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Verbunden für ein ganzes Leben

Günter und Gretel Beier sind beide 90. Trotz vieler Schicksalsschläge haben die Großdrebnitzer ihren Humor nicht verloren.

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© Steffen Unger

Von Constanze Knappe

Großdrebnitz. Wie man so alt wird und noch dazu zusammen? Günter Beier schmunzelt. Ein Rezept dafür, das habe er nicht, sagt er. Nicht mal ein Ritual. Da widerspricht ihm Ehefrau Gretel. Er singe ihr jeden Abend zwei Lieder vor. Und wie zur Bestätigung stimmt Günter Beier an: „Alle Tage gibt’s kein Sonntag, alle Tage gibt’s kein Wein … Ich will alle Tage lieb zu dir sein.“ Vor Rührung glitzert es verdächtig in den Augenwinkeln seiner Frau. Im September feierten sie ihre 90. Geburtstage. Jetzt schauen sie 2018 ihrem 70. Hochzeitstag, der Gnadenhochzeit, entgegen. „Die Frau ist mein ein und alles“, so Günter Beier. Und so liebevoll, wie er das sagt, klingt es nach den vielen Jahrzehnten noch immer wie eine Liebeserklärung. Klar hätten sie sich auch manchmal gezankt, aber nach jedem Sturm kam wieder Sonne, erklärt er.

Zur grünen Hochzeit habe er sich seinen Anzug geborgt. Für ein Brot. „Auch das Brautkleid war geliehen. Wir hatten kaum was zu essen, es gab keinen Alkohol und der Kuchen war selber gebacken“, erzählt er. Dass die Schlesierin in Großdrebnitz strandete, muss Schicksal gewesen sein. Ihre Großmutter kam in Tröbigau unter, ihre Eltern verschlug es nach Thüringen. So war die 18-Jährige auf sich allein gestellt. Als Umsiedlerin kam sie in Stellung bei einem Bauern. Angefangen haben Beiers mit einem Wassereimer, einem kleinen Ofen und „ein paar Töppel“ von der Mutter. Aus Betttüchern von der Oma hat Gretel Beier Windeln genäht. Wegen der Kinder blieb sie dann zu Hause, hat in Heimarbeit Schuhe geflochten. Drei Jungs haben sie. Den dritten hat die Oma gehütet, damit Gretel Beier arbeiten gehen konnte. Acht Jahre war sie in der Tuchfabrik in Bischofswerda beschäftigt, in drei Schichten. Der älteste Sohn Dieter wohnt in Bischofswerda, besucht sie jeden Mittwoch. Helfried, der Mittlere, lebt gleich um die Ecke und schaut jeden Tag bei ihnen rein. Jürgen, der Jüngste, starb vor vier Jahren. Bauchspeicheldrüsenkrebs. Zur Beerdigung in den Westen konnten sie nicht. Gretel Beier war gerade am Knie operiert worden und ging an Krücken. Aber sie stürzte und brach sich den Oberschenkelhals. Seitdem kann sie nicht mehr so richtig fort. Während sie davon erzählt, kullern Tränen über ihre Wange. „Kein Kind sollte vor seinen Eltern sterben“, sagt Günter Beier traurig und drückt seiner Frau tröstend den Arm.

Viele Schicksalsschläge

Dabei hatte er selber mindestens einen Schutzengel. 1999, an einem Freitag den 13., stellten sie Prostatakrebs bei ihm fest. Er wurde operiert, kriegt seitdem alle Vierteljahre eine Chemospritze. Operiert ist er auch am Magen und am Rücken. Einen Herzinfarkt hatte er, sie trägt einen Schrittmacher. Trotz der Schicksalsschläge haben Beiers nie den Humor verloren.

Vater und Bruder von Günter Beier blieben im Krieg. Er arbeitete zunächst in der kleinen Landwirtschaft seiner Eltern, ging dann als Arbeiter in eine Fabrik, arbeitete sich zum Hauptbuchhalter hoch. Zuletzt war er beim Landtechnischen Anlagenbau in Radeberg. Große Milchviehanlagen hätten sie ausgerüstet, sagt er nicht ohne Stolz. Eine Flugreise bekam er von der Firma geschenkt, kaufte eine zweite für seine Frau dazu. Beide schwärmen noch heute, wie schön es in St. Petersburg war. Obwohl Gretel Beier Flugangst hatte.

Sie leben in seinem Elternhaus, halten sich aber fast nur noch im Erdgeschoss auf. Seit Gretel Beier nicht mehr fort und auch er nur noch schlecht laufen kann. Die Hausärztin kommt zu ihnen und ein Pflegedienst zum Wickeln der Beine. Vieles im Haushalt erledigen sie selbst. „Er macht die Wäsche, putzt die Fenster“, erzählt seine Frau. Sie trocknet im Sitzen ab. Die Mittagsstunde ist ihnen heilig. „Wenn wir keinen Stoff zum Reden haben, guck ich mit meinem Muttchen aus dem Fenster“, sagt Günter Beier. Früher war der Garten ihr Hobby.

Vier Enkel und neun Urenkel gehören mittlerweile zur Familie. Die Jüngsten, die Zwillinge, fangen gerade zu laufen an. Alle zusammen sehe man nur noch selten. „Wir haben viel durch, aber es geht immer irgendwie weiter“, sagt Gretel Beier. Und das hoffentlich noch viele gemeinsame Jahre, wünschen sich die Zwei.