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Touristen finanzieren 20 000 Jobs

Die Besucherzahlen sinken, Fremde fühlen sich hier nicht mehr sicher. Das hat Auswirkungen für die gesamte Stadt.

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© dpa

Von Andreas Weller

Dresden ist deutschlandweit die Großstadt, die am meisten Touristen eingebüßt hat. Zwar ist Dresden bei den beliebtesten Städten „nur“ von Platz sechs auf sieben gerutscht. Aber einen Verlust von mehr als 133 000 Übernachtungen verzeichnete keine andere Stadt. Vor allem Touristen aus Deutschland bleiben weg. Der Ruf ist angekratzt – wegen der asylfeindlichen Pegida-Bewegung und Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte. Der Besucherschwund und die zunehmende Schwierigkeit, ausländische Spitzenforscher und Fachleute zu holen, kann schnell für viele hier gravierende Folgen haben.

Die Finanzen: Besucher geben jedes Jahr eine Milliarde Euro hier aus

Wie locker der Geldbeutel bei den Besuchern sitzt, damit haben sich mehrere Studien im Auftrag des Dresden Marketing beschäftigt. Übernachtungsgäste geben im Schnitt 292 Euro pro Person und Reise aus. Ein Drittel davon lassen sie in Dresdens Geschäften, 23 Prozent geben sie für die Übernachtungen aus und 21 Prozent für Essen und Trinken in den Gaststätten. „Laut Wertschöpfungsanalyse tragen die Übernachtungs- und Tagesbesucher zu einem Bruttoumsatz von fast einer Milliarde Euro bei“, so Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) gegenüber der SZ. Nach Steuern entsteht Dresden ein Einkommen von 474 Millionen Euro pro Jahr durch den Tourismus.

Die Arbeitsplätze: Viele wackeln bei sinkenden Touristenzahlen

Laut des Tourismusverbandes arbeiten rund 24 000 Dresdner in der Branche. Die 474 Millionen Euro Einkommen entsprechen laut OB Hilbert fast 20 000 Vollzeitarbeitsplätzen. Das zeigt, dass etliche Arbeitsplätze gefährdet sind. Der Anteil an der Gesamtwirtschaft in der Stadt beträgt immerhin mehr als fünf Prozent. Arbeitsplätze in Hotels, im Handel, in der Gastronomie und mehr stehen auf der Kippe. Dadurch würden Dresden immense Steuereinnahmen fehlen. Wofür genau das Geld ausgegeben wird, lässt sich nicht nachverfolgen. Aber Kitas, Schulen, Straßen und vieles mehr werden mit den Steuereinnahmen finanziert – mindestens der Eigenanteil der Stadt, der für alle Projekte benötigt wird.

Die Bedenken: Touristen fragen, ob es hier noch sicher ist

Das Dresden Marketing und die Tourist Information berichten, dass immer wieder mögliche Besucher der Stadt anrufen und nachfragen, ob es in Dresden überhaupt noch sicher sei. Das ist zwar irrational, weil die Kriminalität in der Stadt zwar gestiegen, aber immer noch deutlich unter der in den Großstädten der alten Bundesländer ist. Dennoch gibt es diesen psychologischen Effekt, der zu Stornierungen führt. Dresdner berichten auch immer wieder, dass sie, wenn sie in Deutschland beruflich oder privat unterwegs sind, sich für die Geschehnisse hier rechtfertigen müssen.

Der Ruf: Ereignisse in ganz Sachsen schaden dem Ruf der Landeshauptstadt

„Das zahlt alles auf das Konto ein“, sagt Oberbürgermeister Hilbert und meint damit, dass Dresden aus gesamtdeutscher Sicht im negativen Fokus steht, wenn vor einer brennenden Asylunterkunft Menschen klatschen, wie in Bautzen oder ankommende Flüchtlinge bedrängt werden, wie in Clausnitz – oder der aktuelle Einsatz der Spezialeinheit GSG9 wegen des Verdachts auf rechten Terror in Freital.

Die Auswirkungen: Spitzenkräfte sagen Angebote aus Dresden ab

Unternehmen berichten, dass ausländisch aussehende Mitarbeiter angepöbelt werden. Das spricht sich herum, und immer mehr Fachkräfte entscheiden sich für Angebote aus anderen Städten anstatt für hier. „Es entsteht für die Stadt ein immenser Schaden, wenn der Eindruck entsteht, dass Menschen aus anderen Ländern hier unwillkommen sind“, so Hilbert. „Dresden ist attraktiv, aber Dresden steht auch im Wettbewerb. Dass sich Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen hier ansiedeln und hier bleiben, investieren, ist keine Selbstverständlichkeit.“ Wenn ein Unternehmen weggehen würde, könnte das eine Abwärtsspirale auslösen. „Es gibt keine unproblematischen Branchen“, erklärt Hilbert und führt auch Dynamo Dresden an. Ein Szenario, in dem Dresden ohne Ausländer und ohne viele Firmen und Einrichtungen dasteht, möchte Hilbert nicht mal denken: „Ich möchte, dass unser Ruf wieder so wird, wie es Dresden eigentlich verdient hat.“