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Volkersdorf 17 Stunden ohne Strom

Das Unwetter streifte die Zille-Stadt nur. Dennoch mit Folgen. Im Landkreis gab es am Donnerstag für die Feuerwehren weit über 150 Einsätze.

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© Feuerwehr Radeburg

Von S. Görner und B. Ulbricht

Radeburg/Landkreis. Es muss eine der ersten Sturmböen gewesen sein, die den Radeburger Ortsteil Bärnsdorf am Donnerstagnachmittag getroffen hat. Das war um 16.43 Uhr. Sie reichte aus, um an der Promnitz einen Ast in die dortige Mittelspannungsleitung der Enso knicken zu lassen. Der Ast war nicht allzu groß. Die Kabel hielten dem Druck stand und blieben in der Luft. Dennoch fiel der Strom aus. Da wusste noch niemand, welche Sorgen das bisschen Baum den Feuerwehrleuten, den Mitarbeitern des Energieversorgers und vor allem den Volkersdorfern bereiten würde.

Der auf das Schönfelder Ärztehaus gestürzte Baum wurde von der Firma cityforest aus Radeburg fachgerecht zerlegt.
Der auf das Schönfelder Ärztehaus gestürzte Baum wurde von der Firma cityforest aus Radeburg fachgerecht zerlegt. © Klaus-Dieter Brühl
Jens Kühnel vom Sackaer Schützenverein zeigt den Schaden am Vereinsgebäude.
Jens Kühnel vom Sackaer Schützenverein zeigt den Schaden am Vereinsgebäude. © Klaus-Dieter Brühl

Bilder vom Sturm im Großenhainer Land

Eingedrücktes Dach auf dem Sackaer Festgelände.
Eingedrücktes Dach auf dem Sackaer Festgelände.
Umgestürzter Baum, doch unversehrter Blumenschmuck im Kraußnitzer Park.
Umgestürzter Baum, doch unversehrter Blumenschmuck im Kraußnitzer Park.
Bei Liega hat es Baumriesen massiv aus der Erde gerissen.
Bei Liega hat es Baumriesen massiv aus der Erde gerissen.
Jens Kühnel vom Sackaer Schützenverein zeigt den Schaden am Vereinsgebäude.
Jens Kühnel vom Sackaer Schützenverein zeigt den Schaden am Vereinsgebäude.
Bei Lötzschen rissen umgefallene Straßenbäume den Asphalt auf.
Bei Lötzschen rissen umgefallene Straßenbäume den Asphalt auf.
Einfach umgeknickt: ein Mast bei Lötzschen.
Einfach umgeknickt: ein Mast bei Lötzschen.
Schwere Schäden auch im Schlosspark Schönfeld.
Schwere Schäden auch im Schlosspark Schönfeld.
Mitarbeiter vom Großenhainer EZG bauen die Leitungen am zerstörten Trafohaus in Oelsnitz ab.
Mitarbeiter vom Großenhainer EZG bauen die Leitungen am zerstörten Trafohaus in Oelsnitz ab.
In Bobersen verfehlte eine Tanne knapp ein Wohnhaus.
In Bobersen verfehlte eine Tanne knapp ein Wohnhaus.

Denn während die Bärnsdorfer dank einer erfolgten Umschaltung relativ schnell wieder am Netz waren, wie Enso-Sprecherin Birgit Freund gestern zur SZ sagte, sollte der Nachbarort noch bis zum Freitagvormittag ohne Strom bleiben. Ganze 17 Stunden lang. Betroffen seien rund 300 Kunden gewesen, so die Enso-Sprecherin. Neben Privathaushalten unter anderem auch die Tischlerei Haase, der Campingplatz Oberer Waldteich und der Landwirtschaftsbetrieb Johne & Lorenz GbR.

Wie Radeburgs Stadtwehrleiter Marcus Mambk am Freitag zur SZ sagte, hätte ein Bärnsdorfer den in die Leitungen gefallenen Ast bei der zuständigen Rettungsleitstelle in Dresden melden wollen. Vergebens. Denn die war zu diesem Zeitpunkt bereits hoffnungslos überlastet, weil sich das Unwetter schon seit einer Stunde im Großenhainer Land austobte. Also lief der Mann zum Bärnsdorfer Feuerwehr-Gerätehaus. „Wir sind rausgefahren, um uns die Sache anzusehen“, sagte der Stadtwehrleiter. „Aufgrund der nahe an den Leitungen stehenden großen Bäume hat es dort in der Vergangenheit schon mehrfach Probleme gegeben.“ Die Bärnsdorfer riefen schließlich die Radebeuler Kameraden mit ihrer Drehleiter zu Hilfe. Denn die Radeburger Wehren und auch die Nachbarn in Moritzburg haben solch ein Fahrzeug nicht.

Doch die angeforderte Technik konnte nicht zum Einsatz kommen. Das Gebiet, in dem das Unwetter wütete, war einfach zu groß. Für die Enso-Mitarbeiter sei es daher einfach nicht möglich gewesen, sofort überall zu sein, wo sie gebraucht wurden. „Aber bevor nicht 100-prozentig klar ist, dass die Leitung wirklich stromlos ist, können unsere Kameraden nichts machen“, ergänzt Marcus Mambk. Die Radebeuler hätten daraufhin wieder den Ort des Geschehens verlassen. Auch, weil ihre Leiter vermutlich nicht ausgereicht hätte, um an den Ast heranzukommen, so der Radeburger Stadtwehrleiter.

Erst gegen 21.30 Uhr seien die Stromkabel schließlich von der Enso freigegeben worden. Mit der inzwischen aus Meißen eingetroffenen Drehleiter wurde noch ein Versuch gestartet. „Allerdings erfolglos.“ Da das schwere Fahrzeug nicht auf die vom Regen aufgeweichte Wiese fahren konnte, fehlten am Ende etwa zwei Meter. Marcus Mambk: „Zudem zogen ständig neue Gewitter auf, bei denen es zu gefährlich ist, auf der Leiter zu arbeiten.“ Gegen 22 Uhr sei der Einsatz dann schließlich beendet worden. Bis dahin mussten die Kameraden der Radeburger Ortswehren noch einen Baum von der Straße an den Waldteichen räumen, in der Nähe der Glasstraße in Radeburg war ein Mast der Telekom getroffen worden.

Um den Ast in Bärnsdorf kümmerten sich am Freitagvormittag dann schließlich Leute der Enso. Der dort sei ab 9.48 Uhr wieder am Netz gewesen, so Enso-Sprecherin Birgit Freund. Während den meisten Volkersdorfern bis dahin nichts anderes übrigblieb, als zu warten, kümmerten sich andere um Strom-Ersatz. Tischlermeister Roland Haase hatte am Donnerstagabend noch gehofft, dass bis Freitag früh wieder alles in Ordnung wäre. „An solch einen langen Stromausfall kann ich mich nicht erinnern“, sagt er gestern. Als sich diese Hoffnung nicht erfüllte, handelte er schnell. „Ich bin gleich früh um sechs nach Boxdorf gefahren und habe mir ein Notstromaggregat geholt.“ Anderthalb Stunden später konnte so in seiner Tischlerei gearbeitet werden.

Kreisbrandmeister Ingo Nestler hat im Landkreis insgesamt 110 Einsätze registriert, das sind aber nur die, bei denen die Kameraden vom Gerätehaus losgefahren sind. Ist die Feuerwehr gleich zum nächsten Ort weitergefahren, wurde nicht extra gezählt. Es könnten also tatsächlich weit über 150 Einsätze geworden sein. Über 80 Prozent davon im Großenhainer Land. Der Kreisbrandmeister zieht auch das Fazit, dass die Leitstelle in der ersten Stunde komplett überlastet war. Die Wehrleiter kamen weder per Funk noch Telefon in die Leitstelle hinein, um Technik anzufordern. Erst als das Personal aufgestockt wurde, war normale Kommunikation wieder möglich. „Da müssen wir besser werden, das geht so nicht“, so Nestler.