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Verletztes Kind beim Arzt abgewiesen

Eine Meißnerin wird mit ihrer elfjährigen Tochter noch während der Akut-Sprechstunde zum Notarzt weitergeschickt. Dabei ist die Praxis eigentlich spezialisiert auf Unfälle.

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© Anne Hübschmann

Von Dominique Bielmeier

Meißen. Stocksauer ist Ines Hempel, als sie am 24. Mai auf ihrer Facebook-Seite beschreibt, was ihr am Abend zuvor passiert ist. Knapp drei Stunden habe sie mit ihrer elfjährigen Tochter in der Notaufnahme verbracht, nachdem die Meißner Gemeinschaftspraxis der Ärzte Lamnek, Schreiter, Seidel, Heduschke, Glutig und Ambros in Cölln das verletzte Kind zuvor abgelehnt habe. Dabei sei es noch während der Akut-Sprechstunde gewesen, wie Hempel gegenüber der SZ erklärt. Um 17.30 Uhr sei sie mit ihrer Tochter an der Praxis angekommen, zuvor habe sie recherchiert, dass die Akutsprechstunde auch wirklich bis 18 Uhr dauere. „Dann habe ich mein Kind aus dem Auto gehievt und bin mit ihr unter dem Arm reingehumpelt. Da kam eine Schwester raus, schloss von innen die Tür auf und von außen wieder zu, ignorierte uns aber“, beschreibt Hempel den Vorfall. Sie habe die Frau erst ansprechen müssen, um wahrgenommen zu werden. „Dann schaute sie mich an und sagte schnippisch: ‚Wir nehmen heute keine Akutfälle mehr. Das ist so. Sie müssen in die Notaufnahme fahren.‘ Und verschwand.“ Bis in die Praxis kamen Mutter und Tochter gar nicht erst. „Dabei sah sie ja, dass mein Kind keinen Schuh anhatte, es also nicht etwas Nicht-Akutes sein konnte.“

Immer blauer und dicker wurde der Zeh der Elfjährigen.
Immer blauer und dicker wurde der Zeh der Elfjährigen. © privat

In der Notaufnahme erfährt Ines Hempel nicht nur, dass der kleine Zeh ihrer Tochter, den diese sich schon am Tag zuvor an einer Kommode angestoßen hatte und der danach immer dicker und dunkler wurde, tatsächlich angebrochen ist. Sie hört auch am Empfang, dass es nicht das erste Mal sei, dass Patienten aus dieser Praxis noch während der Sprechzeiten zur Notaufnahme weitergeschickt wurden. „Für mich ist das unterlassene Hilfeleistung“, sagt Hempel.

Die Sächsische Landesärztekammer erklärte auf SZ-Anfrage: „Grundsätzlich kann ein Arzt einen Patienten abweisen. Dies kann zum Beispiel aufgrund von hohem Patientenaufkommen oder vollständiger Auslastung der Praxis erfolgen.“ Nicht abgewiesen werden dürfe ein Notfall. „Die Einschätzung, ob im konkreten Einzelfall ein Notfall vorliegt, trifft regelhaft der Arzt.“ Den bekam Ines Hempel jedoch gar nicht erst zu Gesicht. Die Landesärztekammer empfiehlt der Mutter, sich im konkreten Fall an den Berufsrechtsausschuss in Dresden zu wenden. „Dieser prüft den Vorfall gemäß Berufsordnung und kann je nach Ergebnis Rügen und/oder Bußgelder aussprechen.“ Mit den Ärzten der Praxis, betont Ines Hempel, habe sie noch nie schlechte Erfahrungen gemacht. „Oft kann man den Ärzten ja keinen Vorwurf machen.“

Die Praxis für Chirurgie, Unfallchirurgie und Anästhesie war trotz unzähliger telefonischer Kontaktversuche zu unterschiedlichen Zeiten bis heute nicht für die Sächsische Zeitung zu erreichen. Nach achtmaligem Klingeln erklang stets eine freundliche Frauenstimme auf Band und erklärte: „Hatten Sie heute einen Unfall? Kommen Sie bitte ohne Anruf direkt zu uns. Unsere Sprechzeiten sind: Montag bis Donnerstag, 8 bis 18 Uhr, und Freitag, 8 bis 12 Uhr.“ Auch eine Anfrage per Fax blieb bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet.