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Teurer Müffel-Fisch

In Tausenden Betrieben in Deutschland baden Karpfen & Co. in feinstem Trinkwasser, damit sie am Ende auch schmecken. Ein Umweltproblem, dass Dresdner Forscher beheben wollen.

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© Alexander Raths

Von Jana Mundus

Der Karpfen starrt auf die Zitrone. Vermeintlich. Sehen kann er sie nicht mehr. Frisch zubereitet liegt der Silvesterkarpfen auf seinem großen Teller, das tote Auge regungslos auf die zitronigen und kartoffeligen Beilagen gerichtet. In einigen Familien hat der Fisch sogar zum Weihnachtsfest der Gans den Rang abgeschwommen. Das liegt im Trend. Der Fischkonsum steigt. Durchschnittlich fast 14 Kilogramm Fisch aß jeder Deutsche im vergangenen Jahr. Das sind zwar drei Kilogramm mehr als noch 1980, aber immer noch fünf Kilogramm unter dem Weltniveau. Die Menschen wollen Fisch – und der kommt längst nicht mehr nur aus Meer und Teich. Ein Geschmacksproblem.

...  Lachs ...
... Lachs ... © Alexander Raths
... oder Forelle, der Fischkonsum der Deutschen steigt.
... oder Forelle, der Fischkonsum der Deutschen steigt. © Alexander Raths
Ganz unscheinbar wirkt der neue Keramikfilter aus Dresden. Doch darin eingearbeiteter Kohlenstoff sorgt dafür, dass nichts mehr riecht.
Ganz unscheinbar wirkt der neue Keramikfilter aus Dresden. Doch darin eingearbeiteter Kohlenstoff sorgt dafür, dass nichts mehr riecht. © Fraunhofer IKTS

Thierbach liegt nicht am Ozean, auch nicht an einem großen See. Der Fipperbach schlängelt sich durch das überschaubare Fleckchen südlich von Leipzig und speist auch den kleinen Schlossteich am Ortsausgang. Trotzdem gibt es in Thierbach Fisch in rauen Mengen. Im Ort betreibt die Wermsdorfer Fisch GmbH ihre Produktionsstätte. Fische schwimmen hier nicht unter freiem Himmel, sondern in großen Behältern. Dort schlüpfen sie aus ihren Eiern, wachsen auf, werden zu dem, was Mensch gern in der Pfanne brät. Das sogenannte Aquafarming macht es möglich.

Das funktioniert auch anderswo. Schon seit vielen Jahren werden Fischkulturen ebenso in Teichanlagen gehalten oder in abgegrenzten, großen Käfigen im Meer. Oftmals sind Antibiotika oder andere chemische Mittel notwendig, damit der Fischbestand nicht erkrankt. Die Reste landen im Abwasser, werden zur Belastung für die Umwelt.

Geschlossene Kreislaufsysteme wie in Thierbach sollen genau das ausschließen. Filter mit feinen Membranen sorgen hier dafür, dass Rückstände von Futterzusatzstoffen, Chemikalien und Medikamenten aus dem Wasser verschwinden. Trotzdem sind für die Anlagen enorme Mengen an Frischwasser notwendig. Es gibt nämlich ein Problem. Durch Stoffe, die beim Zersetzen von Futtermittelresten und Fischkot entstehen, bekommen die Tiere einen erdigen, fast muffigen Geschmack. Diese Stoffe lassen sich mit bisherigen Filtern nicht entfernen. Sollen die Fische geschlachtet werden, müssen sie deshalb erst einmal vier Wochen in einem extra Becken baden. In das strömt ohne Pause frisches Trinkwasser. Das ist nicht gerade umweltfreundlich und schon gar nicht preiswert. Die Lösung für das Problem kommt jetzt aus Dresden.

Die Wissenschaftler vom Dresdner Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) schauten sich die Filter genauer an. Die von ihnen dafür neu entwickelte Keramikmembran kann mehr. In die Poren der Membran brachten die Forscher Kohlenstoff ein. Der sorgt nun dafür, dass auch muffige Geruchs- und Geschmacksstoffe herausgefiltert werden können. Das gereinigte Wasser lässt die Membran hindurch. Das kommt in Trinkwasserqualität in die Fischbehälter zurück. Mit heißem Dampf kann der Filter samt Membran regelmäßig gereinigt werden und ist dann wieder einsatzbereit.

Der Blick auf die Wasserrechnung könnte für Betreiber solcher Anlagen für Aquafarming in Zukunft also entspannter ausfallen. „Wir erwarten durch das neue Filtersystem Einsparungen von bis zu 10 000 Litern Wasser pro Tonne Fisch“, erklärt Burkhardt Faßauer vom IKTS. In Zusammenarbeit mit der Wermsdorfer Fisch GmbH und weiteren Industriepartnern soll die neue Membran nun getestet werden. Im Labor konnten die störenden Stoffe schon erfolgreich aus dem Wasser gefiltert werden.

Wenn die Idee aus Dresden in den nächsten Monaten in der Praxis überzeugt, könnte das 3 000 Chefs in Deutschland brennend interessieren. So viele Aquakulturbetriebe gibt es derzeit hierzulande. Sie produzieren pro Jahr 32 500 Tonnen Fisch. Schon jetzt kommt jeder zweite verspeiste Fisch aus solchen Anlagen. „Bis 2030 sollen es schätzungsweise schon zwei Drittel sein“, sagt Faßauer. Während Tierschützer die Haltung kritisieren, versuchen Produzenten so, die Nachfrage zu decken.

Deshalb planschen in den nächsten Wochen wieder Tausende Karpfen in feinstem Trinkwasser. Damit der Festtagsfisch nicht muffig schmeckt und keiner der Gäste angesäuert auf seinen Teller starrt.