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Streit oder Politik für Dresden?

Die Stadtratsmehrheit hat Probleme. Ihr Gegner nennt das „einfach nur peinlich“. Eine Analyse.

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© Archivbild/Christian Juppe

Von Andreas Weller

In knapp einem Jahr wählen die Dresdner den neuen Stadtrat. Fast vier Jahre stellt nun die Kooperation aus Linken, Grünen und SPD die Mehrheit. Sie tritt in der Öffentlichkeit eher mit Streit in Erscheinung. Vergangene Woche gab es Chaos, das darin gipfelte, dass die Mehrheit bei einer entscheidenden Abstimmung nicht zustande kam. Dabei hat Rot-Grün-Rot bereits einiges verändert. Eine Analyse:

Viele Punkte umgesetzt: Allerdings werden Erfolge schlecht verkauft.

Sozialer, ökologischer und kulturvoller sollte Dresden unter der Mehrheit werden. Vom Sozialticket, der Ombudsstelle für Hartz-IV-Bezieher über Investitionen in Schulen und Kitas, dem Handlungsprogramm für ein vielfältiges und weltoffenes Dresden, den Ausbau der Radwege bis zum Luftreinhalteplan und mehr Bürgerbeteiligung – etwa bei der Bebauung des Königsufers und des Neustädter Marktes – wurde viel erreicht. Die meisten Punkte aus der Vereinbarung von 2014 wurden umgesetzt oder zumindest begonnen. In der eigenen Darstellung wird von Einzelnen immer mehr gefordert, das führt zu Problemen.

Offene Baustellen: Sozialwohnungen und Schulen hinken hinterher.

Das größte Vorhaben von Rot-Grün-Rot war die neue städtische Wohnungsbaugesellschaft und damit das Schaffen von Sozialwohnungen, um vor allem Bedürftige bei den stetig steigenden Mieten versorgen zu können. Bei einigen privaten Bauprojekten haben die Räte den Investoren abgerungen, dass 15 Prozent der Wohnungen zu sozialverträglichen Mieten angeboten werden. Die städtische „Wohnen in Dresden“ (WID) ist gegründet und arbeitet. Allerdings wurde der Start zuvor immer wieder verzögert. Zunächst musste auf eine Förderrichtlinie vom Land gewartet werden, dann gab es Zoff unter den Politikern um Details, und dann brauchte die Verwaltung sehr lange für die Ausgestaltung. Bis zur Wahl im Mai 2019 werden wenn überhaupt sehr wenige Wohnungen fertig. Das wird der politische Gegner im Wahlkampf ausnutzen. Ähnlich ist es beim Gymnasium Gorbitz: Es gibt Pläne, aber noch keinen Standort. Das Projekt Unischule ist zunächst gescheitert.

Interner Streit: Die Politikerbremsen sich gegenseitig aus.

Am Anfang der Kooperation standen vor allem die Grünen im Mittelpunkt, weil sie sich untereinander nicht grün waren. Danach übernahm die SPD diese Rolle. Das interne Hickhack führte auch zum Streit der Kooperation insgesamt. So wurde beispielsweise gegen den Willen von Linken und Grünen ein Bettelverbot für Kinder durchgesetzt. Das Zerwürfnis in diesen Punkten blitzt immer wieder auf, gegenseitige öffentliche Vorhaltungen und mangelndes Vertrauen untereinander führen zu Missmut und Anfeindungen.

Alleingänge: Regelmäßig werden die Partner überrumpelt.

Zu politischen Alleingängen ist es immer wieder gekommen. Deshalb haben die drei Fraktionen in der zweiten Vereinbarung 2016 auch festgeschrieben, dass Anträge immer mit den Partnern vorher abzusprechen sind. Doch auch das nutzte nicht viel. Am Ende ärgerten sich Linke und SPD über die Grünen, weil sie eine Straße nach Guernica benennen oder das Sportklettern fördern wollten, ohne die anderen zu fragen. Die Linke hatte sich lange beim Alten Leipziger Bahnhof bedeckt gehalten, um dann alleine ein Papier vorzulegen, wonach dort Wohnungen entstehen sollen. Ähnlich lief es bei dem Versuch, Stadtbezirksbeiräte einzuführen, die direkt gewählt werden. Grüne und Linke ärgern sich, wenn SPD-Stadträte auf Sicherheits- und Autofahrerpolitik setzen. So etwa bei der Diskussion um die Drogenprobleme am Wiener Platz, das Bettelverbot und jüngst, als ein SPD-Stadtrat ein Plädoyer zum Schutz von Autofahrern hielt, als es im Stadtrat um den Neustädter Markt ging. Die SPD hat bereits mehrfach mit der CDU gegen die Kooperation gestimmt, was für Ärger sorgte.

Der Gipfel: Wenn der Mehrheit plötzlich eine Stimme fehlt.

Am vergangenen Donnerstag ist es passiert: Bei der Abstimmung zur Änderung der Hauptsatzung gab es die erforderliche Mehrheit nicht. Ein SPD-Stadtrat war kurz zuvor gegangen. Damit platzte ein Schlüsselprojekt zunächst. Rot-Grün-Rot will die Stadtteile stärken, deren Vertreter künftig direkt wählen lassen, sie mit Geld für die Stadtbezirksangelegenheiten ausstatten und alle Ortschaften bis 2034 auf die Bezirke aufteilen. Eine Panne, die für Häme sorgt. „Einfach nur peinlich“, kommentierte das CDU-Fraktionschef Jan Donhauser. Nun muss erneut abgestimmt werden.

Zusammenhalt: In wesentlichen Punkten setzt man sich durch.

Trotz aller Streitigkeiten hielt die Kooperation in Grundsatzfragen immer zusammen. Der Haushalt für 2017/2018 war so eine Grundsatzentscheidung. Nach langen Verhandlungen haben alle Seiten die für sie wesentlichen Punkte untergebracht. Mit der CDU war dagegen keine Einigung zu finden. Das Wichtigste für Dresden ist: Die Kooperation hält sich an die Finanzdisziplin. Es wurden keine neuen Schulden gemacht. Auch beim Radwegebau, den Schulen, der Königsbrücker Straße, dem Promenadenring und vielen sozialen Projekten war man sich einig.

Problem Wahlkampf: Noch mehr Zoff oder Einigkeit für die Projekte?

Der bevorstehende Wahlkampf dürfte für weiteren Zündstoff in der Kooperation sorgen. Eigentlich müssen die drei Fraktionen zusammenhalten, um ihre Ziele zu erreichen. Aber jede Partei muss auch um die Gunst ihrer Wähler werben und sich abgrenzen. Das kann für neuen Zoff sorgen.