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Suche nach Weltkriegsvermissten endet 2023

Das Interesse am ungeklärten Schicksal Angehöriger ist ungebrochen. Beim DRK gehen weiter Tausende Anfragen ein.

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© dpa

Von Tobias Wolf

Berlin/Dresden. Wer noch etwas über verschollene Angehörige erfahren will, muss sich beeilen. Trotz ungebrochen hoher Nachfrage soll im Jahr 2023 die Suche nach Vermissten des Zweiten Weltkriegs auslaufen. Allein in diesem Jahr seien bis Juli über 4 000 Suchanfragen beim Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) eingegangen, sagte Rudolf Seiters, Präsident der Organisation. „Das Thema Zweiter Weltkrieg und Vertreibung bewegt die deutsche Gesellschaft bis heute.“

Vor allem Kinder und Enkel seien an dem Schicksal ihrer Angehörigen aus dem Zweiten Weltkrieg interessiert. 2016 seien es knapp 9 000 Anfragen gewesen. In 40  Prozent der Fälle konnten Familien Auskünfte zum Schicksal ihrer Angehörigen gegeben werden. Für viele Menschen ist die Aufklärung selbst nach Jahrzehnten der Ungewissheit häufig ein gewisser Trost, auch wenn die Suche oft mit einer Todesnachricht endet. In Sachsen gibt es jährlich etwa 120 solche Suchanfragen.

Das DRK geht davon aus, dass die vom Bundesinnenministerium mit jährlich 11,5 Millionen Euro geförderte Suche in Zukunft an Bedeutung verliert. Der Familiensuchdienst war nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet worden, als viele Menschen Angehörige vermissten, deren Spur sich auf der Flucht, den Schlachtfeldern oder in Kriegsgefangenschaft verloren hatte. Daten von bis zu 20 Millionen Menschen, die vermisst wurden, liegen vor. 1,3 Millionen Fälle sind noch ungeklärt.

Inzwischen nehmen Anfragen von Flüchtlingen zu, die auf dem Weg nach Deutschland die Verbindung zu Angehörigen verloren haben. Gut 2 800 Fälle waren das 2016. Hauptherkunftsländer der Suchenden und Gesuchten waren Afghanistan, Syrien und Somalia. In diesem Jahr sind bisher rund 1 200 registriert, darunter über 300 unbegleitete Minderjährige. Weltweit wandten sich fast eine Million Menschen an die Büros des Internationalen Rotkreuz-Komitees. „Heute gibt es mehr Flüchtlinge als je seit 1945 und die Migration hat einen Rekordstand erreicht“, sagt Martin Schüepp, Vize-Chef des Komitees für Europa und Zentralasien. Nicht nur die Zahl verschollener Migranten nehme zu, sondern auch die Zahl von Vermissten in bewaffneten Konflikten. Datenbanken und Gesichtserkennungsprogramme erleichtern den Suchdiensten heute die Arbeit.

Ganz klassisch über die Suche in alten Papierarchiven hat ein durch die Kriegswirren vor 72 Jahren auseinandergerissenes Geschwisterpaar wieder zueinander gefunden. Seine Recherchen führten einen heute 74-jährigen Glauchauer auf die Spur seiner inzwischen 79-jährigen Schwester, die in Mecklenburg-Vorpommern lebt.