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Traumjob Verkäufer

Obwohl sie mit dem Internet aufgewachsen sind, wollen viele junge Leute Verkäufer im lokalen Handel werden. Warum?

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© Norbert Millauer

Von Franz Werfel

Freital. Die Wohnzimmer-Einrichtung aus echtem Eichenholz ist ganz neu im Pirnaer Einrichtungshaus Möbel Graf. Welcher Sofabezug passt zu welcher Tischplatte? Gemeinsam mit dem Leiter des Hauses, Wolfgang Hoßner, überlegen die vier Auszubildenden. „Dunkel und schlicht ist derzeit in“, sind sie sich schnell einig. „Ja, das passt“, sagt Hoßner, und freut sich über den guten Geschmack der jungen Leute.

Dabei haben zwei von ihnen erst Anfang des Monats ihre Ausbildung zum Verkäufer im Möbelhaus angefangen. Selina Schmidt aus Freital ist 16 Jahre alt. Sie wollte eigentlich zur Bundespolizei nach Lübeck, aber da spielten ihre Eltern nicht mit. Bei einem Azubi-Speeddating, das die Arbeitsagentur für Kurzentschlossene Bewerber und Firmen im Juni durchführt, fand sie zu Wolfgang Hoßner. Und der zu ihr. Selina Schmidt hofft nun auf eine vielseitige und abwechslungsreiche Ausbildung.

Ihre Kollegin Julia Engelhard aus Pirna hat gerade ihr Abitur bestanden. „Und nun freue ich mich auf etwas Praktisches.“ Schon seit Längerem interessiert sie sich für Inneneinrichtung. Möbel Graf hat ihr eine Spezialisierung zur Küchen-Ausstatterin angeboten. „Küchen-Berater ist kein Ausbildungsberuf“, sagt Wolfgang Hoßner. „Wir brauchen aber jemanden, der die Kunden kompetent beraten kann und weiß, was zusammenpasst.“ Also wird Julia Engelhard nun genau so ausgebildet, wie ihr Arbeitgeber und sie sich das wünschen.

Das größte Einrichtungshaus im Landkreis bildet permanent zehn Azubis drei Jahre lang aus. „Wir investieren viel Zeit, Einsatz und Wissen in die jungen Leute. Wenn sie ihre Ausbildung gut beendet haben, wollen wir sie auch gern halten“, sagt Wolfgang Hoßner. Gutes Personal sei für den Handel enorm wichtig. Und werde im digitalen Zeitalter immer wichtiger.

Seit Jahren gehören der Verkäufer sowie der Kaufmann im Einzelhandel zu den beliebtesten Ausbildungsberufen in der Region. Im Landkreis bewarben sich der Arbeitsagentur zufolge in diesem Jahr bisher 120 junge Leute auf Verkäufer-Azubi-Stellen. Fast doppelt so viele, wie die Firmen ausbilden wollen.

Bei anderen Berufen, wie etwa dem des Bäckers, bekommen die Betriebe nicht einmal so viele Bewerbungen, wie sie freie Azubi-Plätze anbieten.

Der Trend ist nicht neu. Lars Fiehler, Sprecher der Industrie- und Handelskammer Dresden (IHK), erkennt ein Muster. „Der Beruf ist überall beliebt. Das ist kein besonderes Merkmal für die Region“, sagt er. Und er stellt fest: „Seit zehn Jahren gibt es kaum Veränderungen in den Top-10-Berufen. Was ihre Berufswünsche angeht, sind junge Leute erstaunlich konservativ.“

Dabei macht das Internet seit Jahren dem Einzelhandel Konkurrenz. „Unsere Kunden profitieren von einer umfassenden Beratung“, sagt Wolfgang Hoßner. Dass viele darauf zurückgreifen, ist für das Haus erst mal gut. Doch dann wird mitunter im Netz bestellt, weil die identische Ware dort oft etwas günstiger angeboten wird.

Zunehmend müssen die Azubis also auch lernen, die Kunden im Laden zu halten. „Wir bringen ihnen bei, mit den Kunden genau in die Konditionen der Internethändler reinzuschauen“, sagt Wolfgang Hoßner. Denn viele Anbieter würden nur bis zum Bordstein liefern, Möbel nicht aufbauen und die alten nicht kostenfrei abtransportieren.

Sich ständig auf neue Kunden einstellen zu müssen, ist für Azubi Paul Hartmann aus Heidenau eine der spannendsten Aufgaben seines Jobs. „Kein Kunde ist gleich“, sagt er. Er schätzt den Austausch mit Kunden und Kollegen. Es sei ein gutes Miteinander, die Hierarchien in der Firma flach. Dass das im Handel oft so ist, bestätigt Lars Fiehler von der IHK. „Außerdem schätzen die jungen Leute die geregelten Arbeitszeiten, trotz Wochenenddiensten.“ Zudem verdient man als Verkäufer mehr als etwa in der Logistikbranche.

Fiehler meint, dass der Handel eine gute Zukunft hat: „Ich bin nicht dafür, Online- und Einzelhandel gegeneinander auszuspielen. Der Einzelhandel wurde schon lange totgesagt, trotzdem steigen die Umsatzzahlen – wenn auch nicht so stark wie im Online-Geschäft.“

Vielleicht ist es Zufall. Aber die vier Azubis von Möbel Graf, die von ihrer Ausbildung erzählt haben, sagen auch: Sie kaufen viel öfter in Geschäften als im Internet. „Zusammen mit Freunden einkaufen gehen, Kleidung im Geschäft anprobieren und gleich mitnehmen ist doch super“, sagt Selina Schmidt. (mit hoe)