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Trabi im Golf-Look

In Dresdens unbekannter Schatzkammer wacht die Universität über die vergangene Zeit. Und auch über gescheiterte Ideen.

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© Sven Ellger

Jana Mundus

Ein Tisch bringt Kristen Vincenz zum Schwärmen: dunkles Holz, mehrere Meter breit und auch mit über 100 Jahren noch ein wahres Schmuckstück. Den hat Martin Dülfer, Architekt des Beyer-Baus der TU Dresden, entworfen. Viele Jahrzehnte stand er im großen Hörsaal des historischen Campus-Gebäudes, erklärt die Direktorin der Kustodie der Universität.

Den kannte wirklich jedes DDR-Schulkind: den Taschenrechner SR1. Vom Staat subventioniert und für 123 Mark verkauft, war er ab Mitte der 1980er-Jahre Standard im Mathematikunterricht. An der TU Dresden wurde damals eine Variante für Blinde entwickelt. Der
Den kannte wirklich jedes DDR-Schulkind: den Taschenrechner SR1. Vom Staat subventioniert und für 123 Mark verkauft, war er ab Mitte der 1980er-Jahre Standard im Mathematikunterricht. An der TU Dresden wurde damals eine Variante für Blinde entwickelt. Der © Sven Ellger
Im Kleinen Großes lernen. Die 1952 gegründete Hochschule für Verkehrswesen besaß von Beginn an eine Modellbahnanlage, auf der die realen technischen und betrieblichen Prozesse bei der Bahn dargestellt werden konnten. Dafür mussten gängige Modellbahnen aus
Im Kleinen Großes lernen. Die 1952 gegründete Hochschule für Verkehrswesen besaß von Beginn an eine Modellbahnanlage, auf der die realen technischen und betrieblichen Prozesse bei der Bahn dargestellt werden konnten. Dafür mussten gängige Modellbahnen aus © Sven Ellger
In einem Abfalleimer fand ein Student in den 1960-er Jahren ein Buch von Hegel – sein Werk „Die Phänomenologie des Geistes“. Erst viele Jahre später wird dem Finder klar: Das ist eine Erstausgabe. Mit einer Widmung von Victor Klemperer. Der hatte das Fami
In einem Abfalleimer fand ein Student in den 1960-er Jahren ein Buch von Hegel – sein Werk „Die Phänomenologie des Geistes“. Erst viele Jahre später wird dem Finder klar: Das ist eine Erstausgabe. Mit einer Widmung von Victor Klemperer. Der hatte das Fami © Sven Ellger
Gries ist nicht gleich Gries. Das zeigt ein Exponat der Sammlung Lebensmittelchemie. In der Hofmühle von Gottlieb Traugott Bienert in Dresden wurden dafür insgesamt 45 kleine Glasröhrchen mit verschiedenen Griesarten gefüllt. Die zeigen anschaulich, wie s
Gries ist nicht gleich Gries. Das zeigt ein Exponat der Sammlung Lebensmittelchemie. In der Hofmühle von Gottlieb Traugott Bienert in Dresden wurden dafür insgesamt 45 kleine Glasröhrchen mit verschiedenen Griesarten gefüllt. Die zeigen anschaulich, wie s © Sven Ellger
Im Auftrag ihrer Biologielehrer streifen Schüler durch Wald und Wiesen und sammeln Blätter und Pflanzen für ihr Herbarium. Den wissenschaftlichen Wert von Pressen und Aufkleben zeigen Exponate der Forstbotanischen Sammlung. Im Jahr 1910 entdeckten Wissens
Im Auftrag ihrer Biologielehrer streifen Schüler durch Wald und Wiesen und sammeln Blätter und Pflanzen für ihr Herbarium. Den wissenschaftlichen Wert von Pressen und Aufkleben zeigen Exponate der Forstbotanischen Sammlung. Im Jahr 1910 entdeckten Wissens © Sven Ellger

Doch jetzt wurde er in die Rente geschickt. Vor Kurzem ist er umgezogen. Nun steht der Riese unter den Tischen in der neuen ständigen Ausstellung der Kustodie. „Für den Einbau der modernen Technik im Beyer-Bau-Hörsaal war er leider nicht mehr geeignet“, erklärt Kirsten Vincenz. Als ihr Kollege Jörg Zaun den Vorschlag machte, ihm einen Ruhestand in den Kustodie-Räumen zu ermöglichen, war sie erst einmal skeptisch. „Ich hätte nie gedacht, dass der hier überhaupt reinpasst.“ Jetzt steht er da – gerettete Historie.

Der Tisch gehört jetzt zu den Schätzen der TU Dresden. Verwaltet werden sie vom dreiköpfigen Team der Kustodie. Über 50 000 Objekte finden sich in den 40 Sammlungen. Vieles ist im Depot gelagert, anderes befindet sich in den Fakultäten oder wird sogar noch in Vorlesungen genutzt. Neben Exponaten aus Lehre und Forschung gehören auch Kunstwerke aus der Zeit nach 1945 zur umfangreichen Sammlung. Gerade zeigt eine Ausstellung in der Altana-Galerie im Görges-Bau Kunst aus den 1950er-Jahren. In den nächsten Jahren sollen weitere Kunstausstellungen Einblick in den Besitz geben.

Ständig zu sehen sind indes 300 Exponate in der Kustodie selbst. Diese Ausstellung ist gerade in neue Räume gezogen. Erstmals sind in einer Vitrine wichtige Stücke aus der Geschichte der TU Dresden zu sehen. Unter anderem auch ein wertvolles Buch aus dem Besitz von Victor Klemperer, der während der Nazizeit als Jude seinen Beruf als Hochschullehrer aufgeben musste. Oder die historische Amtskette des Rektors, die bis Anfang der 1990er-Jahre genutzt wurde. „Nachträglich waren zu DDR-Zeiten Vaterländische Verdienstorden in Gold und Silber eingearbeitet worden“, erzählt Jörg Zaun. Nach der Wende wurden sie schnell entfernt. In der Vitrine sind Kette und Orden nun wieder vereint.

Aufheben oder weg damit? Diese Frage wird den Bewahrern der TU-Geschichte immer wieder begegnen. Alles aufheben, das geht nicht. Dafür reicht der Platz schon gar nicht. „Wir müssen ein gutes Zusammenspiel von Altem und Neuem hinkriegen“, sagt Kirsten Vincenz. Dazu gehört auch, den Blick der aktuellen Wissenschaftler zu weiten für das, was da in den Depots schlummert. Gerade laufen verschiedene Forschungsprojekte, die die alten Modelle und Geräte wieder in den Mittelpunkt rücken. Lernen an der Geschichte.

Ausstellung Kustodie: Bürozentrum Zellescher Weg 17, Eingang A, EG; geöffnet in der normalen Bürozeit. Anmeldung unter 0351 46340356