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Verdächtiger Kita-Praktikant wieder frei

Die verlangten Dokumente bescheinigten dem 23-Jährigen bei seiner Vorstellung ein tadelloses Vorleben und gaben laut Stadt so keinen Anlass zur Ablehnung des Kandidaten.

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© Fabian Sommer/dpa

Von Christoph Springer

Der mutmaßliche Täter sitzt nicht im Gefängnis. Aber er weiß, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren läuft, sagt die Polizei. Der 23-Jährige war Praktikant in der Striesener Kita Kinderwelt(en). Dort soll er sich an wenigstens vier Kindern vergangen haben. Der Vorwurf: sexueller Missbrauch. Mindestens sechs Monate Freiheitsstrafe drohen ihm dafür laut Paragraf 176 des Strafgesetzbuchs, sollte dieser Vorwurf auch nur in einem Fall zutreffen.

Der 23-Jährige hat laut Auskunft der Stadt alle Voraussetzungen für ein Praktikum in der Kita Kinderwelt(en) an der Spenerstraße erfüllt. Dazu gehört auch, dass er ein untadliges Vorleben hatte. „Alle Personen, die in den Kindertageseinrichtungen mit Kindern im Kontakt sind, müssen ein erweitertes Führungszeugnis vorweisen“, teilt dazu Marco Fiedler mit, Sprecher des städtischen Eigenbetriebs Kindertageseinrichtungen. In dieser Bescheinigung sind Vorstrafen und Verurteilungen des Betreffenden verzeichnet.

Außerdem gelten in der Striesener Kita Qualitätsstandards, die der städtische Eigenbetrieb aufgestellt hat, um das Wohl der Kinder zu sichern. 2017 hat die Kita diese Regeln für ihre Arbeit konkretisiert, berichtet die Stadtverwaltung. In der Konzeption der Kita, die ein Jahr zuvor verfasst worden ist, heißt es, „Wohlfühlen, Vertrauen und Akzeptanz prägen die Atmosphäre unserer Einrichtung“.

Bestätigen sich die Vorwürfe gegen den verdächtigen 23-Jährigen, dann hat er diese Atmosphäre nachhaltig gestört. Professor Veit Rößner, Chef der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Uniklinikum, kennt die Folgen für die womöglich missbrauchten Schutzbefohlenen der Kita. Übermäßige Ängstlichkeit oder Aggressivität könnten ein Hinweis auf ein solches negatives Erlebnis sein, sagt Rößner, ebenso vermehrter Rückzug nach Hause und deutlich reduzierter Kontakt mit fast allen Menschen. „Andere Kinder waschen sich ständig, um den Ekel zu verringern“, erklärt der Fachmann. „Einige Betroffene wiederum boykottieren Wasser und Seife, damit der Täter sie ungewaschen vielleicht in Ruhe lässt.“

Allgemeine Ratschläge gibt Rößner nicht. Nur den: Wer einen entsprechenden Verdacht hat, sollte „Experten zu Hilfe holen und möglichst nur diese alle Gespräche aus einer Hand führen lassen.“ Die Kita-Träger setzen unterdessen auf speziell ausgebildete Kinderschutzfachkräfte. 18 solche Berater arbeiten im Eigenbetrieb der Stadt, dazu eine eigene Kinderschutzbeauftragte.