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Vogelwelt wird kleiner

Besonders in Agrarlandschaften im Kreis sind Arten bedroht. Der Berzdorfer See gilt da noch als kleines Paradies.

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© Wolfgang Wittchen

Von Anja Gail

Görlitz. Nicht nur die Vögel auf dem Wasser geraten ins Blickfeld von Dr. Markus Ritz, wenn er am Berzdorfer See unterwegs ist. Auch seltene und bedrohte Arten, die am Ufer und im nahen Offenland leben. Die Ortsgruppe Görlitz der Sächsischen Ornithologen sammelt hier seit 2011 umfangreiche Daten. Die gefluteten Restlöcher, ehemalige Tagebaugebiete und der Truppenübungsplatz bieten vielen Vogelarten geeignete Lebensräume und Nahrung, sagt Ritz, der als Biologe am Senckenbergmuseum für Naturkunde in Görlitz arbeitet. Als Vogelparadies in der Lausitz wird der Berzdorfer See schon seit längerem gern bezeichnet, auch vom Naturschutzbund Nabu in Sachsen. Ohne Kompromisse geht das nicht. Artenschutz und andere Interessen bei der Nutzung des Sees stoßen schnell auch aneinander. Ritz wünscht sich ein Gespür für diesen einzigartigen Naturraum. Er und seine Mitstreiter setzen sich neben dem Monitoring dafür ein, möglichst viele Menschen für den Vogelschutz zu gewinnen. Störungen in den Rastgebieten ließen sich vermeiden. Der Erhalt der Offenlandschaften in Ufernähe ist ein weiterer Punkt der Bemühungen.

Wie drastisch die Folgen für die Vogelwelt sind, wenn die Natur aus ihren Fugen gerät, zeigt der Bestandsrückgang bei vielen Arten. Selbst die Haussperlinge sind dort auffällig seltener geworden, wo Nischen an Häusern, begrünte Fassaden und Brutplätze verschwinden. Als besonders gefährdet gelten Vogelarten in Agrarlandschaften. Der Anbau von Monokulturen, Überdüngung und der Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln bringt die Natur aus ihrem Gleichgewicht. Wo keine Wildpflanzen mehr auf den Feldern wachsen, Feldraine und Waldsäume mit untergepflügt werden und Acker an Acker grenzt, sind Tier- und Pflanzenarten bedroht. Einige Vogelarten ziehen sich in Dörfer und Städte zurück. Aber auch die Tierhaltung in der Landwirtschaft hat sich verändert. Wo Kühe nicht mehr auf der Weide stehen, fehlen Kuhfladen als Fliegennahrung.

Der Rückgang von Insekten und das Fehlen von geeigneten Lebensräumen sind die Hauptgründe dafür, dass seit Ende der 1990er Jahre bei einem Drittel aller Vogelarten die Bestände deutlich abnehmen. Das wurde so auch durch eine Kleine Anfrage der Grünen an die Bundesregierung vor einem Jahr bestätigt. Besonders Kiebitze, Braunkehlchen, Uferschnepfen, Feldlerchen und Rebhühner wurden erwähnt. Aber auch Gartenvögel sind zunehmend gefährdet, wie Zählungen zeigen.

So hat die Erfassung während der „Stunde der Gartenvögel“ im Mai bestätigt, dass bundesweit bei mehreren Gartenvogelarten die Zahlen so gering sind wie noch nie in den vergangenen 14 Jahren. Amsel, Meisen, Elstern, Finken, Hausrotschwanz und Star sind betroffen. In Sachsen sind es unter anderem auch Mauersegler, Mehlschwalben und Rotkehlchen. Ornithologe Markus Ritz bestätigt die Situation für den Landkreis Görlitz. Der Rückgang von Insekten wirkt sich dabei dramatisch für die Weichfresser aus und bei Arten, die ihre Jungen erst einmal ausschließlich mit Insekten füttern. Dort werden besonders niedrige Zahlen der Bestände ermittelt. Bei den Luftinsektenjägern Mehlschwalbe und Mauersegler zum Beispiel sind die Einschnitte groß. Der Naturschutzbund fordert deshalb, den Insektenschwund zu stoppen. In Gärten, auf Balkonen und Höfen können Vogel- und Naturfreunde einspringen und Alternativen anbieten.

Auch die Bundesregierung will jetzt mit weniger Dünger und Pestiziden sowie mehr Blüten und Hecken Bienen und andere Insekten schützen. Das Bundeskabinett hat dazu am Mittwoch ein Aktionsprogramm beschlossen. Es sieht fünf Millionen Euro Förderung für den Insektenschutz vor. Umweltaktivisten kritisieren, dass wichtige Punkte, zum Beispiel zum Pestizideinsatz in ökologisch empfindlichen Gebieten, erneut nur abgeschwächt aufgenommen worden sind.

Joachim Weigel aus Reichenbach kennt die unterschiedlichen Probleme. Er gehört zu der Gruppe von Ornithologen, die sich für den Vogelschutz einsetzen. Immer wieder beobachtet er Veränderungen. Mal sind es Rückgänge bei bestimmten Arten. Dafür würden sich andere wieder ansiedeln. Beim Gelbspötter zum Beispiel sei so gut wie keiner mehr da in und um Reichenbach, sagt er. Die Nachtigall sei hingegen wieder des Öfteren zu hören. Herr Weigel betreut rund 100 Nistkästen in Parks und drei Futterstellen. Bei den Meisen habe er festgestellt, dass sie weniger Eier legen als vor 15 Jahren. Die Natur reagiere in einem gewissen Maße selbst auf verschiedene Veränderungen, sagt er. Aber es gibt auch andere Probleme. Vor den Küsten Afrikas , so erzählt er, werden Zugvögel in Größenordnungen mit Netzen gefangen und verspeist.

Krankheiten können teils zu einem Massensterben führen. Das Usutu-Virus taucht besonders bei Amseln auf, Trichomonaden bei Grünfinken. Wenn Singvögel im Garten wegbleiben, muss das nicht immer Schlimmes bedeuten. Es kann sein, dass sie weitere Futterstellen in der Nachbarschaft gefunden haben. Bilden Waldbäume in sogenannten Mastjahren reichlich Samen aus, finden dort vor allem Finken und Meisen Nahrung und müssen sich nicht in Siedlungen begeben. Das ist auch bei einigen Arten der Fall, wenn die Winter mild verlaufen. Mehrere Vogelarten ziehen generell im Laufe eines Jahres weit umher, Meisen zum Beispiel, sodass auch ihre Zahl am Futterhäuschen unterschiedlich ausfallen kann. Grund für das Fernbleiben der Tiere kann aber auch sein, dass sie geringere Bruterfolge hatten und ihre Lebensräume einschneidend verändert wurden.