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Und wieder die Landeskronstraße

Am Donnerstag ist in einem Görlitzer Haus unvermittelt eine Decke eingestürzt. Dabei hatte der Statiker kürzlich die Standsicherheit bestätigt.

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© Pawel Sosnowski

Von Ingo Kramer

Görlitz. Felix Grunwald stand am Donnerstagabend gerade auf dem Balkon des Hauses Landeskronstraße 5, als es plötzlich laut donnerte. Es war ein Krachen, wie es der 26-Jährige zuvor noch nie gehört hatte: „Gefühlt hat es gebebt.“ Und zwar in nächster Nähe: Auf der anderen Seite der Kreuzung mit der Leipziger Straße, im Haus Landeskronstraße 6, war eine Geschossdecke eingestürzt. „Eine Scheibe und viel Staub wurden mit vollem Karacho nach draußen gedrückt“, sagt Felix Grunwald: „Zum Glück war vor dem Haus gerade kein Mensch.“ Die Nachbarn von gegenüber hätten auch auf dem Balkon gestanden und alles mit gehört, aber nichts gesehen, weil der Balkon in die andere Richtung geht. „Die haben dann gleich die Feuerwehr gerufen“, so Felix Grunwald.

Über die Drehleiter sondierte die Feuerwehr die Lage.
Über die Drehleiter sondierte die Feuerwehr die Lage. © Danilo Dittrich

Uwe Restetzki, Leiter der Görlitzer Feuerwehr, bestätigt die Schilderungen: „Wir haben am Donnerstag um 19.34 Uhr den Anruf bekommen.“ Vor Ort hätten die Kameraden festgestellt, dass auf der linken Gebäudeseite ein Teil der Decke im zweiten Stock eingestürzt ist und ein Deckenbalken ein Fenster an der Straßenseite durchschlagen hat. Dabei wurde niemand verletzt, auch Schäden an Autos seien zum Glück nicht entstanden. Polizei, Ordnungsamt und Bauaufsicht seien ebenfalls vor Ort gewesen, so Restetzki: „Über eine Drehleiter haben wir von außen in die Fenster geschaut, um zu prüfen, ob weitere akute Gefahren erkennbar sind.“ Das könnten Decken sein, die sich wölben oder durchhängen. Das sei nicht der Fall gewesen: „Betroffen war nur ein Raum.“ Anschließend sei eine provisorische Sperrung mit Baken und Flatterband erfolgt. Nach einer reichlichen Stunde war der Einsatz beendet.

Die Landeskronstraße entwickelt sich immer mehr zur Sorgenstraße Nummer eins in Görlitz. Die Nummer 34 war voriges Jahr nach einem Teileinsturz komplett abgerissen worden. Vor der Nummer 22 an der Ecke zum Brautwiesenplatz stehen Absperrungen, auch dieses Haus gilt als einsturzgefährdet. Bei der Nummer 8 läuft aktuell die Sicherung. Und jetzt ist die Nummer 6 betroffen, gelegen zwischen Leipziger- und Löbauer Straße. Bei der Stadtverwaltung ist auch dieses seit Jahren leer stehende Haus schon längst bekannt. Erst am vorigen Freitag hatte Amtsleiter Hartmut Wilke im Interview mit der SZ erklärt: „Die Eigentümer waren kürzlich an dem Haus aktiv, haben für Sicherheit gesorgt.“

Diese Aussage bestätigt Wilke auch nach dem Deckeneinsturz: „Ja, sie haben Putzschäden und zerbrochene Scheiben beseitigt, also die Gefahren, die man von außen wahrnehmen kann.“ Zudem hätten sie das Haus von einem Statiker untersuchen lassen. „Wir haben tatsächlich erst vor wenigen Wochen einen Nachweis vom Statiker erhalten, in dem die Standsicherheit bestätigt wird.“ Hat der Statiker also schlecht gearbeitet? „Nein“, sagt Wilke entschieden, „hundertprozentige Sicherheit wird es nie geben.“ Auch ein Statiker könne nur das tun, was seine Regelwerke und seine Erfahrung vorgeben. Er habe alles beachtet, ihm sei kein Vorwurf zu machen. Durch den Nachweis sei für die Stadt klar gewesen, dass der Zustand des Hauses akzeptabel ist. „Entsprechend kam der Deckeneinsturz für uns völlig überraschend“, sagt Wilke. Einen solchen Fall habe es zuvor in Görlitz noch nie gegeben.

Das Gute bei dem Haus: Es handelt sich laut Wilke um private Eigentümer, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind, mit der Stadt in Kontakt stehen, den Kontakt auch selbst suchen. Es sind mehrere Personen, aber keine Erbengemeinschaft. Sie leben ganz in der Nähe, nicht im Ausland. Dass sie sich kümmern, zeigt nicht nur die kürzlich durchgeführte Sicherung, sondern auch ihr Agieren am Freitag. Da haben sie die Männer von Franks Immobilienservice aus Görlitz zum Haus geschickt. Die haben mithilfe von Matthias Wecke und seiner Firma Dach- und Fassadenbau Görlitz eine schnelle Notsicherung vorgenommen. Wecke und sein Kollege haben straßenseitig sämtliche Fenster im ersten und zweiten Stock mit Spanplatten verschlossen, anschließend haben die Kollegen Zäune zur Absperrung aufgestellt. Dadurch fallen alle Parkplätze vor dem Haus weg. Auch der Bürgersteig ist voll gesperrt, aber der Straßenverkehr wird nicht beeinträchtigt.

Im nächsten Schritt wird der Eigentümer jetzt mithilfe eines Statikers erfassen, was genau passiert ist – und prüfen, was zu tun ist, um die öffentliche Sicherheit wieder herzustellen. Die wesentliche Frage ist: Genügt es, die eingestürzte Decke wieder herzustellen, oder muss mehr gemacht werden? Wie schnell es eine Antwort auf diese Frage gibt und wann die Sicherungsarbeiten beginnen, kann auch Wilke derzeit noch nicht sagen. Dass es schnell gehen muss, ist freilich klar.