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Stromer auf der Überholspur

Das Therapiezentrum Reha Salus aus Großpostwitz stellt seine Fahrzeugflotte auf E-Mobile um. Das rechnet sich, sagt die Chefin.

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© Uwe Soeder

Von Miriam Schönbach

Großpostwitz. Der typische Auto-Sound fehlt. Stattdessen rollt Margrit Weißig fast geräuschlos mit ihrem neuen Renault Zoe über den Platz. Auch beim letzten Test schneidet der kleine Stromer bei der Geschäftsführerin von RehaSalus Oberlausitz mit Bestnoten ab. Das vollelektrische Auto soll in Zukunft die Flotte des Therapiezentrums aus Großpostwitz verstärken. „Das ist schon unser zweites Fahrzeug mit einem Elektromotor, ein weiteres soll noch bis Ende des Jahres dazu kommen“, sagt die 47-Jährige.

Entscheidend für den Kauf des ersten E-Mobils war eine knallharte betriebswirtschaftliche Rechnung. Schließlich sorgt ein Photovoltaik-Dach auf dem Neubau in der Straße „An der Lessingschule“ seit drei Jahren für den nötigen Strom im Therapiezentrum. Gleichzeitig stellten die Gesundheitsexperten fest, dass die Kosten für ihre bisherigen Fahrzeuge mit normalen Diesel- und Benzinmotoren Jahr für Jahr steigen. „Bei unseren Hol- und Bringediensten zur Reha, zum Arzt, ins Krankenhaus und bei den Hausbesuchen der Ergo- und Physiotherapie legen wir etwa 300 000 Kilometer pro Jahr zurück“, sagt Margrit Weißig.

300 000 Kilometer pro Jahr

Ihr Solardach mit bereits zwei E-Tankstellen auf dem RehaSalus-Gelände in Kombination mit den hohen Fahrtkosten brachte die Geschäftsführerin und ihr Team dazu, nach Alternativen zu suchen. Das Thema E-Mobilität lag auf der Hand. Doch es gab auch Zweifel: Bestehen die vorhandenen Modelle überhaupt den Praxistest? Schließlich müssen die Autos für die Hol- und Bringedienste größer als ein Kleinwagen sein. Bei einer Fahrt zu Hausbesuchen oder in ein weiter entferntes Krankenhaus dürfen sie nicht liegen bleiben, weil der Akku nur für eine bestimmte Strecke reicht.

Doch solche Überlegungen brachten Margrit Weißig nicht von ihrem Plan ab. Stattdessen kaufte sie für das Unternehmen einen Mini-E-Bus mit Automatik von Nissan. „Diese Fahrzeuge haben sofort Energie. Am Wurbisberg lassen wir jedes andere Auto hinter uns. Und auch das Duell an der Ampel gewinnen die Stromer. Nur mal eben nach Berlin fahren – das geht nicht“, sagt die gelernte Physiotherapeutin.

Dass die neue Technik Tücken hat, bemerkt sie ausgerechnet bei einem der ersten Ausflüge. Auf dem Weg nach Dresden ist plötzlich der Strom alle. Auf der Suche nach Hilfe lernt Margit Weißig eine ganze Hausgemeinschaft kennen. Schließlich werden etliche Verlängerungskabel gebraucht, um den neuen Wagen an einer Steckdose aufzuladen. Seitdem kann die Geschäftsführerin eine lustige Anekdote mehr erzählen – und Probleme gab es auch nicht mehr. Der geräuschlose Mini-Bus dreht kostengünstig und wartungsarm seine Runden. Eingesetzt wird er hauptsächlich im Oberland und rund um Bautzen. Bei längeren Touren hilft eine App, die das E-Tankstellen-Netz anzeigt.

Das zweite E-Fahrzeug des Therapiezentrums sollen jetzt die Ergo- und Physiotherapeuten nutzen. Denn der steigende Altersdurchschnitt erfordert immer mehr Hausbesuche. „Die Mobilität wird weniger, die Pflege aufwendiger. Das heißt für uns: Die Fahrten effizient planen“, sagt Margrit Weißig. In der RehaSalus-Gruppe arbeiten 70 Mitarbeiter. Pro Woche betreuen sie 2 500 bis 3 000 Menschen – vom Baby-Schwimmkurs bis zum Hausbesuch.

Nachfrage wächst

Dass die Nachfrage nach E-Mobilen steigt, merkt auch Betriebswirt Michael John vom Renault-Autohaus Büchner in Bautzen. „Innerhalb unserer Gruppe haben wir in diesem Jahr schon 33 vollelektrische Fahrzeuge ausgeliefert“, sagt er. Zum Vergleich: Im Jahr 2016 waren es bei den Büchner-Autohäusern 13 Stromer. Viele Fahrzeughalter würden aber auf Nummer sicher gehen und sich für ein Hybrid-Modell entscheiden. Das sind Fahrzeuge, die bei Bedarf von Strom auf normalen Kraftstoff umstellen können.

Das erste E-Mobil wurde im Landkreis Bautzen 2009 angemeldet. Seitdem kommen nach Auskunft von Kreissprecherin Dunja Reichelt etwa zehn neue Fahrzeuge pro Jahr hinzu. Laut der Statistik des Kraftfahrtbundesamtes waren am Anfang dieses Jahres 144 Elektrofahrzeuge im Landkreis zugelassen, darunter 70 Hybrid-Fahrzeuge. Gemessen an der Zahl der Autos in der Region ist das freilich nicht viel: Laut Landratamt sind auf den Straßen des Kreises mehr als 250 000 Fahrzeuge unterwegs.

Damit ist die Region allerdings keine Ausnahme: Auch deutschlandweit sind die E-Mobile noch immer die Ausnahme. Zum 1. Januar 2018 waren in Deutschland 98 280 Elektrofahrzeuge angemeldet, knapp die Hälfte davon waren Hybrid-Autos. „Zu diesem Stichtag entspricht das einem Anteil von 0,2 Prozent an allen zugelassenen Fahrzeugen“, sagt Marcel Bellmann von der Energieagentur im Kreis Bautzen. Für ihn ist das Therapiezentrum RehaSalus Oberlausitz ein Vorreiter beim Thema E-Mobilität. Nachholbedarf sieht der Experte für erneuerbare Energien vor allem bei der öffentlichen Hand. Immerhin: Die Kreisverwaltung testet derzeit ein Elektrofahrzeug. Außerdem erstellt der Kreis ein E-Mobilitäts-Konzept.

31 öffentliche „Zapfsäulen“

Eine wichtige Frage lautet dabei: Wo können die neuen Stromer aufgeladen werden? Das Netz an Stromtankstellen ist in den vergangenen Jahren gewachsen. Im Landkreis Bautzen gibt es 31 öffentliche „Zapfsäulen“ – und quasi jede Wohnung sei ja eine Stromtankstelle, sagt Marcel Bellmann. „Bei einer täglichen Pendelstrecke von 30 Kilometern ist das Auto an der normalen Steckdose bereits nach zwei bis drei Stunden wieder aufgeladen. Für eine positive Ökobilanz sollte der Strom aus erneuerbaren Energien, wie zum Beispiel einer eigenen Photovoltaik-Anlage mit Stromspeicher kommen, so wie bei RehaSalus“, sagt der E-Mobilitäts-Berater.

Geschäftsführerin Margrit Weißig ist überzeugt: Das Therapiezentrum hat in Sachen Mobilität den richtigen Weg eingeschlagen. Aufgrund der Effizienz und der guten Energiebilanz will sie einen Großteil der Flotte auf E-Mobile umrüsten.