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Verurteilter Schläger provoziert Gericht

David B. hatte in Pirna einen Schüler attackiert. Ein Jahr danach ist der Fall noch immer nicht abgeschlossen.

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© SZ/ Katarina Lange

Von Katarina Lange

Vor fast genau einem Jahr ist es passiert. An einem Tag, den Lukas nicht vergessen wird. Denn es ist sein Geburtstag. Der 15-jährige Schüler, der aus dem Altkreis Sebnitz kommt, steht an diesem Nachmittag Ende Februar 2013 an einer Bushaltestelle an der Robert-Koch-Straße in Pirna. Plötzlich wird er von einem jungen Mann angepöbelt. Es ist David B. Er zertrümmert eine halb volle Bierflasche auf dem Kopf des Schülers. Die Attacke kommt bewusst von hinten. Lukas kann nicht ausweichen und geht zu Boden. Dort tritt David B. ihm mehrfach gegen Kopf und Oberkörper. Lukas trägt mehrere Verletzungen davon. Nicht nur körperlich, auch seelisch. Das Motiv dieser Tat ist schnell geklärt. Der 20-Jährige fühlte sich vom Aussehen des Schülers provoziert. Er ist Punker, kleidet sich auffälliger als andere Jugendliche.

Ein Jahr ist seit dem Angriff nun vergangene. Doch der Fall kann noch immer nicht zu den Akten gelegt werden. Denn obwohl David B. im vergangenen August wegen gefährlicher Körperverletzung vom Amtsgericht in Dresden verurteilt wurde, hat er seine Auflagen noch nicht erfüllt.

Schmerzensgeld nicht gezahlt

Der Schüler sollte an sein Opfer ein Schmerzensgeld von 2.000 Euro zahlen. Das Gericht schlug damals mehrere Raten vor, die B. abstottern sollte. Außerdem wurde von ihm verlangt, dass er sich schriftlich bei Lukas entschuldigt. „Das Entschuldigungsschreiben hat uns erreicht, man kann es jedoch nicht ernst nehmen“, sagt die Mutter von Lukas, deren vollständige Namen aus juristischen Gründen nicht veröffentlicht werden. Das Schreiben sei recht knapp gehalten und erinnere an den Aufsatz eines Grundschülers. B. entschuldigt sich zwar. Ob er es tatsächlich so meint, bezweifelt die Familie jedoch. „Er ist sich der Tragweite dessen, was er getan hat, nicht bewusst“, sagt die Mutter.

Größere Probleme gab es bei dem geforderten Schmerzensgeld. Die ersten Raten ließen auf sich warten. Erst nach einer Mahnung floss ein Teil des Geldes. Den Betrag hat jedoch nicht David B. beglichen. Das hat seine Mutter übernommen, bei der der Verurteilte wohnt. Noch im August 2013 gab der 20-Jährige vor Gericht an, einen festen Job zu haben. Zusätzlich beziehe er 500 Euro Taschengeld. Nachdem seine Mutter zwei Schmerzensgeld-Raten gezahlt hatte, tat sich monatelang wieder nichts. Lukas Familie wartete vergeblich. „Deshalb ist nun das Bundesamt für Justiz für die ausstehende Summe eingesprungen“, sagt Lukas Mutter und bedankt sich für die Unterstützung. Die Behörde hat das fehlende Schmerzensgeld ausgezahlt. Nun muss sie sich den Betrag von David B. zurückholen. Mehrere Mahnungen seien deshalb schon verfasst worden.

Das Gericht wird sich wohl wieder mit David B. auseinandersetzen müssen. Der Richter, der den jungen Mann verurteilte, ist inzwischen jedoch nicht mehr am Dresdner Amtsgericht. Der Fall wird auf dem Schreibtisch eines anderen landen. Lukas Familie findet das sehr schade. Denn der Richter ließ sich in der Verhandlung von David B. nicht beeindrucken. Ganz im Gegenteil. Er verglich den Angeklagten mit einer tickenden Zeitbombe. Neben dem Schmerzensgeld und dem Entschuldigungsbrief dachte sich der Richter noch eine weitere Strafe aus – eine sehr kreative. David B. sollte sich außerdem „Schindlers Liste“ ansehen.

In dem Film geht es um Oskar Schindler, der im Zweiten Weltkrieg etwa 1.200 Juden in seinen Rüstungsbetrieben beschäftigte und damit vor dem Tod im Konzentrationslager rettete. Der zuständige Jugendrichter spielte mit dieser Strafe auf die politische Gesinnung des Angeklagten an. B. gab in der Verhandlung zwar an, etwas gegen Linke zu haben. In die Nazi-Ecke wollte er sich nicht schieben lassen. Am Ende blieben jedoch Zweifel.

Lukas, der in diesen Tagen 16 Jahre alt wird, leidet nach wie vor unter dem Angriff. Die körperlichen Verletzung sind inzwischen verheilt. Die seelische Belastung sei jedoch immer noch spürbar. „Die Angst, dass so etwas wieder passiert, bleibt“, sagt seine Mutter. Vor allem, wenn ihr Sohn in Pirna unterwegs ist.

In der Innenstadt würden oft Männer herumlungern, die mit der rechtsextremen Szene sympathisieren. Sie hätten den 15-jährigen Punk schon länger auf dem Kieker. Um ihnen nicht mehr jeden Tag auf dem Schulweg zu begegnen, wechselte Lukas im vergangenen September die Schule. Er lernt nun in Stolpen. In Pirna ist er deshalb nur noch selten. Wenn, dann hat er jedoch ein mulmiges Gefühl dabei. Sicher fühlt er sich nur zu Hause.