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Tschechien soll tschechischer werden

Eine parlamentarische Initiative sorgt sich um den Erhalt der Sprache und will fremde Begriffe aus dem Alltag verbannen.

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© E. Kamprath

Von Hans-Jörg Schmidt

Bisher dachte ich, dass meine Wahlheimat Tschechien schon sehr tschechisch sei. Mit Folgen für Ausländer, die es mitunter schwer haben, sich zu orientieren. Tschechisch ist eine zwar sehr hübsche, blumige, an Synonymen reiche Sprache. Aber für Touristen, die der Sprache nicht mächtig sind, bringt sie Probleme mit sich. Etwa dann, wenn an Wochenenden Busse als Ersatz für die Metro fahren, weil Bauarbeiten das erforderlich machen. So nett es ist, wenn die Bauarbeiten und die Ersatzbusse ausführlich über Bahnhofsansagen angekündigt werden. Nur auf Tschechisch ist das für die Fremden nicht eben hilfreich. Sie verstehen dann auf dem Bahnhof nur „Bahnhof“.

Den tschechischen Kommunisten im Parlament geht aber das Tschechisch im Lande noch nicht weit genug. Sie wollen jetzt alles tschechisieren. Eine Wechselstube etwa soll künftig nur noch „smenarna“ heißen. Auch das „Zimmer frei“, das entlang der Autotrassen nach Prag immer wieder an Häusern lockt, soll nur noch „volne pokoje“ heißen. Da werden die Zimmer wohl ewig frei bleiben.

Die Beschwerde der Kommunisten, dass in Ämtern nicht Tschechisch gesprochen werde, ist ein schlechter Witz. Selbst bei der Ausländerpolizei, die durchweg von Ausländern zu Meldezwecken aufgesucht wird, spricht kaum ein Angestellter wenigstens Englisch. Die Verständigungsprobleme führen zu ewigen Wartezeiten.

Dass es ausgerechnet die Kommunisten sind, die sich für das Tschechische stark machen, hat verschiedene Gründe. Zum einen verstehen laut einer Umfrage 20 Prozent der über 50-Jährigen keine Fremdsprache. Viele dieser Menschen gehören zum Wählerstamm der Genossen.

Ein weiterer Grund: Die Kommunisten redeten zwar viel vom „proletarischen Internationalismus“, achteten in der Praxis aber darauf, dass das Tschechische wie eine Festung gegen westliche Einflüsse hielt. Wie albern das Ansinnen ist, muss man eigentlich nicht erklären. Die Tschechen sind geistig nicht minderbemittelt und nutzen auch das Internet, unterhalten Wirtschaftskontakte weltweit, sind als Exportnation angewiesen auf Fremdsprachen.

Man könnte die Gesetzesinitiative noch verstehen, wenn sie sich auf die Islamfeindlichkeit der Kommunisten stützte. Aber nein, es geht gegen zu viel Englisch, Deutsch – und man staune – sogar Russisch. Dabei wäre es angesichts der Sprachprobleme der Tschechen viel sinnvoller, wenn sich das Land mehr öffnen würde.

Das sehen glücklicherweise auch die meisten anderen Parteien so. Das Gesetz wird somit wohl eher scheitern. Falls nicht, dann wird an den Ladentüren der Einkaufsmeilen künftig „otevreni“ statt „open“ stehen und „zavreno“ statt „closed“. Versuchen Sie einfach, die Tür zu öffnen. Wenn das nicht geht, dann haben Sie gleich Ihren tschechischen Vokabelschatz erweitert.

Übrigens: Pavel (Paul) Eisner (1889–1958), ein tschechisch und deutsch schreibender Schriftsteller, warb leidenschaftlich für die tschechische Sprache. Er war der erste Übersetzer von Franz Kafka ins Tschechische. Nun ja, Kafka mögen die Kommunisten auch bis heute nicht. Kafka, einer der berühmtesten Prager, war für sie immer nur ein ungeliebter „Deutscher“.