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Streit um Bosch-Grundstück im Dresdner Norden

Der Stuttgarter Technologie-Konzern baut seit Monaten an einer neuen Chipfabrik, die der Stadt 700 Arbeitsplätze bringen soll. Andere Immobilienbesitzer wollen das offenbar verhindern.

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© Jürgen-M. Schulter

Von Tobias Wolf und Georg Moeritz

Dresden. Seit April baut der Bosch-Konzern im Dresdner Norden an einer neuen Chip-Fabrik. 700 Arbeitsplätze sollen im Gewerbegebiet Rähnitz entstehen, mindestens eine Milliarde Euro investiert werden. Dresden hatte sich im Standort-Wettbewerb gegen starke Konkurrenten wie Singapur und New York durchgesetzt.

Doch nun gibt es ein Problem um das 100 000 Quadratmeter große Grundstück im Gewerbegebiet Dresden-Rähnitz. Nach SZ-Informationen soll eine Gruppe von Besitzern anderer Immobilien in dem Gebiet Widerspruch gegen eine Teilgenehmigung des Baus eingelegt haben. Es soll um Immissionsschutzfragen gehen, beispielsweise Luftverunreinigungen, Lärm und ähnliche Umwelteinwirkungen.

Im Rathaus ist man alarmiert. Aus einem internen Papier der Stadtverwaltung geht hervor, das sich für Bosch daraus eine große Unsicherheit ergebe, welche die gesamte Entscheidung für den Standort Dresden und die weiteren Bauarbeiten in Frage stellt. Denn das bislang modernste Halbleiterwerk des Stuttgarter Konzerns soll bereits Ende 2019 fertiggestellt sein. Die Fertigung von Produkten für Fahrzeuge und das Internet der Dinge soll laut Bosch zwei Jahre später beginnen.

Nach SZ-Informationen könnte es vor allem ein Problem bei künftigen Erweiterungen geben, wenn sich die Immobilienbesitzer mit ihrem Widerspruch durchsetzen. Möglicherweise wollen sie alte Rechnungen wegen anderer Bauprojekte in der Stadt begleichen. „Im Grunde will man verhindern, dass etwas gebaut wird“, so ein Insider aus dem Immobilienbereich.

Die Stadtverwaltung will sich erst in den kommenden Tagen zu dem Fall äußern. „Aufgrund der Komplexität der Materie und der Vielzahl an involvierten Akteuren in dem Verfahren können wir heute noch keine inhaltliche Aussage dazu treffen“, so ein Rathaussprecher.

Bosch-Sprecher Sven Kahn stellt klar: „Wir haben eine Baugenehmigung und wir sind voll im Zeitplan.“ Das Unternehmen wisse von dem Widerspruch gegen die Baugenehmigung, sieht darin aber derzeit keine Gefahr für die Werkspläne. Bis zum Winter soll das Gebäude wetterdicht sein, anschließend beginnt der Innenausbau und die Maschinen für die Chipfertigung sollen Stück für Stück einziehen.

Die Stadt will nun im Eilverfahren einen neuen Bebauungsplan für den nördlichen Bereich des Gewerbegebiets Rähnitz neben dem Autobahndreieck Dresden-Nord festlegen, um das Problem zu lösen und die Ansiedlung von Bosch und anderen Industriebetrieben zu befördern. Würden dort Einzelhandelsbetriebe, Hotels oder Wohnungen gebaut, wäre die gewerbliche Entwicklung und die Schaffung neuer Industriearbeitsplätze kaum mehr möglich.

Dazu müssen laut einer Vorlage für den Stadtrat etwa neue Schallschutzregelungen erlassen werden. Die Details des bisherigen Plans aus den 1990er-Jahren stellten sich zunehmend als Hindernisse bei der Ansiedlung hochwertiger Industriearbeitsplätze dar, so die Planer. Bosch bewertet das positiv. „Wir begrüßen grundsätzlich, dass die Stadt den Bebauungsplan weiter entwickeln will“, sagt Sprecher Kahn. „Das schafft Klarheit für alle weiteren Interessenten in dem Gebiet.“

Erst im Frühjahr war ein anderer Fabrikbau gleich nebenan gestoppt worden, der 500 Arbeitsplätze bringen sollte. Unmittelbar neben dem Bosch-Grundstück wollte der Tabakkonzern Philip Morris eine Fabrik bauen, die ähnlich aufgebaut sein sollte wie ein Werk in Norditalien. Der Konzern hatte den Bauplatz schon gekauft und mit Tiefbau-Vorbereitungen begonnen. Doch die angekündigte Feier zum Baubeginn fand nie statt. Philip Morris nannte im Juni nicht baurechtliche Probleme wie im Fall Bosch, sondern wirtschaftliche Gründe für die „Unterbrechung“ des Vorhabens.

Die neue Fabrik sollte Tabakstäbchen herstellen, die im elektronischen Mundstück namens „Iqos“ erhitzt statt verbrannt werden. Für diese Alternative zur Zigarette hat der Tabakkonzern stark geworben, aber nach Firmen-Angaben reichte die Nachfrage nicht für eine zusätzliche Fabrik. 275 Millionen Euro sollten investiert werden, Mitte 2019 sollte die Produktion beginnen. Davon ist keine Rede mehr.