz. Der SPD-Politiker sieht Mitfahrerbänke als gute Ergänzung zum ÖPNV. Weniger gut klappt das in Mohlsdorf, einem Ortsteil der Landgemeinde Mohlsdorf-Teichwolframsdorf im Landkreis Greiz. „Das Angebot wird spärlich bis gar nicht angenommen“, heißt es aus der Verwaltung.

Zurück im Bürgerbus in Möser. In der Ortschaft Lostau kann Christel Schröder doch noch einen Fahrgast begrüßen. Inge Vietz ist am Morgen mit dem Bus zum Arzt gefahren, jetzt geht es zurück nach Hause. „Für mich ist der Bürgerbus genau das Richtige“, sagt die 85-Jährige. Sie wohnt in einem Neubaugebiet, zur nächsten regulären Bushaltestelle müsste sie eine halbe Stunde laufen. „Meine Kinder mag ich nicht ständig bitten, dass sie mich fahren.“

Schröder sieht beim Fahrplan des Bürgerbusses aber noch Raum für Verbesserungen. Sie wünscht sich, dass der Bus zielgerichteter und flexibler einsetzbar ist - zum Beispiel mit einem Haustürservice oder um Interessierte aus den Ortsteilen zu Veranstaltungen wie Sing- und Tanzabenden nach Möser zu bringen. „Da wäre noch mehr Potenzial“, sagt Schröder.

Wolfgang Ball von der Nahverkehrsgesellschaft Nasa gibt allerdings zu bedenken: „Wir dürfen mit dem Bürgerbus keine Konkurrenz zum bestehenden Busangebot machen.“ Platze ein Bürgerbus aus allen Nähten sei das ein Zeichen, dass an dieser Stelle eine richtige Buslinie angebracht sei. Auch die Interessen anderer Gruppen wie etwa von Taxifahrern gelte es zu berücksichtigen. „Wir müssen immer das gesamte Angebot im Blick haben“, sagt Ball. (dpa)