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Touristen dürfen an den Tatort

Die SZ stellt die zehn Ideen vor, die beim Innovationspreis Tourismus in der Endrunde sind. Heute: eine durchaus kriminelle Stadtführung in Görlitz.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Daniela Pfeiffer

Görlitz. Zuschauer haben am Tatort nichts verloren. Natürlich auch keine neugierigen Touristen. In Görlitz ist das anders. Hier sind Besucher an Tatorten ausdrücklich erwünscht. Allerdings nur an alten Tatorten.

Hierhin bringt Stadtführerin Karina Thiemann ihre Gäste. Mit der Führung „Görlitzer Kriminalfälle“ hat sie sich um den Innovationspreis Tourismus beworben, der im März verliehen wird und es unter die besten zehn geschafft. Ausgedacht hat sich Karina Thiemann diese besondere Führung im vergangenen Jahr, seit Frühjahr läuft sie bereits. „Und das sehr gut“, sagt Karina Thiemann. Sowohl die öffentlichen Führungen wie auch die oft bestellten privaten. Manchmal sind sogar Polizisten oder Staatsanwälte im Publikum.

Viele Besucher könnten sich an die Fälle erinnern. Allen voran die tragische Geschichte um die kleine Roswitha Buder, die 1965 in einem Haus gleich hinter dem Nikolaifriedhof ermordet worden war – vom Totengräber des Friedhofs. Klar führt die eineinhalbstündige Krimitour auch an diesen Tatort. „Ganz viele Leute erinnern sich heute noch daran, jeder hat ein bisschen dazu zu berichten“, sagt Frau Thiemann, die die Führung oft auch zusammen mit Kollegin Gudrun Burkhard macht. Die beiden Damen selbst haben ihren Wissensschatz aus Büchern, Artikeln und Gesprächen mit Görlitzern. Umfassend können sie so auch zum Broiler-Eddy berichten – der eigentlich Dietmar B. hieß und Broilerverkäufer am Demianiplatz war. Aber 2003 wurde er am Gardasee unter dem Verdacht, ein Mörder zu sein, festgenommen. Die italienische Polizei glaubte, dass er mehrere Frauen im See versenkt hat. Schon damals war er kein unbeschriebenes Blatt, hatte einen Puff betrieben, auch schon im Gefängnis gesessen. 2005 wurde er in München wegen Mordes an einer Frau, gefährlicher Körperverletzung, sexueller Nötigung und anderen Delikten zu lebenslanger Haft verurteilt. Kurz darauf erhängte sich der 61-Jährige in seiner Zelle.

So wie die Führung zu Beginn im vergangenen Frühjahr war, ist sie inzwischen nicht mehr. „Wir verändern immer mal was, markante Fälle bleiben, aber neue kommen dazu“, sagt Karina Thiemann. So wird bei der Führung auch auf den jüngsten spektakulären Mordfall in Görlitz eingegangen: den Mord an einem jungen Nieskyer, der im Januar 2017 in Weinhübel passierte. Natürlich kann die Führung aus Entfernungs-, aber auch aus ethischen Gründen nicht bis dorthin gehen. Zu frisch und emotionsbehaftet ist dieser Fall noch. „Aber wir gehen während der Führung an geeigneter Stelle darauf ein.“

Tatorte sind dabei nicht die einzige Spezialität von Karina Thiemann. Drehorte sind es ebenso. Seit einigen Jahren zeigt sie zusammen mit einem Kollegen Interessierten die Orte in Görlitz, an denen schon Dreharbeiten stattfanden und erzählt Geschichten dazu.

Die nächsten Krimi-Stadtführungen: 16. März, 7. April, 20. April, 5. Mai, 19. Mai (sowie auf Nachfrage). Start & Ziel ist der Obermarkt. Tickets gibt es bei der Görlitzinformation und bei ivent.