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Unternehmer setzen auf tschechische Mitarbeiter

Die Zahl der Beschäftigten aus dem Nachbarland hat sich sprunghaft erhöht. Noch mehr gefragt sind aber Polen.

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© Rafael Sampedro

Von Jan Lange

Löbau-Zittau. Jan Kodec hat sichtlich Spaß an seiner Arbeit. Seit vier Monaten ist der Tscheche im Hotel „Haus am See“ in Olbersdorf als Kellner angestellt. Wie Inhaber Thomas Hauser berichtet, ist es sehr schwer, deutsche Mitarbeiter zu finden. Er ist deshalb froh, die Lücken mit Arbeitskräften aus dem Ausland füllen zu können. Derzeit beschäftigt der Hotelbetreiber noch eine weitere Mitarbeiterin aus Tschechien, die seit etwa einem Vierteljahr bei ihm tätig ist, sowie eine Studentin aus Vietnam als Aushilfe. „Ich hoffe, dass sie bleiben“, so Hauser.

David Stanek als Dreher bei Johnson Drehtechnik in Zittau.
David Stanek als Dreher bei Johnson Drehtechnik in Zittau. © Bernd Gärtner

Der Olbersdorfer Hotelier spricht offen aus, was viele Unternehmer in der Region denken. Ohne die ausländischen Mitarbeiter kommen sie nicht mehr aus. „Ich bin froh, dass sie da sind“, sagt ein Unternehmer, der lieber ungenannt bleiben will, und fügt hinzu: „Wenn sie nicht da wären, sähe es noch schlimmer aus.“

In der heimischen Gastronomie stammen inzwischen rund 40 Prozent der Beschäftigten aus dem Ausland, wie jüngst bei einem Unternehmerforum informiert wurde. Den Trend zu mehr ausländischen Mitarbeitern gibt es auch in anderen Branchen. So sind im Oberseifersdorfer Betrieb Sumitomo nach SZ-Informationen gut ein Drittel der Belegschaft Polen. Sie sind vor allem in den vergangenen beiden Jahren eingestellt worden, wie die SZ aus zuverlässiger Quelle erfahren hat. Die Betriebsleitung wollte die Zahlen nicht bestätigen.

Aber auch ohne offizielle Bekräftigung ist der Trend unverkennbar. Gerade auch im medizinischen Bereich. Wer beispielsweise im Klinikum Oberlausitzer Bergland behandelt wird, kommt um die dortigen ausländischen Mitarbeiter kaum mehr herum. Sie sind in fast allen Abteilungen tätig, vorrangig sind es Ärzte, aber auch Krankenschwestern und Hebammen. Es handelt sich um rund 100 ausländische Beschäftigte, die im Gesundheitszentrum des Landkreises Görlitz mit seinen sieben Gesellschaften arbeiten. Das sind etwa sieben Prozent der gesamten Belegschaft, wie Pressesprecherin Jana-Cordelia Petzold mitteilt. Der Anteil der ausländischen Kollegen hat sich nach ihren Worten in den vergangenen Jahren kaum verändert. Die dienstältesten Ärzte aus dem Ausland sind bereits seit 15 Jahren am Klinikum Oberlausitzer Bergland tätig.

Während die Krankenhäuser schon lange ausländische Mitarbeiter beschäftigen und ein Vorreiter auf dem Gebiet sind, hat bei den niedergelassenen Haus- und Fachärzten erst in den zurückliegenden drei bis vier Jahren ein Wandel eingesetzt. Immer mehr Praxen werden beispielsweise von Kollegen aus Tschechien übernommen. So wie in Hirschfelde, wo seit Anfang Oktober Dr. Katarina Lacnakova praktiziert.

Dass mehr Tschechen in den Unternehmen der Region tätig sind, belegen auch die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit bestätigt. Waren 2010 gerade mal 54 Tschechen als sozialversicherungspflichtige Beschäftigte in der Geschäftsstelle Zittau gemeldet, sind es Ende März 2017 bereits 325 gewesen. Das ist eine Versechsfachung innerhalb von sieben Jahren. Den größten Sprung nach oben gab es von 2016 auf 2017. Auch die Zahl der Polen, die in der Zittauer Region arbeiten, hat sich zwischen 2010 und 2017 deutlich gesteigert: von 33 auf 256. Damit sind heute fast achtmal soviele Polen in der Region beschäftigt wie vor sieben Jahren. Den größten Zuwachs gab es dabei zwischen 2015 und 2016.

Die Anzahl der ausländischen Mitarbeiter ist auch bei der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Oberlausitz in den vergangenen Jahren leicht gestiegen, wie deren Chef Dirk Reinke mitteilt. Einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel sieht er aber noch nicht, da die ausländischen Mitarbeiter nicht alle Fachkräfte im Sinne der einschlägigen Vorschriften seien.

Das Kloster St. Marienthal und seine Wirtschaftsverwaltungsgemeinschaft (WVG) tragen zu dem Aufschwung bei – wenn auch nur in kleinem Umfang. Im Kloster sind aktuell drei polnische Mitarbeiterinnen und in der WVG sechs beschäftigt, wie Äbtissin Elisabeth Vaterodt mitteilt. Der Großteil von ihnen kommt aus Zcgorzelez und Umgebung und fährt täglich nach Hause.

Wobei es längst auch Mitarbeiter von jenseits der Grenze gibt, die nicht nur in Zittau arbeiten, sondern inzwischen hier auch wohnen. So wie David Stanek, der seit knapp fünf Jahren bei Johnson Drehtechnik in der Weinau beschäftigt ist. Der hochgewachsene Tscheche lebte früher in Bily Kostel, wohnt aber seit einigen Jahren in Zittau. Und lernt nun besser Deutsch. Anfangs habe er kaum ein Wort Deutsch gesprochen, berichtet Firmenchef Florian Fritz. Gehindert habe ihn das nicht, David Stanek einzustellen.

Auch wenn die Zahl der Arbeitskräfte aus Polen und Tschechien in den vergangenen Jahren sprunghaft angestiegen ist, so ist ihr Anteil an der Gesamtbeschäftigtenzahl immer noch gering. Er liegt bei gerade mal 1,7 beziehungsweise 1,3 Prozent. Das liegt auch daran, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ebenfalls gestiegen ist und mittlerweile mit knapp über 19 000 einen der höchsten Werte seit Jahren erreicht.

Auch wenn es im Bereich der Geschäftsstelle Löbau insgesamt mehr Beschäftigte gibt, liegt die Zahl der hier arbeitenden Polen und Tschechen deutlich unter den Zittauer Werten. Bei den tschechischen Arbeitskräften sind es nicht mal halb so viele wie in Zittau und Umgebung. Erstaunlich ist vor allem, dass im Löbauer Bereich weniger Tschechen als Polen beschäftigt sind, obwohl die dortigen Gemeinden ausschließlich an Tschechien grenzen.

Ein Unternehmer aus der Region liefert den möglichen Grund: Tschechische Mitarbeiter haben seinen Worten nach höhere Ansprüche was Gehalt und Arbeitszeit angeht. Polen seien dagegen nicht so anspruchsvoll. Er setzt bei der Gewinnung von ausländischen Mitarbeitern auf Veranstaltungen wie das Job-Speed-Dating in Zgorzelec oder Vermittler, die selbst aus den jeweiligen Ländern kommen.