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„Trockene Jahre sind Schafsjahre“

Der heiße Sommer macht den Tieren wenig aus. Probleme bereitet er den Schäfern trotzdem.

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© Sebastian Schultz

Von Stefan Lehmann

Riesa. Ehe seine Tiere auf die Weide kommen, wird der Schäfer kurz zum Gärtner. Alle paar Meter stoppt Axel Weinhold den Traktor, klettert aus dem Fahrerhaus und zwickt mit einer Gartenschere die Kletten ab, die sich auf der Wiese am Elbufer breitgemacht haben. „Die müssen weg, weil sie sich sonst in der Wolle verfangen“, erklärt er. Die Preise seien sowieso schon im Keller. Wäre das Fell zur Schur Ende September auch noch voller Kletten, würde das den Gewinn mindern. Die abgeschnittenen Pflanzen wirft Axel Weinhold neben die eingerollten Zaunsfelder in der Schaufel vorn am Traktor, dann geht’s weiter, einmal rings um das künftige Weidegelände.

Heiko Helm (l.) und Farooq Shah stellen die Zäune für den Pferch auf.
Heiko Helm (l.) und Farooq Shah stellen die Zäune für den Pferch auf. © Sebastian Schultz
Axel Weinhold, Schäfer
Axel Weinhold, Schäfer © Sebastian Schultz

Etwa dreimal pro Woche ist der Riesaer Schäfer zurzeit mit seinen Mitarbeitern draußen, um die Weidezäune umzustecken. Eine schweißtreibende Arbeit, vor allem während der heißen Sommertage. Etwa 700 Meter Elektrozaun wollen aus dem Boden gezogen, zusammengerollt und einige hundert Meter weiter wieder aufgestellt sein – und das möglichst vor der Mittagshitze. „Wenn es zu heiß ist, bewegen sich die Schafe keinen Meter mehr“, sagt Axel Weinhold. Sein Vater ist deshalb in den vergangenen Tagen häufig schon in frühen Morgenstunden mit den 600 Schafen und den beiden Hütehunden auf Elbdamm und Stoppelfelder unterwegs.

Während viele Landwirte darüber stöhnen, dass das Futter für ihre Tiere zur Neige geht, kann sich Axel Weinhold darüber noch nicht beklagen, sagt er. Entlang der Elbe sprießen Gräser und Kräuter noch recht gut. Kniehoch steht das Grün zum Teil, obwohl die Fläche nun schon zum dritten Mal von den Schafen begrast wird. „Man muss dazu sagen, dass die Schafe außerdem noch zugehütet werden“, betont Weinhold. Sie stehen also lediglich in den Nachmittagsstunden auf der geschlossenen Weide zwischen Göhlis und Leutewitz. Die Hitze der vergangenen Woche macht ihnen tatsächlich weniger aus als den Menschen. „Trockene Jahre sind Schafsjahre“, sagt Axel Weinhold. In feuchten Sommern hätten die Schäfer deutlich mehr mit Krankheiten und Wurmbefall zu tun. „Schafe sind ursprünglich Steppentiere, die sind dieses Wetter gewohnt.“

Während der Traktor parallel zur Elbe über die Wiese tuckert, füllen Heiko Helm und Farooq Shah Wasser in mehrere Blechwannen, aus denen die Tiere später trinken können. Helm hatte bei Axel Weinholds Vater gelernt und kehrte vor zehn Jahren wieder zurück in den Lehrberuf. Farooq Shah ist dagegen erst seit einem knappen Jahr dabei. Weinhold will den jungen Pakistaner gerne bei sich in die Lehre nehmen, sagt er. „Der ist echt gut. Das ist einer, der rennt regelrecht beim Arbeiten.“ Das habe er auch schon ganz anders erlebt, bei ausländischen wie bei deutschen Mitarbeitern.

Nach einer halben Stunde ist die Runde um die Weide geschafft und der Großteil der Kletten entfernt. Die Umrundung hat vor allem einen Zweck: Das Gras an der Stelle einzudrücken, an der der Zaun aufgestellt wird. Denn jeder Halm, der die stromführenden Maschen berührt, nimmt auch Spannung vom Zaun. Aus einem ähnlichen Grund wäre dem Schäfer etwas feuchteres Wetter ebenfalls lieber. „Je trockener, desto schwieriger wird es mit der Erdung.“ Wenn der Zaun steht, wird der Schäfer mit einem Messgerät an verschiedenen Stellen die Spannung kontrollieren. Die sollte 2 000 Volt nicht unterschreiten. Das ist die Bedingung, um im Fall eines Wolfsrisses auch eine Entschädigung zu bekommen. Auch die Zaunmaße erfüllen die Anforderungen: 90 Zentimeter sind sie hoch, oben könnte Weinhold Flatterband anbringen, das Wölfe vom Überspringen abhalten soll. „Aber das bietet eben auch viel Angriffsfläche für den Wind, den Zaun umzudrücken – und bedeutet viel mehr Arbeitsaufwand.“ Nicht nur mit dem Wetter kämpfen die Schäfer. Es kam auch schon vor, dass die Geräte oder ganze Weidezäune über Nacht gestohlen wurden.

Immerhin was den Wolf angeht, hatte der Riesaer Schäfer bisher Glück. Die Raubtiere haben an seiner Weide noch keinen Schaden angerichtet. Trotzdem hält er es für möglich, dass der Wolf auch bei ihm schon einmal nachgeschaut hat. „So lange es nur einzelne Tiere sind, die durchziehen, funktioniert der Zaun“, sagt Weinhold. Problematisch sei es, wenn die Wölfe sesshaft werden . Über kurz oder lang fänden sie dann einen Weg, über den Zaun zu kommen – oder eben darunter hindurch. Damit das nicht passiert, würde sich Weinhold eine Bejagung der Tiere wünschen. Sonst verliere der Wolf nun einmal die Scheu vor dem Menschen. Und die Schafe auf den Weiden rings um Riesa wären dann leichte Beute. „Dem Wolf kann man dann ja keinen Vorwurf machen.“

Nach etwas mehr als einer Stunde treibt Axel Weinholds Vater die Schafherde in den eingezäunten Bereich. Schon unterwegs zupfen die Tiere ohne Unterlass am Gras. Farooq Shah und Heiko Helm sind noch dabei, die letzten Zaunsfelder aufzurichten. An der Grenze zum benachbarten Feld ist das besonders schwer. Der Boden ist knochenhart aufgrund der Hitze. Die Schafe scharen sich derweil um die aufgestellten Tränken. Am Wasserverbrauch macht sich die Hitze dann doch bemerkbar, sagt Axel Weinhold. Die fast 5 500 Liter fassenden Tanks muss er an heißen Tagen etwa aller zwei Tage neu befüllen, öfter als sonst.

Zwei Tage brauchen die Schafe, um die anderthalb Hektar Wiese abzufressen. Dann geht das Umkoppeln von vorn los.