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Verblühte Blumenfabrik

Auf der Weberstraße schlug das Herz der Kunstblumenindustrie in Sebnitz. Jetzt beginnt der Abriss. Ein letzter Blick hinein.

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© Steffen Unger

Von Dirk Schulze

Sebnitz. In einem Zimmer in der dritten Etage liegen ein paar schwarz gerahmte Schaukästen auf dem Boden, in denen die seidenen Blumennachbildungen einst Kunden präsentiert wurden. Sonst erinnert kaum noch etwas daran, dass sich in dem Gebäudekomplex auf der Weberstraße 2-4 in Sebnitz das Zentrum des wichtigsten Industriezweiges des Stadt befand. Bis 1989 hatte der VEB Kunstblume Sebnitz in dem Bau neben dem heutigen Goethe-Gymnasium seinen Verwaltungssitz, in den Hallen im Hinterhaus wurde zudem produziert. Als 1991 die Nachfolgefirma Sebnitzer Kunstblumen- und Festartikel GmbH die Türen schloss, ging die Immobilie in den Besitz der Treuhand über. Einige Teile des Gebäudekomplexes waren danach noch an einen Bildungsträger vermietet, zeitweise probten noch Bands in dem Haus, ein letzter Wohnungsmieter zog 2010 aus.

Letzter Einblick

Das Haupthaus mit Giebel bleibt stehen, abgerissen werden der linke Seitenflügel und der Anbau hinten.
Das Haupthaus mit Giebel bleibt stehen, abgerissen werden der linke Seitenflügel und der Anbau hinten.
In der Großküche im Anbau zur Bergstraße wurde die Belegschaft des VEB Kunstblume bekocht. Reste der Einrichtung sind noch vorhanden.
In der Großküche im Anbau zur Bergstraße wurde die Belegschaft des VEB Kunstblume bekocht. Reste der Einrichtung sind noch vorhanden.
Wenn der Lack in Ruhe abblättern kann, entstehen faszierende Oberflächen, so wie an dieser Tür, die zu einer Duschzelle führt.
Wenn der Lack in Ruhe abblättern kann, entstehen faszierende Oberflächen, so wie an dieser Tür, die zu einer Duschzelle führt.
Gangs in Sebnitz? Im ehemaligen Musterzimmer mit der abgehängten Decke im Stil der Ostmoderne haben Jugendliche ihre Reviere markiert.
Gangs in Sebnitz? Im ehemaligen Musterzimmer mit der abgehängten Decke im Stil der Ostmoderne haben Jugendliche ihre Reviere markiert.
Ein Blick in die leere Produktionshalle. Die vor sich hin modernde Bausubstanz entwickelt ganz eigene Farbenspiele, mal Rot, mal Grün.
Ein Blick in die leere Produktionshalle. Die vor sich hin modernde Bausubstanz entwickelt ganz eigene Farbenspiele, mal Rot, mal Grün.
Im Obergeschoss des Anbaus ist die Decke durch eindringenden Regen durchgebrochen. Der ungestörte Verfall entwickelt seinen eigenen Charme.
Im Obergeschoss des Anbaus ist die Decke durch eindringenden Regen durchgebrochen. Der ungestörte Verfall entwickelt seinen eigenen Charme.

Erbaut wurde das Gebäude um 1880. Die hier ansässige Blumenfabrik wurde 1879 durch Hermann Klemm gegründet und trug zunächst dessen Namen. Zwischenzeitlich lief der Betrieb unter anderem unter dem Namen „Klemm und Augst“, spätestens ab 1911 stand die endgültige Geschäftsbezeichnung Paul Klemm fest. Der Familienbetrieb bestand bis 1945. In der neu gegründeten DDR wurde das Haus 1951 zum Firmensitz des von nun an verstaatlichten VEB.

Vor zwei Jahren konnte die Stadt Sebnitz die Immobilie nach langen Verhandlungen mit dem privaten Eigentümer kaufen. Anfang Oktober beginnt nun der Abriss des Seitenflügels und der Hintergebäude. Das Haupthaus bleibt erhalten und soll – ergänzt um ein modernes Nebengebäude – zu einem Pflegeheim mit 60 Plätzen umgestaltet werden.