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Strafen für Zugausfälle

Der VVO passt auf, dass die Bahnunternehmen die Verträge einhalten. Trotzdem fährt erneut Ersatzverkehr.

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© VVO

Von Maik Brückner

Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Über mehrere Tage lief der Zugbetrieb im Müglitztal nach Plan. Am Sonntag allerdings änderte sich das. Seitdem gibt es massive Zugausfälle. Zwischen Neustadt und Sebnitz fährt bis Ende September keine Bahn und mehrfach pro Woche fallen auch zwischen Pirna und Neustadt Züge aus. Kunden werden immer erst kurzfristig über den Schienenersatzverkehr informiert – entweder wenige Stunden vorher auf der Internetseite der Städtebahn oder im schlimmsten Fall direkt am Gleis.

Die Städtebahn Sachsen führt mehrere Gründe für die aktuellen Ausfälle an. So seien nach dem Wetterumschwung kurzfristig Krankmeldungen eingegangen, erklärt Geschäftsführer Torsten Sewerin. Zudem müsse sein Unternehmen vier Lokführer für den Betriebsrat und zwei weitere für die Tarifkommission der Gewerkschaft freistellen. Manche Sitzungen werden sehr kurzfristig einberufen. Das verschärfe die angespannte Personalsituation. Bei ungünstigen Konstellationen fehlen sechs Lokführer. Außerdem greife nun die neue Betriebsvereinbarung, wonach sein Unternehmen angehalten ist, die Mitarbeiter am Wochenende vor und nach dem Urlaub freizustellen. Das könne dazu führen, dass die Bahnkunden an den Wochenenden weiterhin mit Schienenersatzverkehr rechnen müssen.

Genervt von der Situation sind vor allem die Fahrgäste. Aber auch der Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) ist unzufrieden, der die Städtebahn vertraglich zum Betrieb der Strecken im Müglitztal und zwischen Pirna und Sebnitz verpflichtet hat. Die SZ erklärt, mit welchen Maßnahmen der VVO auf den aktuellen Schienenersatzverkehr reagiert.

Wie reagiert der VVO auf Zugausfälle?

Zwei Mitarbeiter im VVO kontrollieren die beauftragten Unternehmen, wie beispielsweise die Städtebahn, Trilex und die Deutsche Bahn. Sie rechnen aus, was für einen ausgefallenen Zug einbehalten wird. Fällt eine Fahrt ohne Ersatz aus und das Bahnunternehmen ist selber dafür verantwortlich, dann fällt pro Zugkilometer eine Strafe an – und der Zug wird auch nicht bezahlt. „Schließlich ist er nicht gefahren“, so Schlemper. Fährt ein Bus, dann bezahlt der VVO der Bahngesellschaft den Bus zur Hälfte. „Trifft das Unternehmen aber keine Schuld, so zahlen wir den Bus vollständig“, erklärt Schlemper. Das habe seine Logik: Der VVO könne eine Bahngesellschaft nicht dafür bestrafen, dass beispielsweise Kinder im Gleis gespielt haben oder der Bahndamm brannte.

Was tut der VVO, wenn Leistungen für längere Zeit nicht erbracht werden?

Wenn grobe Mängel immer wieder auftreten und sich die Kritik häuft, reagiert der Verband etwas härter. Er verpflichtet das Unternehmen zu einem Maßnahmenplan. Zuletzt ist das bei der Städtebahn passiert. Der fehlte im Lauf des Jahres mehrfach Personal, um die Triebwagen zu fahren. Auf Drängen des VVO hat die Städtebahn darauf hin einen eigenen Ausbildungslehrgang für 15 Lokführer eingerichtet.

Außerdem sollte sie auch in anderen Dingen nachbessern, um als Arbeitgeber attraktiver zu werden, sagt VVO-Sprecher Christian Schlemper. So wurde sie aufgefordert, die Gehälter anzuheben. Dem ist das Unternehmen bereits nachgekommen. Seit dem 1. Juli gilt eine neue Betriebsvereinbarung. Seit August laufen Verhandlungen über einen Tarifvertrag mit der Gewerkschaft der Lokführer (GdL). Diese sollen im November abgeschlossen sein, so die Städtebahn. Dann sollte sich die Situation auf den Schienen auch wieder entspannen.

Wird geprüft, ob die vereinbarten Ziele erreicht werden?

Der Verkehrsverbund überprüft, ob die vereinbarten Maßnahmen auch umgesetzt werden. „Dazu haben wir das Recht, externe Gutachter zu bestellen, die dann von dem Unternehmen bezahlt werden müssen“, sagt Schlemper. Außerdem gibt es regelmäßige Kontakt zwischen den Geschäftsführern. In den letzten Wochen war Städtebahn-Geschäftsführer Torsten Sewerin beim VVO zu Gast, um zu berichten, ob und wie die vereinbarten Maßnahmen umgesetzt werden.

Hat der VVO die Möglichkeit, Strafen anzusetzen?

Die hat er. Ist ein Unternehmen nicht kooperativ, kann der Verkehrsverbund Vertragsstrafen im fünfstelligen Bereich verhängen, sagt Schlemper. Es ist auch möglich, dass dem Unternehmen Teile des Streckennetzes abgenommen werden. Das hat dann wirtschaftliche Konsequenzen. Auch eine Kündigung des Vertrages ist möglich. Allerdings hat das auch Folgen für den Nahverkehr, so der Sprecher. Die Lage würde sich zunächst verschärfen. Denn der VVO müsste ein anderes Bahnunternehmen finden. Und dann würde es dauern, bis dieses den Betrieb übernehmen könnte. Derzeit sieht es aber so aus, als würde es nicht dazu kommen. Denn die Städtebahn setzt den Maßnahmenkatalog um.

Welchen Anspruch auf Entschädigung haben Kunden?

So lange die Unternehmen ihre Fahrgäste fahrplangerecht befördern – egal ob mit dem Zug oder mit einem Ersatzbus oder Taxi, haben Reisende keinen Anspruch auf Entschädigung. Wohl aber in anderen Fällen. Dazu wurden die VVO-Kundengarantien eingeführt, sagt Schlemper. Ist der Zug mehr als 15 Minuten zu spät, verpasst der Fahrgast abends einen Anschluss oder wurde er falsch informiert, hat er einen Anspruch auf ein Garantieticket. Diese Vierer-Karte zahlt das Unternehmen. Ist der Zug dreckig und beschmutzt man sich die Kleidung, können sich Fahrgäste die Reinigung vom Unternehmen erstatten lassen.