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Strategie gegen wilde Graffiti

Illegale Sprüher verüben mehr als 1 500 Straftaten. An der Weißeritz wird gezeigt, was dagegen unternommen werden kann.

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© Marion Doering

Von Peter Hilbert

Eberhard Kien liebt Dresden. Umso mehr ärgert sich der 83-Jährige, was er täglich sieht: wilde Graffiti-Schmierereien. In der Kulturstadt schrecken illegale Sprüher selbst vor Sandsteinflächen, die in der Szene eigentlich tabu sind, nicht zurück.

... am Ebertplatz ...
... am Ebertplatz ... © Marion Doering
... und am  Friedrichstädter Pegelhäuschen ...
... und am Friedrichstädter Pegelhäuschen ... © Marion Doering
... sowie am Lok-Sportplatz.
... sowie am Lok-Sportplatz. © Marion Doering

Wilde Sprühereien prangen am Durchgang des Bahnhofs Mitte, an den erst frisch gereinigten neuen Sandstein-Brüstungen der Albertbrücke und an vielen anderen Stellen. „Ich ärgere mich, dass sich offenbar keiner verpflichtet fühlt, etwas dagegen zu unternehmen“, sagt der Senior. Diejenigen, die erwischt werden, sollten gepfefferte Strafen bekommen, findet er. Schließlich richten sie enorme Schäden an.

Immer mehr Brücken sowie Stütz- und Lärmschutzwände werden in Dresden beschmiert, teilt Rathaussprecher Karl Schuricht mit. Waren es 2014 noch 87 wilde Schmierereien, so wurden 2016 schon 118 gezählt. Tendenz steigend. Dadurch entstehen jährlich Schäden von rund 50 000 Euro. Werden die wilden Sprüher geschnappt, zahlen sie zwar für den Schaden. Beim Großteil ist das aber nicht der Fall. Also bleibt die Stadt weitgehend auf den Kosten sitzen, wenn sie die Graffiti wieder beseitigen lässt.

Die Strafverfolgung: Nur ein Zehntel der Fälle wird aufgeklärt

Insgesamt ist die Tendenz der Graffiti-Straftaten in Dresden gleichbleibend, resümiert Polizeisprecher Marko Laske. Wurden 2015 noch 1 627 Fälle registriert, so waren es 1 450 im Jahr 2016 und 1 520 im vergangenen Jahr. Nur etwa ein Zehntel dieser Straftaten kann aufgeklärt werden. In den vergangenen Jahren lag die Quote zwischen sieben und zwölf Prozent, so Laske.

Das gute Beispiel: Junge Sprayer bekommen an Weißeritz eine Chance

Mit wilden Schmierereien hat auch Reinhard Scholz zu kämpfen. Der Projektleiter der Landestalsperrenverwaltung kümmert sich seit 2009 um den flutsicheren Ausbau der Weißeritz, der weit fortgeschritten ist. Wie er den zügigen Ausbau als Herausforderung sieht, waren das für wilde Sprüher die neuen Sandsteinflächen. So mussten unterhalb der Brücke Löbtauer Straße Graffiti von Ufermauern entfernt werden.

Also kam er auf die Idee, eine sinnvolle Strategie zu entwickeln, um dies zu verhindern oder die Schäden in Grenzen zu halten. Scholz nahm Kontakt zum Jugend- und Kulturzentrum Spike in Leubnitz-Neuostra auf. Dort bekommen junge Leute aus der Graffiti- und Streetart-Szene die Chance, sich legal zu betätigen. Als Beispiel führt Vorstandsvorsitzende Ellen Demnitz-Schmidt gegenüber der SZ Projekte mit jungen Sprayern in Gorbitz an, wo ein Dschungel-, ein Comic- und ein Unterwassertunnel gestaltet wurden. „Sie sollen sich verwirklichen können“, sagt die Spike-Chefin. Scholz ging auf sie zu und versuchte, einen Kompromiss für die Gestaltung von Bauwerken an der Weißeritz zu finden. „Als Auftraggeber sind wir sehr bieder“, räumt er ein. Also wurde versucht, Kompromisse zu finden, sodass sich die Motive Wasser und Bau auf den neuen Flächen an der Weißeritz wiederfinden.

Die Projekte: Friedrichstädter Pegelhaus und Flusszufahrten hübsch gestaltet

2014 war der Auftakt am Lok-Sportplatz am Emerich-Ambros-Ufer. Die Wand einer Gewässerzufahrt, über die Wartungsfahrzeuge rollen, wurde mit kecken Motiven wie Bibern und Baggern gestaltet. „Dabei hat unser Projektleiter junge Graffitisprayer einbezogen“, sagt die Spike-Chefin. „Es ist total klasse geworden“, findet Scholz. Ein Jahr später folgte die Weißeritz-Zufahrt oberhalb der Brücke Kesselsdorfer Straße.

2016 gestaltete ein Künstlerkollektiv das neue Friedrichstädter Pegelhäuschen am Emerich-Ambros-Ufer mit Fischen und weiteren Wasser-Motiven. „Das ist hübsch gemacht“, erklärt Demnitz-Schmidt. Derzeit wird noch die Gewässerzufahrt unterhalb der Brücke Fröbelstraße von jungen Dresdnern mit stilisierten Wassertropfen gestaltet.

Die Vorsorge: Sandsteinwände am Fluss werden vor Schmierereien geschützt

Der zweite Punkt von Scholz’ Strategie gegen wilde Graffiti ist eine spezielle Sandstein-Beschichtung. Dabei ist derzeit Marcel Muschert mit seiner Spezialfirma aus dem thüringischen Unterwellenborn an der Weißeritz im Einsatz. Der Unternehmer lässt die wasser- und schmutzabweisende Beschichtung in seiner Manufaktur mit acht Mitarbeitern selbst herstellen. Die Emulsion wird dann auf die Flächen aufgesprüht. „Sie hat eine tollen Abperleffekt“, versichert der 44-Jährige. Werden Graffiti aufgesprüht, haften viele Farben nicht, andere hingegen schon.

In dem Fall wird pflanzlicher Reiniger auf Orangenbasis aufgesprüht, der kurz einwirken muss. Mit dem Hochdruckreiniger wird die Farbe dann entfernt. „In zehn Minuten können wir so einen Quadratmeter reinigen“, sagt er.