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Superheld im Hinterhof

Jahrelang hat Rocco Zschuppe an seinem Iron-Man-Anzug getüftelt. Nun sollen seine Einsätze Wunder bewirken.

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© Sven Ellger

Von Henry Berndt

Dieser Superheld kann sich nicht selbst an der Nase kratzen, er kann nichts trinken, fast nichts sehen, er läuft wie King Kong mit zwei Gipsbeinen, und wenn er umfällt, dann liegt, da wie eine Schildkröte auf dem Rücken. Trotzdem findet die siebenjährige Selina ihren Papa mächtig cool, wie er da als Iron Man auf der Wiese hinter seinem Wohnhaus in Pieschen steht und einfach nur – ein Superheld ist.

Iron Man
Iron Man © Sven Ellger

Iron Man ist das Kraftpaket aus der gleichnamigen Filmreihe, die auf Marvel-Comics basiert. In den Filmen verleiht die High-Tech-Rüstung ihrem Träger übermenschliche Stärke, lässt ihn fliegen und mit Energiestrahlen schießen. All das kann Rocco Zschuppe weder mit noch ohne seine harte Schale, aber das stört den 31-Jährigen nicht. Dreieinhalb Jahre lang hat er an seinem Meisterwerk aus glasfaserverstärktem Kunststoff gebastelt. Seit wenigen Tagen ist seine Rüstung endlich fertig, abgesehen von kleinen Ergänzungen, die künftig noch seine grauen Socken und die Kniekehlen verbergen sollen. Die Rüstung glänzt in Rot und Gold, ist nicht sonderlich bequem und richtig schwer. Um die 30 Kilogramm. Warum bastelt ein junger Familienvater in Tausenden Stunden Kleinarbeit ein solches Monstrum?

Die Antwort erzählt nicht die Geschichte, die man spontan erwartet. Die von dem kleinen Jungen, der unbedingt selbst ein Superheld werden wollte und sich als Erwachsener letztlich diesen Traum erfüllt. Nein, für Rocco Zschuppe begann diese Geschichte mit einem Karnevalsspaß. Schon lange ist er Stammgast beim Radeburger Karneval. Mal trug er einen lustigen Hut, mal eine Perücke. Irgendwann hatte er die Idee mit dem Superhelden-Helm. Früher schaute er gern die „Power Rangers“ im Fernsehen, während Batman und Spiderman nie so sein Fall waren.

Iron Man gab da ein weitaus cooleres Bild ab. Als Karosseriebauer und Lackierer hatte Zschuppe beste Voraussetzungen, den Helm gleich selbst zu basteln. Beim nächsten Faschingsfest erntete er damit viele Ahs und Ohs. „Damit war die Sache eigentlich für mich erledigt“, erinnert er sich, „aber irgendwie sah der Helm allein doch komisch aus“. Eine komplette Rüstung, das wäre es doch! Und wie zufällig hat er doch auch eine gewisse Ähnlichkeit mit Robert Downey Jr., dem Hauptdarsteller der Hollywood-Filme. Also nichts wie ran ans Werk.

Am Computer entwarf Zschuppe zunächst die Formen der Einzelteile, druckte sie auf Papier und bastelte den Anzug im Leichtformat vor. Erst dann nahm er sich den glasfaserverstärkten Kunststoff, wie er auch beim Bootsbau verwendet wird, und brachte ihn nach und nach in Form. „Ich wollte beweisen, was man allein mit seinen Händen schaffen kann“, sagt er. Ein finanzielles Budget setzte er sich dabei nie. Das Ganze habe aber „weniger als ein Kleinwagen“ gekostet.

Am Ende wurde die Rüstung noch mit technischen Raffinessen versehen: Die Hände, die Brust und die Augen leuchten auf Wunsch. Das Visier kann automatisch hoch- und runterfahren. Beim An- und Ausziehen des Anzugs braucht Zschuppe nun aber doch Hilfe. Bis jetzt übernimmt das meist sein Papa Michael, der schon genau weiß, wo welches Teil hingehört und wie welche Schnalle festzumachen ist.

Eingefleischte Marvel-Fans werden erkennen, dass die Proportionen nicht hundertprozentig mit dem Original übereinstimmen, aber das war schlichtweg nicht möglich. Der Kopf wäre dann viel zu klein, die Beine dünn wie Gurken. Gerade so passt Rocco Zschuppe in seine maßgeschneiderte Eigenproduktion, die mit großer Sicherheit niemals ein anderer wird anprobieren dürfen. Er hofft, dass er in einem Jahr überhaupt selbst noch hineinpasst. „An der Hüfte darf da gar nichts mehr passieren, und auch an den Knien ist es schon sehr knapp“ sagt er. Etwa eine Stunde am Stück hält er es in der Rüstung aus, dann ist er entweder überhitzt, oder seine Schultern machen nicht mehr mit. Gegen die Hitze unterm Panzer will er demnächst noch eine Kühlung einbauen.

Längst ist sein Iron Man auch im Internet im Gespräch. Sein Facebook-Profil dreht sich um nichts anderes. Auch auf Insta-gram und Youtube ist er verteten. Fast jeden Tag erreichen ihn Anfragen von Fans, auch aus Indien und China. „Viele fragen mich nach dem Preis oder wollen, dass ich drei oder vier Stück für sie nachbaue“, sagt Rocco. Doch die Rüstung bleibt ein Unikat. Statt damit Geld zu verdienen, was wegen markenrechtlichen Problemen auch kaum möglich wäre, will er sich als „Rocco Ironman“ künftig sozial engagieren, zum Beispiel kranken Kindern ein bisschen Abwechslung bieten. Erste Kontakte zum Hospiz in Radebeul sind schon geknüpft. Außerdem hat er sich beim Verein „Helden für Herzen“ registrieren lassen, der deutschlandweit Superhelden vermittelt. „Jetzt bin ich aber erst einmal froh, dass der Anzug fertig ist.“

Froh darüber sind auch seine Frau und sein Töchterchen Selina, weil Papa jetzt hoffentlich wieder ein bisschen mehr Zeit für sie hat. Was ist eigentlich Selinas Lieblings-Superheld? Die Antwort kommt prompt: Donald Duck!