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Undercover bei Pegida

Jan Böhmermann hat in Dresden seine Sachsen-Show aufgezeichnet. Der Satiriker erregte weniger Aufsehen als erwartet.

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© ZDF

Von Klemens Treu

Rumpsteak statt Wurzeln, Politikerin Petra Pau statt Sänger Sebastian Krumbiegel, Operette statt Teppichladen und einer von vielen statt „auf die Fresse“. Viele Statts bestimmten die Sendung „Neo Magazin Royale“ von Jan Böhmermann, die er am Mittwochabend in der Dresdner Staatsoperette aufzeichnete. Manches beabsichtigt oder provoziert, anderes überraschend. Ersatzware also, in Dresden statt Köln, wo Böhmermann seine Sendung normalerweise dreht? Austausch trifft es wohl eher. Mit einem Bundesland, das der Satiriker mit Vorliebe schmäht. In einem Dynamo-Schal parodierte er vor etwa einem Jahr Hitler, wütende Fußballfans rollten kurze Zeit später im Stadion ein Banner aus, das schimpfte: „Halt dein dummes Wessi-Maul“.

Ossis essen keine Wurzeln

Als Chemnitz und der LKA-Mitarbeiter mit Deutschland-Hut Sachsen erneut in den Fokus der Medien rückten, kündigte Böhmermann an, mit seiner Sendung erstmals auf Reisen zu gehen – nach Dresden. Ob der gebürtige Bremer damit die angekündigte „Versöhnung durch Verhöhnung“ erwirken konnte, bleibt fraglich, bemerkte doch der Großteil von Dresdens Unversöhnten gar nicht, dass der Provokateur sich als Agent in ihre Reihen mischte. Wie bei allen Touristenattraktionen sehe auch Pegida aus der Nähe viel kleiner aus, sagte Böhmermann. Am meisten wunderte seine Unerkanntheit wohl ihn selbst, als er am Montagabend durch die Stadt marschierte. Eine Kapuze genügte, um als einer von vielen über die Straßen zu ziehen. Eine Besorgnis-Bekundung von Lutz Bachmann blieb Böhmermann besonders in Erinnerung. Wer den Hitlergruß zeigt, wandere ins Gefängnis, wer Terrorzeichen zeigt, werde mit einem Staatsbankett belohnt, raunte Bachmann über den Besuch von Recep Tayyip Erdogan. „Denkt man lieber nicht länger drüber nach“, sagte Böhmermann in seiner Sendung. Schließlich musste er sich nach einem Schmäh-Gedicht über den türkischen Präsidenten schon selbst mit einer Anzeige wegen Majestäts-Beleidigung herumschlagen.

Für Versöhnung mit Pegida-Führer Bachmann genügte der gemeinsame Feind nicht; Interviews in Dresden habe ihm die Versicherung ohnehin verboten, scherzte Böhmermann. Die Interviews übernahm sein Mitspieler Ralf Kabelka, bekannt auch aus der ZDF-„Heute-Show“. In der Sendung reduzierte Böhmermann seine Sachsen-Witze auf ein versöhnliches Mindestmaß und antwortete auf die Briefe beleidigter Sachsen, selbst Dynamo erwähnte er nur sporadisch. Den bösartigeren Part übernahm in dieser Ausgabe Ralf Kabelka, wie ein Filmchen in der Sendung zeigt: Auf Dresdens Straßen versorgte er Menschen mit Orangensaft und Grundgesetz-Büchern, wollte von ihnen erfahren, wie schlimm sie denn dran seien.

Super gehe es ihm, antwortete da ein Mann, Rumpsteak habe es gestern gegeben. Ossis müssen sich also nicht von Wurzeln ernähren? Zum Abschied küsst Ralf Kabelka seine Satire-Opfer auf die Stirn oder schenkt ihnen eine Umarmung. „Gesamtdeutsche“ statt Ossi-Witze hatte Böhmermann eigentlich angekündigt. „Das wird die Herausforderung sein, heute in der Sendung, Witze zu machen genau an der Grenze, wo nicht geschossen wird.“ Völkerverständigung wolle er hinkriegen, am Tag der Deutschen Einheit. Dabei verlocken die Sachsen den Satiriker mit ihren Steilvorlagen wie eine Eva den Adam. Ein Kontroll-Gremium musste also her. Zwei Zuschauerinnen und zwei Zuschauer setzten sich an die Seite von Ralf Kabelka, um als Ost-Beauftragte die Witze von Böhmermann zu beurteilen. Manchmal auch mehrfach. Um sprachliche Holperigkeiten im Endprodukt für das Fernsehen zu vermeiden, drehten die Kameraleute einen Joke am Anfang der Sendung gleich drei Mal.

Noch nie so professionell

Sicherheit war dem Satiriker auf fremdem Terrain offenbar besonders wichtig. Security-Leute tasteten alle Zuschauer ab und nahmen ihnen selbst Feuerzeuge weg. Karten waren nicht verkäuflich, sondern wurden verlost, die Presse wurde generell nicht zugelassen. Gründe dafür nannte die Produktionsfirma zunächst nicht. Später hieß es, das Medieninteresse sei lokal wie überregional so groß, dass der halbe Saal mit Journalisten gefüllt sei, so man sie zuließe.

Zum ersten Mal in der Geschichte des „Neo Magazin Royale“ produziere er seine Sendung in einem Saal, der für Aufführungen vorgesehen sei, sagte Böhmermann. Üblicherweise dreht er sie im Studio König in Köln-Ehrenfeld, das früher mal ein Teppichladen war. „Ich hab’ noch nie in so ‘nem professionellen Umfeld ‘ne Sendung gemacht.“ Um eine Außenwirkung als professionell lustig zu garantieren, schwenkte eine Mitarbeiterin eine Papier-Flagge. Wie bei vielen Live-Sendungen üblich, schwor die Dame das Publikum vor Dreh-Beginn ein, auf Kommando zu jubeln oder zu klatschen, auch wenn ein Joke mal weniger witzig sei. Letzteres war selbst ein Joke, Lacher provozierte Böhmermann auch ohne künstliche Verstärkung häufig.

Etwa als er vom stachel-haarigen Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel sprach und die ebenso stachelhaarige Politikerin Petra Pau zeigte. Oder als er vor Sende-Beginn den schwarzen Operetten-Vorhang als eisernen Vorhang beschimpfte, der gefälligst wieder heruntergehen solle. Noch witziger wäre es vielleicht mit Böhmermanns Wunsch-Gast geworden, dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder. Stattdessen sprach er mit Moritz Neumeier, einem Stand-up-Comedian, der kein Sachse, sondern aus Schleswig-Holstein war.

Und wie versöhnlich war es nun? Die Grenzen zwischen Scherz und Ernst verwischt Böhmermann bekanntermaßen gern. Und doch schien neben all der Satire auch eine ehrliche Absicht, eine ernste Ader durchzuscheinen. Nach der Aufzeichnung lud er die Menschen zum Werkstattgespräch, zum Hashtag der Woche erklärte er #Zusammensachsen.

Noch bevor die Sendung am Donnerstagabend auf ZDF neo ausgestrahlt wurde, verabschiedeten sich Teile von Böhmermanns Team via Twitter. Jetzt könne die Operette wieder Kultur machen. Ob Böhmermann selbst noch durch Sachsen geistert, im Sinne der Versöhnung? Bemerken würde es wahrscheinlich niemand.