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Auf Tour an Sachsens längstem Kanal

Vor 270 Jahren wurde der Grödel-Elsterwerdaer Floßkanal fertiggestellt. Seine ursprüngliche Aufgabe als Gütertransport-Route. Heute wird entlang des Ufers vor allem Fahrrad gefahren. Die SZ hat den Test gemacht.

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© Eric Weser

Von Eric Weser

Grödel. Meine Test-Tour startet am Elberadweg. In Grödel zweigt am Kanalbecken die Floßkanalroute nach Norden ab. Über einen breiten Schotterweg bin ich ruck, zuck an der B 98, wo die Straße mich vom Kanal weg über den Bahnhof in den Ort führt. Der Weg nach Radewitz ist nicht das gefälligste Stück der Route. In Marksiedlitz gelange ich wieder zurück ans eigentliche Kanalufer. Es geht vorbei an einer Pferdekoppel durch eine Birkenallee Richtung Streumen. Schautafeln, von denen es später noch ein paar mehr am Wegesrand geben wird, informieren übers Lustlager von 1730 oder das 2015 gebaute Bürgerwindrad. Auf einer Bank ließe es sich ausruhen. Mittlerweile ist die Sonne rausgekommen. Schön: Viele Bäume werfen Schatten auf den Weg. Weniger schön: Die Spurbreite wird ab Streumen immer geringer. Hätte man anfangs noch gut nebeneinander fahren können, ist es spätestens hier damit vorbei. Das verschärft sich noch, je weiter es Richtung Koselitz geht, da verkommt der Radweg zur Zehn-Zentimeter-Spurrille. An einigen Stellen stehen dann Hecken auch noch so eng, dass ich aus dem Sattel steigen und das Rad schieben muss.

Start in Grödel: Am Kanalbecken, wo einst Holz verladen wurde, ist die Elbe noch in Sichtweite.
Start in Grödel: Am Kanalbecken, wo einst Holz verladen wurde, ist die Elbe noch in Sichtweite. © Eric Weser
Wilde Natur: Selbst im Stadtgebiet von Gröditz ist der Kanal belebt. Nutrias schwimmen dort im Wasser.
Wilde Natur: Selbst im Stadtgebiet von Gröditz ist der Kanal belebt. Nutrias schwimmen dort im Wasser. © Eric Weser
Ziemlich eng: Bei Koselitz ragen Hecken in den Weg hinein. Im Sattel zu bleiben ist da eher was für Mutige.
Ziemlich eng: Bei Koselitz ragen Hecken in den Weg hinein. Im Sattel zu bleiben ist da eher was für Mutige. © Eric Weser
Nah am Wasser: Kurz vor Gröditz verläuft der Radweg nur wenige Zentimeter neben dem Floßkanal.
Nah am Wasser: Kurz vor Gröditz verläuft der Radweg nur wenige Zentimeter neben dem Floßkanal. © Eric Weser
© Grafik/SZ

Was entschädigt, ist die Naturidylle um einen herum. Vögel zwitschern, Grillen zirpen, Libellen schwirren. Das Schilf am Rand des Kanals wiegt sich sanft im Wind. Etliche Kirschbäume hängen voller roter Früchte. Ein Graureiher ist vom Rollgeräusch meines Fahrrades aufgeschreckt und fliegt davon. Angefressene Bäume deuten auf Biber hin. Auf Höhe Wülknitz kreuzt die Ortsverbindung nach Koselitz. „Achtung stark befahrene Straße“, warnt ein Schild. An mir brummt gerade mal ein Linienbus vorbei.

Begegnet ist mir auf dem Weg seit Glaubitz niemand. Der erste Radler überholt mich am Wehr unterhalb von Koselitz. Eine der großen ingenieurtechnischen Leistungen der Kanalbauer vor über 270 Jahren, steht auf einer Infotafel. Von der Wehranlage seien schon diverse Metallteile geklaut worden, erzählt der Radler, der für eine Raucherpause angehalten hat. Er sei auf dem Weg zur Arbeit nach Gröditz, so der Wülknitzer im Arbeitsoverall. Auf dem Floßkanalradweg sei er regelmäßig unterwegs. Bei Regen meide er die Strecke aber. „An manchen Stellen ist es dann ‚ne ganz schöne Bebbsche.“ Auf dem Rückweg von der Schicht, abends dann gegen um 10, werde er auch an der Straße fahren, sagt der Mitarbeiter einer Recyclingfirma. „Da ist es hier zu finster.“ Von der Länge würden sich beide Strecken auch nichts nehmen. Wie er den Zustand des Wegs hier am Floßkanal insgesamt findet? Eigentlich ganz gut, nur breiter sei der Weg mal gewesen. Wie breit, das lässt sich noch vereinzelt an schwarzen Borden ablesen, die beim Weiterfahren Richtung Gröditz links und rechts aus dem Boden gucken. Viele davon sind vom Gras überwachsen. Ein bisschen Vorsicht ist gefragt, damit man nicht darüber rollt und mit dem Reifen verkantet. Auch ein paar Vermessungspunkte mit weißen kappen ragen hier und da aus dem sandig-erdigen Untergrund. Größtenteils ist der Weg eben und gerade, es rollt ganz gut. Unangenehme Bodenwellen gibt es nur vereinzelt. Große Löcher oder Wurzeln, die einen im Sattel kräftig durchrütteln oder zum Absteigen nötigen? Gibt es so gut wie gar nicht. Ebenso wenig wie scharfe Kurven. Teils kann ich zwischen Bäumen Hunderte Meter vorausschauen.

Je mehr es auf Gröditz zugeht, desto enger führt der Weg an der dort mit Entengrütze übersäten Wasseroberfläche des Kanals entlang. Von der anderen Seite her dröhnt unterdessen die Zivilisation: Lkws, Pkws und Motorräder rauschen auf der B 169 vorbei, die in 30 Metern Entfernung parallel verläuft. Die Bundesstraße fesselt mich einen Moment zu lange – und da passiert es: Ich muss heftig bremsen, lande beinahe im Floßkanal. Glück gehabt!

Auf Höhe des ehemaligen Gröditzer Freibades muss ich wieder weg vom Kanal. Vorläufig ist wieder Schluss mit dem – bemerkenswert sauberen, oder: wenig vermüllten – Naturweg: Es geht ein Stück die Geißlitz entlang, über die Brücke an der B 169. Wer einkehren will, hat jetzt aber erstmals seit Beginn der Tour im Glaubitzer Gemeindegebiet die Möglichkeit direkt am Weg. In der Gröditzer Stadtmitte führen mich die Schilder über die Großenhainer Straße wieder an den Kanal. Am Uferweg sind viele Menschen unterwegs – aber der Blick die Uferböschung hinunter zeigt, dass sich auch in der Stadt wilde Tiere am Kanal wohlfühlen: Neben Enten tummelt sich eine Nutriafamilie im Wasser. Auf Höhe des Friedhofs Wainsdorfer Straße geht der gepflasterte Weg wieder in feinen Schotter über. Brandenburg ist fast erreicht. Im dortigen Prösen, von wo aus man noch weiter nach Elsterwerda fahren könnte, mache ich nach mehr als 15 Kilometern kehrt.

Fazit: tagsüber eine bei trockenem Wetter empfehlenswerte Tour, vor allem für Naturfans.