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Vom Stamm der Kaffeesachsen

Die Bäckerei Müller feiert 110-Jähriges – mit Straßenfest und einer Enthüllung, die der Chefin Herzflattern beschert.

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© Christian Juppe

Von Nadja Laske

Manche Ideen müssen aufgehen wie ein guter Hefeteig. Zwar ist Abwarten und Tee trinken nicht gerade Cornelia Mützes Lebensphilosophie. Als Chefin der Konditorei Müller setzt sie lieber heute als morgen Häkchen hinter die Notizen auf ihrer To-do-Liste.

Aus den Gründerjahren: So begann Paul Müller im Jahr 1908 die lange Geschichte des Familienunternehmens, das nun die fünfte Generation erreicht hat.
Aus den Gründerjahren: So begann Paul Müller im Jahr 1908 die lange Geschichte des Familienunternehmens, das nun die fünfte Generation erreicht hat. © privat
Die Konditorenfamilie im Blumenmeer: Anlässlich des 25-jährigen Bestehens an der Adresse Gohliser Straße 1 brachten Gratulanten zahllose Sträuße und Gestecke.
Die Konditorenfamilie im Blumenmeer: Anlässlich des 25-jährigen Bestehens an der Adresse Gohliser Straße 1 brachten Gratulanten zahllose Sträuße und Gestecke. © privat
Seit 1933 wird in der Backstube im Flachbau gegenüber dem Geschäft und Caféhaus gebacken. Die erste Backstube im Haus Gohliser Straße 1 war zu klein geworden.
Seit 1933 wird in der Backstube im Flachbau gegenüber dem Geschäft und Caféhaus gebacken. Die erste Backstube im Haus Gohliser Straße 1 war zu klein geworden. © privat

Abgesehen davon: Tee sowieso nicht. „Wir sind Kaffeesachsen“, sagt die 51-Jährige und beschwört die Tradition ihres Unternehmens herauf. Das wird am Sonnabend 110 Jahre alt. Cornelia Mütze führt es zusammen mit ihrem Mann Matthias. Dessen Urgroßvater, Paul Müller, hatte das Geschäft 1908 gegründet, genau dort, wo Mützes heute noch Pralinen in Vitrinen zu Pyramiden auftürmen. Da, wo Blätter und Blüten aus handgemachtem Marzipan Torten und Petit Fours schmücken und die Eismaschine unermüdlich rührt.

„Wenn ein Gast bei mir einen Pott Kaffee bestellt, stelle ich mich gern dumm“, erzählt Cornelia Mütze. Pott, hm, ist das nicht was von der Tankstelle? Bei ihr gibt es Tassen und Kännchen. Die sächsische Kaffee-und-Kuchen-Tradition liebt bekanntlich auch der Kabarettist Olaf Böhme. „Er wollte mal eine begehbare Kaffeekanne auf dem Postplatz aufstellen lassen“, erinnert sie sich und bedauert, dass es nie dazu kam. Seit ihr Mann die Konditorei der Eltern übernahm und das Paar seinen eigenen Weg zwischen Bewährtem und Innovativem zu suchen begann, hat sich die Fachverkäuferin und studierte Handelswirtin ganz dem Unternehmen verschrieben. „Ich wollte eigentlich Lehrerin für Sport und Geschichte werden“, erzählt sie, „Aber als ich schwanger wurde, habe ich das Studium abgebrochen und bin mit in den Familienbetrieb eingestiegen.“ Den Traum, Lehrerin zu sein, konnte sie auch dort leben – als Ausbilderin künftiger Konditoren.

„Ich habe so viele Ideen, die ich umsetzen will!“, sagt Cornelia Mütze und strahlt dabei vor Begeisterung. Für ein besonderes Vorhaben jedoch musste sie sich schwer in Geduld üben. Die Leser der Sächsischen Zeitung allerdings auch. Am Sonnabend wird es eine Enthüllung geben. Auf die Überraschung freut sich Cornelia selbst so sehr, dass es ihr schwerfällt, sie nicht schon früher zu verraten.

Kein Geheimnis braucht sie jedoch aus der Jubiläumsfeier insgesamt zu machen: „Wir lassen die Gohliser Straße vor unserer Tür sperren und feiern mit all unseren Gästen ein großes Fest.“ Auch Fotowände mit historischen Bildern aus der Geschichte der Konditorei Müller hat sie vorbereitet – vier Generationen, und die fünfte steht bereits in der Backstube.

Fünf Kinder haben Mützes, das jüngste 17, das älteste 31 Jahre alt. „Unser mittlerer Sohn ist auch Konditor geworden. Außerdem haben wir einen IT-Fachmann, eine Lehrerin und eine Steuerfachangestellte in der Familie. Das ist doch prima verteilt“, sagt Cornelia und lacht. Sogar für die sechste Generation ist schon gesorgt. In wenigen Tagen kommt das dritte Enkelkind zur Welt.

Von der Schwere des Handwerks ist Cornelia Mütze nichts anzumerken. Ihre Energie scheint unerschöpflich zu sein, und wenn sie und ihr Mann auch nicht mehr die Ersten im Geschäft sind, sind sie doch die Letzten. Abrechnungen, Bestellungen, Personalplanungen liegen in ihren Händen. „Ich wische auch den Schmutz aus den Ecken und überlasse das nicht nur unseren Angestellten“, sagt die Chefin.

Mehr Spaß dürfte es machen, Bestellungen für besondere Anlässe anzunehmen. Insgesamt 80 Hochzeitstorten backen, glasieren, dekorieren und beschriften die Müller-Konditoren. „Ich liebe die Gespräche mit den Paaren und lerne dabei immer wieder ganz unterschiedliche Menschen kennen“, schwärmt Cornelia. Ein ebenfalls faszinierendes Kundenklientel ist klein und lispelt meist durch zwei große Zahnlücken: Schulanfänger, die zusammen mit ihren Eltern die Torte für ihr Fest bestellen, in Form einer Zuckertüte und individuell in den Lieblingsfarben der Knirpse gestaltet.

Solche Begegnungen beschäftigen Cornelia Mütze auch am Abend noch, wenn in der Backstube mal für wenige Stunden das Licht ausgegangen ist. „Dann fallen mir tausend Dinge ein, die ich mit meinem Mann besprechen möchte, obwohl er Ruhe braucht.“ Seit 30 Jahren ist das Paar verheiratet. „Wir haben am gleichen Tag Hochzeitstag wie Wolfgang Stumph und seine Frau.“ 60 Jahre lang seien Mützes eigentlich verheiratet, habe der Schauspieler mal sehr schön gesagt. „Weil wir durch die gemeinsame Arbeit 24 Stunden des Tages zusammen sind.“