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Unbehagen über Autos auf der Görlitzer Touristenmeile

Soll der Obermarkt verkehrsfrei werden? Statt zu träumen, könnten kleine Veränderungen schon viel bringen.

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© nikolaischmidt.de

Von Sebastian Beutler

Ob die Görlitzer je mit der Gestaltung des Obermarktes zufrieden waren, ist ungewiss. Zwar gibt es biedermeierliche Ansichten des zentralen Platzes, wo Pärchen über das Pflaster flanieren. Aber der Alltag sah auch im 18. Jahrhundert anders aus: Der Obermarkt war auch damals Zentrum des Durchgangsverkehrs auf der Via Regia. Spätestens mit dem Einzug des Automobils kommt in regelmäßigen Abständen die Frage auf, wie der Obermarkt am besten genutzt werden sollte. Als noch Kaiser Wilhelm von seinem Denkmal herabschaute, sah er eine riesige Fläche, die eher einem Aufmarschplatz ähnelte als einer Piazza, die der jetzigen Stadtverwaltung vorschwebt. Später gab es eine Tribüne in der Mitte des Platzes, Straßen wurden so angelegt, dass sie die Fläche kreuzten. Schließlich dient der Platz seit Jahren als Parkfläche für einige Hundert Wagen. Auch Till Rehwaldt, Präsident des Bundes Deutscher Landschaftsarchitekten, parkte unlängst auf dem Obermarkt, als er an einer Gesprächsrunde beim Aktionskreis für Görlitz teilnahm. „Warum auch nicht, wenn er dafür vorgesehen ist“, sagte Rehwaldt. Doch eigentlich könne er sich für den Markt etwas anderes vorstellen. „Wir wollen öffentliche Räume, die ihre Werte bestens vermitteln. Gerade auch den Touristen.“ Deswegen müsste die Stadt fußgängerfreundlich sein, und das heißt für ihn: Die Autos müssen weg vom Obermarkt.

Alternative Nutzung 1: Die Eislaufbahn zieht viele Besucher auf den Obermarkt. Ab morgen ist es wieder soweit.
Alternative Nutzung 1: Die Eislaufbahn zieht viele Besucher auf den Obermarkt. Ab morgen ist es wieder soweit. © nikolaischmidt.de
Alternative Nutzung 2: Dem Rummel während des Altstadtfestes dient der Obermarkt auch als Kulisse.
Alternative Nutzung 2: Dem Rummel während des Altstadtfestes dient der Obermarkt auch als Kulisse. © nikolaischmidt.de
Vorlage Historie:  Unzufrieden war man auch in den 1930er Jahren mit der Gestaltung des Obermarktes.
Vorlage Historie: Unzufrieden war man auch in den 1930er Jahren mit der Gestaltung des Obermarktes. © Archiv

Da war sich Rehwaldt mit der Mehrheit der rund 100 Besucher im Schlesischen Museum einig. Der Aktionskreis für Görlitz sprach anschließend sogar davon, dass der Obermarkt verkehrsfrei sein sollte. Schöne Träume, doch die Realität ist eine andere. Dirk Ohm, Inhaber der Firma Ivas Ingenieure Dresden. Ohm konstatierte für Görlitz: „Die Stadt hat verglichen mit Dresden oder Berlin so gut wie keine Verkehrsprobleme – außer dem einen: Es steht zu viel Blech herum.“ Ein Problem gerade rund um den Obermarkt, aber auch an der Jakobstraße und auch in der Hospitalstraße, wie Untersuchungen der Stadt ergaben. Deswegen schafft sie zusammen mit dem Landkreis neue Stellflächen beim Ausbau des Landratsamtes an der Salomonstraße und denkt über ein Parkhaus in der Innenstadt nach. Die Überlegung, eine Tiefgarage unter dem Obermarkt zu errichten, verfolgt die Stadt aus Kostengründen nicht mehr. Ob diese zusätzlichen Kapazitäten ausreichen, um die Autos vom Obermarkt zu verbannen, ist aber nicht sicher.

Denn, so mahnte Dirk Ohm, es gebe auch Anforderungen des Alltags, die Stadt- und Verkehrsplaner unterschätzen. Handwerker, die zu ihren Baustellen gelangen und in deren Nähe auch parken müssen. Arbeitgeber wie Software-Unternehmen, die ihren Angestellten möglichst nah Parkplätze anbieten wollen oder Hoteliers, die ihre Gäste nicht erst durch die Stadt zum Hotelparkplatz chauffieren lassen möchten. Und die Geschäftsinhaber wollen ihre Kunden ebenso nicht lange laufen lassen. Das Erste, was Kaufhaus-Investor Winfried Stöcker prüfen ließ, war eine Tiefgarage unter dem Marienplatz neben dem Kaufhaus. Trotzdem können schon kleine Veränderungen zur Entlastung des Obermarktes beitragen. Ohm und Rehwaldt regten an, Parkgebühren in der Innenstadt zu erhöhen, um das Parken unattraktiver zu machen, den öffentlichen Nahverkehr auszubauen, ein Drittel des Platzes für das Abstellen von Fahrrädern zu nutzen, vielleicht Touristen-Parkhäuser direkt an Endhaltestellen von Bus und Bahn am Rande der Stadt zu errichten sowie Car-Sharing anzubieten, also das Teilen von Autos zwischen verschiedenen Nutzern. Zweimal ist dieser Versuch allerdings in Görlitz gescheitert. Um Touristen die stressige Fahrt durch die Innenstadt zu ersparen, könnte auch der Blick nach Basel helfen. Dort erhalten Hotelgäste ein Mobility-Ticket und können anschließend kostenlos mit der Straßenbahn und den Bussen in der gesamten Nordwestschweiz fahren. Und müssen dafür eine Tourismusabgabe von 3,50 Franken zahlen. Mit einer Hin- und Rückfahrt haben sie das bereits abgefahren.