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Von Beruf Glücksbringer

Sein Handwerk an die Kinder weitergeben – Uwe Schubert gelingt das. Tochter Luisa ist nun Schornsteinfegermeisterin.

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© Christian Juppe

Von Nadja Laske

Fingernägel wie der Kohlenklau? Das passiert Luisa Hetzel nicht. Und wenn sie hundert Mal durch die Dachluke steigt, ihren Kehrbesen im Schlot versenkt und all den Ruß des letzten Jahres in die Tiefe befördert – die Schornsteinfegerin hat picobello Nägel. Häufig sogar lackiert.

Was nicht heißen soll, dass sie ihr Handwerk mit spitzen Fingern verrichtet oder sich niemals schmutzige Hände holt. Die 33-Jährige ist leidenschaftliche Anpackerin und Lady zugleich. Mama außerdem. In diesem Sommer hat sie ihre Meisterprüfung abgelegt. Darauf sind neben ihr eine Menge Menschen stolz: ihre kleine Tochter, ihr Mann und ihr Vater vor allem. Schließlich tritt sie auf dem Weg zu all den Schornsteinen des Bezirks in die Fußstapfen seiner festen Arbeitsschuhe.

„Das waren schon sehr bewegende Momente“, sagt Uwe Schubert. Der Meisterlehrgang habe es in sich. All die Formeln und Berechnungen, Grenzwerte und Verordnungen. „Wir sind Hoheitliche und Handwerker zugleich“, sagt der 55-Jährige. Einerseits vertritt er das Gesetz, andererseits verrichtet er alle Arbeitsgänge, damit Schornsteine sauber und sicher bleiben. Dafür ist seine Zunft da, seit dem Mittelalter, als hölzerne Schornsteine immer wieder in Brand geraten waren und ganze Straßenzüge in Schutt und Asche fielen. Damals erließen die Stadtväter erste Brandverordnungen, um diese Katastrophen zu verhindern. Bürger mussten fortan ihre Schornsteine von Ruß befreien, denn er konnte sich leicht entzünden.

Wie der Vater, so die Tochter

„Die ersten Schornsteinfeger kamen vermutlich aus Italien“, erzählt Uwe Schubert. Häufig wurden Kinder in die Schlote geschickt, die als lebende Kaminbesen darin hinaufklettern und den Ruß abkratzen mussten. Das war noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts üblich. Viele der Kaminfegerbuben starben an Verbrennungen und Vergiftungen. „Umgekehrt drohte Hausbesitzern die Todesstrafe, wenn von ihrem Schornstein ein größerer Brand ausgegangen war – geputzt oder ungeputzt“, weiß Bezirksschornsteinfeger Uwe Schubert.

Er selbst hatte ursprünglich nicht vor, diesen Beruf zu erlernen. „Als Halbwüchsiger wollte ich eigentlich Klempner werden, aber das klappte nicht.“ Ein Nachbar war Schornsteinfeger, der bot ihm an, ihn auszubilden, und Uwe Schubert nahm schließlich an. Bereut hat er das nie, auch wenn es ein harter Job ist, bei Wind und Wetter auf Häuser zu klettern, früher mehr als heute. „Das war zu DDR-Zeiten richtig gefährlich, da gab es marode Dächer und tödliche Unfälle“, erinnert sich Uwe Schubert. Sechsmal pro Jahr musste jeder Schornstein gefegt werden. Nicht nur Wohnungen, Schulen, Betriebe, Praxen wurden über Kohleöfen beheizt. Es gab auch noch Badeöfen für heißes Wasser.

Inzwischen sind Kohleheizungen seltener geworden. Gas, Öl, Pellets sorgen für Wärme, Kamine und Kachelöfen dienen zunehmend der Gemütlichkeit. Doch auch moderne Heizsysteme brauchen Schornsteinfeger. Die reinigen und kontrollieren Abgas- und Lüftungsanlagen, messen Abgase und Verbrennungsgase, achten darauf, dass gesetzlich vorgegebene Grenzwerte eingehalten werden. „Aber wir reparieren nichts, wir überprüfen nur und weisen unsere Kunden darauf hin, wenn etwas nicht stimmt.“ Um Korrektur muss sich gegebenenfalls der Heizungsbauer kümmern.

Rund 3750 Schornsteine betreut Uwe Schubert zusammen mit seiner Tochter Luisa in seinem Kehrbezirk. Der reicht von Zschieren bis Tolkewitz. Wenn Uwe Schubert sich überlegt, dass er als 25-Jähriger schon für einen ganzen Kehrbezirk verantwortlich war, sagt er spontan: „Das würde heute gar nicht mehr gehen.“ Luisa aber rechnet vor: „Drei Jahre Lehre ab 16, Geselle mit 19, direkt im Anschluss Meisterschule – das geht schon auch heutzutage!“

Sie selbst ist 33 Jahre alt. „Als Kind bin ich oft mit meinem Vater zu den Kunden gefahren, aber meistens im Auto sitzengeblieben. Da habe ich mir den Beruf total bequem vorgestellt.“ Später verstand sie besser, was ihr Vater macht, und begeisterte sich dafür. „Mitten im Hochwasser 2002 hat meine Ausbildung begonnen“, erinnert sie sich. In Dresden habe alles unter Wasser gestanden, aber sie musste nach Eilenburg zur Berufsschule reisen. Die Praxis brachte ihr der Vater als Ausbilder bei. Auch bei anderen Kollegen sammelte Luisa Erfahrungen, bis sie als Gesellin eigenständig arbeiten durfte. „Das Schöne an meinem Beruf ist der Kontakt mit den Menschen“, sagt Luisa. Sie sehe die meisten Kunden zwar nur einmal im Jahr – so oft muss ein Schornstein gereinigt werden – doch wenn sie das Haus betrete, sei alles wieder da: Der kranke Hund der Familie, die Hochzeit, die bevorstand, eine Urlaubsreise, die zuletzt Thema war, als Luisa zum Kehren kam.

Termine macht sie inzwischen per Mail oder Telefon aus. „Früher bin ich am Tag vorm Kehren durch die entsprechende Straße gegangen und habe mit Kreide an die Tür geschrieben, dass ich kommen werde“, erzählt Uwe Schubert. Heute mag er seinen Betrieb ohne Handy, App und Mail nicht mehr managen müssen. Die alten Karteikarten der Schornsteinfeger haben ausgedient. Doch das Image ist geblieben. Vom Schornsteinfeger, der Gefahren bannt und deshalb Glück bringt.