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Thüringen sucht den Präsidenten

Die Wahl eines Landtagspräsidenten ist zumeist eine Formsache. Anders in Thüringen: Da fiel der CDU-Bewerber durch.

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© dpa/Bodo Schackow

Von Eike Kellermann, Erfurt

Erfurt. Der Thüringer Landtag sucht knapp ein Jahr vor dem Ende der Wahlperiode einen neuen Präsidenten oder eine neue Präsidentin. Der Grund dafür ist, dass der bisherige Präsident Christian Carius (CDU) in die Wirtschaft wechseln will. Carius trat am 31. Oktober von seinem Amt zurück. Mit seiner Nachfolge tun sich die fünf Fraktionen im Landtag – CDU, Linke, SPD, AfD und Grüne –jedoch schwer.

Am vorigen Freitag fiel CDU-Kandidat Michael Heym bei der Wahl durch. Von 88 anwesenden Abgeordneten stimmten 40 für ihn, aber 48 gegen ihn. Spätestens seit dieser Klatsche gehen die Wogen in Erfurt hoch.

Die stärkste Fraktion hat das Recht, einen Bewerber vorzuschlagen. Es ist parlamentarische Gepflogenheit, dass die anderen ihn akzeptieren. Als Qualifikation verwies die CDU darauf, Heym gehöre seit 1999 dem Landtag an und leite den Petitionsausschuss. Doch die Parlamentsmehrheit aus Linke, SPD und Grünen machte schnell klar, dass sie ihn auf keinen Fall wählen wolle. Die Linkskoalition haderte bereits mit Carius. Jetzt scheint es ihre Absicht zu sein, einen genehmen Präsidenten zu erzwingen.

So bekam Heym von Linken-Fraktionschefin Susanne Hennig-Wellsow vorgehalten, dass er „nicht selten durch äußerst rechtskonservative Äußerungen“ auffalle. Ihr missfiel auch der „recht raue Ton, der verschiedentlich in sehr abwertenden Untertönen mündete“. Die Grünen beklagten, Heym habe sie in einer Landtagsdebatte 2010 als „vaterlandslose Gesellen“ und „fahrendes Volk“ bezeichnet.

Laut Vize-Präsidentin Dorothea Marx (SPD) kassierte der CDU-Politiker schon etliche Ordnungsrufe. Zum Beispiel dafür, dass er in einer Parlamentsdebatte, die sie leitete, rief: „Für jeden Scheiß gibt die da vorn einen Ordnungsruf.“ Zuvor sei AfD-Fraktionschef Björn Höcke verwarnt worden, weil er eine Grünen-Politikerin als „geistige Schlaftablette“ bezeichnet habe. Heym wird von Rot-Rot-Grün als AfD-nah empfunden.

Nach der peinlichen Nicht-Wahl eines neuen Präsidenten schoben sich die politischen Lager gegenseitig die Schuld in die Schuhe – die Landtagswahl 2019 lässt grüßen. CDU-Fraktionschef Mike Mohring sprach von einem „einzigartigen Vorgang“. Er hielt Linken, SPD und Grünen vor, „sich als moralische Instanz aufzuspielen“ und Heym „öffentlich beschädigt zu haben“. SPD-Fraktionschef Matthias Hey entgegnete: „Wenn es einen anderen Vorschlag gegeben hätte, hätte es das Gezerre nicht gegeben.“ Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD), der selbst nicht dem Landtag angehört, redete allen Parteien ins Gewissen: „Glaubt im Ernst jemand, dass man mit diesem Postenstreit bei den Menschen punkten kann?“

Voraussichtlich im Dezember unternimmt der Thüringer Landtag einen Neuanlauf zur Präsidentenwahl. Ob die CDU Heym wieder ins Rennen schickt oder einen neuen Kandidaten präsentiert, ist noch nicht entschieden. Ein wütender Fraktionschef Mohring machte aber schon mal klar: „Es geht nicht, dass wir so lange zu Rot-Rot-Grün gehen, bis denen unser Kandidat passt.“ Schließlich sei die Wahl des Landtagspräsidenten keine Show á la „Deutschland sucht den Superstar“.