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Vom Bauernhof zum Kult-Theater

Im restaurierten Café und einer Scheune treten internationale Künstler auf. Zudem bieten die Eigentümer bald einen ganz besonderen Shuttle-Service.

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© Anne Hübschmann

Von Marcus Herrmann

Meißen. Mehr oder weniger zufällig, seien sie im Internet auf das gute Stück gestoßen, das jetzt im Hof steht und bald Besucher vom Bahnhof Meißen zum Hoftheater Proschwitz gegenüber des Schlosses und wieder zurückbringen soll: ein alter Robur-Bus mit 20 Sitzen. „Der kommt aus Seerhausen. Dort wurde er nicht mehr gebraucht. Wir finden das tadellos funktionierende Gefährt fabelhaft“, sagt der Opernbariton und studierte Gymnasiallehrer Thomas Ender, der mit seiner Frau Jeanette vor rund vier Jahren einen alten Bauernhof samt Kartoffelscheune erwarb und seitdem zum Hoftheater ausbaut. „Mit dem Bus, unserem Proschwitz-Express, wollen wir das Verkehrsproblem zwischen Altstadt und Proschwitz lösen“, sagt die Opernsolistin und Kulturmanagerin Jeanette Ender.

Damit Gäste neben Musik und Theater auch die exquisiten Wein- und Cognac-Spezialitäten bei den Enders genießen können und dabei nicht an die Rückfahrt und das Null-Promille-Gebot denken müssen, soll der Robur-Benziner in wenigen Wochen zum Einsatz kommen. Am Steuer wird Thomas Ender selbst sitzen. Ohnehin ist er für die Gäste des Cafés mehr als ein Wirt und ständig in Aktion. So nimmt Ender Busreisende, die im Hoftheater vorbei schauen, bereits bei der Ankunft im Bus in Empfang, geht mit ihnen zum Proschwitzer Weinhang und zeigt ihnen die tolle Sicht auf die Albrechtsburg und das Elbtal. Darüber hinaus kann Ender – von Berufswegen im Auswendiglernen von Texten geübt – aus einem ungemein reichhaltigen Wissensfundus zum Thema Sachsenwein und dessen Geschichte fabulieren. Viele Reisende dürften davon nachhaltig beeindruckt sein. Zum besonderen Flair im Hofcafé mit Vinothek und Verkaufsraum für regionale Produkte, gehören auch die zutraulichen Vierbeiner. Neben Findlingshund Leila und Foxterrier Colette gehören momentan noch die beiden Kater Tom und Jerry dazu.

Im Außenbereich versorgen die Enders, die die Kammeroper in Dresden betreiben und europaweit Gastspiele geben, noch Schildkröte Esmeralda und Hühner. Besonderes Glanzstück im sanierten Hofcafé ist ein Original-Flügel, der einst dem 1900 in Wien geborenen Komponisten Fred Raymond gehörte. „Eine Freundin und Kollegin hatte das Klavier Raymonds in ihrer Berliner Wohnung stehen. Als sie umzog, hat sie es uns überlassen“, sagt Thomas Ender. Für seine Gäste spielt er regelmäßig Stücke auf dem Flügel, auch solche, die im Original auf diesem komponiert worden – so etwa „Die Julischka aus Budapest“ oder „Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren“. In dem riesigen Proschwitzer Gehöft wohnen die Enders übrigens selbst im Obergeschoss. Obwohl in der Theaterscheune neben dem Café noch vieles an eine Baustelle erinnert, finden hier regelmäßig Chansons oder Konzerte mit international bekannten Solisten oder Ensembles statt. „Nach und nach wollen wir drei Tribünen mit Sitzplätzen einbauen, einige alte Balken der ehemaligen Scheune entfernen“, sagt Jeanette Ender. Dazu bedürfe es auch der Hilfe der Stadt.

Ohne, dass im Rathaus an das Theater am Weinberg gedacht wird, wenn es um die Verteilung von Fördergeldern geht, wird es nicht klappen, so Ender. Mit dem Meißner Oberbürgermeister sei man daher in regelmäßigem Austausch.

Noch sind Karten für das „A-capella“-Quartett „Fracksausen“ des Theaters Erfurt am 13. Oktober, 19.30 Uhr im Hoftheater Proschwitz verfügbar. Eintritt: 25 Euro.