Merken

Telemedizin hilft Schlaganfall-Patienten

Ein Hightech-Netzwerk verbindet die Häuser der Elblandkliniken miteinander – das spart entscheidende Minuten.

Teilen
Folgen
NEU!
© Claudia Hübschmann

Von Jens Fritzsche, Stefan Lehmann und Britta Veltzke

Riesa. Eine unterschätzte Gefahr ist das Thema Schlaganfall zwar längst nicht mehr; aber trotzdem noch immer die dritthäufigste Todesursache in Deutschland. „Bei der Behandlung von Schlaganfällen zählen Minuten“, sagt Dr. med. Martin Wolz. „Es geht darum, das Blutgerinnsel im Gehirn so schnell es geht aufzulösen.“ Wolz leitet die neurologische Klinik am Meißener Elblandklinikum.

Weil bei einem Schlaganfall schnelle Hilfe gefragt ist, gibt es das Netzwerk „Schlaganfallversorgung in Ost-Sachsen“ (SOS), das 2007 von Dresden aus geknüpft worden ist. Auch die Elblandkliniken in Meißen, Riesa und Radebeul sind darin organisiert. Der sperrige Name steht für eine im Prinzip einfache, aber vor allem erfolgreiche Idee. Denn wer etwa auf dem flachen Land einen Schlaganfall erleidet, kann trotz weiter Wege in die Fachklinik zügig auf professionelle Hochschulmedizin setzen. So kann schon nach wenigen Minuten beispielsweise im Krankenhaus Riesa eine genaue Diagnose gestellt werden.

Möglich macht das die sogenannte Telemedizin, quasi ein Computer, der mit Kamera und Mikrofon ausgestattet ist. „Wenn ein Schlaganfallpatient in der Riesaer Notfallaufnahme ankommt, können die Riesaer Kollegen uns in Meißen per Telemedizin dazu schalten“, erklärt Neurologe Martin Wolz. Das Klinikum in Meißen ist als sogenanntes Regionales Nebenzentrum SOS- Netzwerk organisiert. Hier sitzen Spezialisten, die den Patienten per Bildschirm und Mikrofon auf typische Symptome und Ausfallerscheinungen begutachten und eine Diagnose stellen können. Hinzugezogen werden dann auch ohne Zeitverlust die Untersuchungsergebnisse der Mediziner vor Ort; MRT- und CT-Aufnahmen des Gehirns.

1 000 Patienten pro Jahr

„Die im Regelfall angewendete Lyse-Therapie, bei der ein gerinsellösendes Medikament verabreicht wird, muss spätestens nach viereinhalb Stunden einsetzen“, unterstreicht Dr. Jessica Barlinn, die Leiterin des SOS-Netzwerks. Deshalb ist das Netz auch rund um die Uhr aktiv; „die Bereitschaftsärzte können sich beispielsweise auch nachts via Laptop von zu Hause aus einloggen“, so die Neurologin des Uniklinikums Dresden.

Der Landkreis Meißen ist dabei in einer deutlich komfortableren Lage als einige Regionen Ostsachsens, betont Martin Wolz und führt als Beispiel Zittau an. „Dort schaffen Sie es nicht, einen Schlaganfallpatienten rechtzeitig nach Dresden ans Uniklinikum zu bringen. In unserem Landkreis mit vergleichsweise kurzen Wegen ist es hingegen möglich, die Elblandklinik in Meißen zu erreichen.“ Deshalb versuche man in der Regel, Schlaganfallpatienten direkt nach Meißen zu bringen. Trotzdem werden im Krankenhaus Riesa jährlich immer noch etwa 30 bis 50 Schlaganfallpatienten im Jahr behandelt. Entweder, weil die Krankheit nicht erkannt wird, oder weil der Patient sich bereits im Krankenhaus befindet, wenn es passiert. In diesen Fällen kommt laut Wolz die Telemedizin zum Einsatz. Im Krankenhaus vor Ort erfolge dann die Akuttherapie, anschließend werde der Patient zur weiteren Behandlung nach Meißen verlegt. „In Meißen behandeln wir jährlich etwa 1 000 Schlaganfallpatienten aus dem ganzen Landkreis“, so der Neurologe.

Die Idee zu solchen Schlaganfall-Netzen von einer Uniklinik hinaus in die vermeintliche Provinz wurde in Bayern geboren. Elf Jahre nach der Gründung des Dresdner SOS-Netzes gehören insgesamt 13 Kliniken dazu. Bis nach Hoyerswerda und Görlitz reicht es, auch das Fachkrankenhaus in Arnsdorf ist eingebunden.

Weniger Todesfälle durchs Netzwerk

„Es geht einfach darum, auch Krankenhäuser an unsere hoch spezialisierten Möglichkeiten anzubinden, die selbst keine Neurologie mit Fachleuten für das Thema Schlaganfall haben“, erklärt Netzwerkleiterin Jessica Barlinn. Die Ärzte vor Ort bleiben dabei die behandelnden Ärzte für die Patienten, „holen sich aber bei uns den fachlichen Rat“. Wobei das Netzwerk nicht allein auf die Computer-Verbindung beschränkt ist. „Wir schulen zum Beispiel auch das Pflegepersonal, bieten entsprechende Weiterbildungen für Ergotherapeuten der Kliniken an, die mit den Schlaganfall-Patienten arbeiten“, zählt die Dresdnerin auf. Es gehe einfach darum, die Rahmenbedingungen vor Ort zu optimieren. Mindestens einmal pro Jahr kommen die Dresdner Spezialisten dazu in die verbundenen Krankenhäuser.

Mit messbarem Erfolg? „Das ist immer schwierig“, weiß Dr. Barlinn. Allerdings gibt es Studien, sagt sie, die zum Beispiel festgestellt haben, „dass durch das erste Netzwerk in Bayern der Grad der Behinderung und die Sterblichkeit nach Schlaganfällen in diesem Bereich spürbar zurückgegangen ist“. Für das Dresdner Netzwerk gibt es solche Untersuchungen zwar bisher noch nicht, „aber natürlich ist allein durch die schnellere Diagnose eine erfolgreiche Therapie in jedem Fall vorweisbar“, ist die Dresdner Medizinerin überzeugt.

www.neuro.med.tu-dresden.de/sos-net