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Vom Bergmeister und dem Roten Glaskopf

Der Erholungsort verdankt seine Geburt den Erzen. Das ist nicht alles Vergangenheit, sagt Michael Bodrich. Da kommt noch was.

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© Egbert Kamprath

Von Mandy Schaks

Schellerhau. Ist da jemand? Diese Frage stellt sich in diesen Tagen in Schellerhau auf Schritt und Tritt. Auf der Hauptstraße, die sich über vier Kilometer durch den Ort zieht, ist mehr los als sonst. Die Einwohner stellen nämlich mit lebensgroßen Puppen ihre 475-jährige Dorfgeschichte nach, die übernächstes Wochenende gefeiert wird. Doch dieser stattliche Bursche, der mitten im Grün fast schon am Ortausgang Richtung Altenberg an der Hauptstraße steht, ist ein echter Mann, ein Bergmann, um genau zu sein.

Sein Habit mit Steigerhäckel und Säbel verrät, er wäre der Ranghöchste, wenn es in der Gegend noch Bergbau gäbe, er wäre der Bergmeister von Altenberg, der auch schon mal einen Kumpel verknacken könnte, wenn dieser sich im Grubenrevier daneben benimmt. Fast so wie im wahren Leben von Michael Bodrich. Denn vor seiner Pensionierung bewachte er die Grenze. Schon damals interessierte er sich nebenher für regionale Geschichte. „Man sucht nach einem Freizeitausgleich“, erzählt der heute 65-Jährige mit ruhiger, fester Stimme. Dabei huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Die Erklärung liefert er gleich hinterher: „Sport ist nicht meine Welt, und die Schützen sind mir zu laut.“

So landete er beim Knappenverein Altenberg, der 1994 gegründet wurde, dessen Vorsitzender er seit vielen Jahren ist und der immer noch über 100 Mitglieder zählt. Solchen Leuten wie Michael Bodrich, der seit 18 Jahren in Schellerhau lebt, ist es zu verdanken, dass der Bergbau in der Region nicht in Vergessenheit gerät. Und vielleicht kommt er ja schon bald mit großem Geschrei wieder. Davon ist Michael Bodrich überzeugt: „Ich sehe die Zukunft optimistisch.“ Die Nachfrage nach Rohstoffen steige, Sachsen sei ein Bergbauland. Und die Osterzgebirgler sitzen auf einem riesengroßen Schatz. „Wir haben hier grenzüberschreitend die größte Lithium-Lagerstätte in Europa.“ Er hofft, dass der Abbau in Zinnwald/Altenberg schon 2019 beginnt. „Zuerst wird das Mundloch aufgefahren, und dann geht’s mit der Rampe in die Tiefe.“ Wenn dann rund um die Uhr gearbeitet wird, könnten wieder 200 Leute vom Bergbau leben, schätzt er.

So viel haben die Bodenschätze, die in Schellerhau gefunden wurden, wohl nicht abgeworfen. Obwohl der Staatlich anerkannte Erholungsort heute so viel Urlaubsgefühl verbreitet, gehen die Ursprünge – wie sollte es im Erzgebirge anders sein – auf den Bergbau zurück. 1543 beauftragte Magnus von Bernstein auf Bärenstein einen gewissen Hans Schelle, hier eine Siedlung zu gründen und Holz sowie Kohle für die Altenberger Gruben zu beschaffen, erzählt Michael Bodrich. „Ein Meiler stand zum Beispiel am heutigen Botanischen Garten.“ Dieser Schelle, der aus Geising stammte, soll so etwas wie ein kleines Universalgenie gewesen sein, Bergsachverständiger und Bergwerksunternehmer in einer Person. Freilich wurde zugleich mit geübtem Auge Ausschau gehalten, ob hier auch wie in Altenberg Zinn zu holen ist. Tatsächlich wurden die Bergleute fündig, zunächst in den Bachläufen, später nah an der Oberfläche. Aber die Ausbeute war gering, sodass der Zinnbergbau Mitte des 17. Jahrhunderts eingestellt wurde.

Vielversprechender waren andere Funde, die parallel dazu gemacht wurden: Eisenerz. Mit Beginn des 17. Jahrhunderts gab es im Bergrevier Altenberg 26 Eisenerzgruben, sagt Michael Bodrich, die meisten davon auf Schellerhauer Flur. Gefördert wurde hauptsächlich Roteisenerz und Roter Glaskopf, der mehr rund sei und beim Draufschlagen tatsächlich zerplatze wie Glas. „Die älteste Grube war wahrscheinlich Segen Gottes an der alten Zinnstraße“, so Michael Bodrich, „auch genannt Segen Gottes am Friebelberg zu Schellerhau.“ Bis in 125 Tiefe arbeiteten sich die Bergleute vor. Was aus dem Berg herausgeholt wurde, schafften die Schellerhauer mit dem Ochsenkarren nach Schmiedeberg. Fünf bis sieben Zentner wurden so pro Fuhre ins Eisenhütten- und Hammerwerk bugsiert. Eine beschwerliche Arbeit. Dort wurde das Eisenerz eingeschmolzen und zum Beispiel zu Blechen und Stäben verarbeitet. 1889 war aber auch mit dem Eisenerzbergbau in Schellerhau Schluss. „Es hat sich nicht mehr rentiert.“ Erforscht und dokumentiert hat die Bergbaugeschichte von Schellerhau der Altenberger Geologe Dr. Wolfgang Schilka.

Die Bergleute verdingten sich danach woanders, lebten auch von der kargen Landwirtschaft oder wurden Waldarbeiter. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte.