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Störche trotzen der Trockenheit

Trotz der geringen Niederschläge wurden mehr Jungtiere großgezogen als 2017. Das hat vor allem einen Grund.

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© Sebastian Schultz

Von Stefan Lehmann

Riesa. Auf dem Weg zum Storchennest ist diesmal eine zusätzliche Hürde zu überwinden: Das ehemalige LPG-Gelände ist abgeschlossen, da bleibt für Olaf Gambke und Peter Kneis nur der Weg über den Zaun. Immerhin, im Anschluss ist es einfacher, ans Nest zu kommen. Der Nistmast, der hier nach der Wende aufgestellt wurde, ist relativ leicht zu erklimmen.

Erst mit neun bis zehn Wochen sind auch die Jungtiere flügge.
Erst mit neun bis zehn Wochen sind auch die Jungtiere flügge. © Sebastian Schultz
In Kreinitz nutzen die Störche einen Nistmast zum Brüten.
In Kreinitz nutzen die Störche einen Nistmast zum Brüten. © Sebastian Schultz

Außerhalb des Geländes warten schon Scharen von Anwohnern. Aus der jährlichen Storchenberingung wird hier und in vielen anderen Ortschaften rings um Riesa stets ein regelrechtes Volksfest gemacht. „Die Menschen sind stolz auf ihre Störche“, sagt Ornithologe Peter Kneis und lacht. Er beobachtet schon länger, dass die Menschen am Naturgeschehen Anteil nehmen wollen. „Es gibt auch viele Fragen, das ist uns immer ganz lieb.“ Da richten sich die beiden Vogelfreunde nach dem Terminkalender des Dorfes, statt allein nach ihrem eigenen. Und das, obwohl sie über den Sommer fast zwei Dutzend Nester abarbeiten müssen.

Seit Mitte Juni ist das Duo unterwegs, um die Jungvögel zu vermessen, zu wiegen und zu beringen. Früher geht es kaum, erklärt Peter Kneis: In den ersten vier Wochen ist immer ein Altvogel im Nest, um die Jungen vor Regen, Hitze und auch den Artgenossen zu beschützen. Bundesweit wird jährlich eine Stichprobe von 1000 Jungtieren beringt. Im Altkreis Riesa kümmert sich der Verein Pro Natura Elbe-Röder darum.

Nach kurzer Kletteraktion kann Peter Kneis die beiden Kreinitzer Küken auf eine Isomatte am Boden setzen. Der Storchenbeauftragte Olaf Gambke übernimmt derweil am Mikrofon die Moderation, erklärt, was nun passiert. Der Größenunterschied zwischen beiden Geschwistern ist auffällig: Das größere Tier wiegt fast zwei Kilogramm, der kleinere Storch 200 Gramm weniger. Vermutlich hat das Storchenpaar deutlich mehr Eier gelegt, von denen am Ende nur zwei ausgebrütet wurden. Überhaupt haben die Kreinitzer Störche spät zu brüten begonnen. Im Frühjahr hatte es einen Revierkampf mit einem anderen Storch gegeben. Das ist recht häufig der Fall: Wer einmal erfolgreich an einer Stelle gebrütet hat, der vertreibt andere Artgenossen. In der Vergangenheit haben allzu späte Storchenkämpfe schon dazu geführt, dass manche Paare überhaupt keine Jungtiere großziehen konnten. In Kreinitz ging es noch einmal gut.

Trotz dieser jährlich wiederkehrenden Probleme gehen Kneis und Gambke davon aus, dass 2018 ein eher überdurchschnittlich gutes Storchenjahr sein wird. Das war vorher nicht unbedingt zu erwarten gewesen, sagt Peter Kneis. Insbesondere die Trockenheit der vergangenen Monate hatte vielen Storchenfreunden in Sachsen Sorgen gemacht. Wenig Regen bedeutet meist auch weniger Futter für die imposanten Vögel. In einigen Gebieten in Sachsen berichten Vogelkundler von Altstörchen, die deshalb das Kleinste ihrer Jungen aus dem Nest tragen und fallen lassen, um trotz des geringen Nahrungsangebots wenigstens eines von ihnen durchzubringen. Im Altkreis Riesa allerdings scheint ein anderer Umstand die Trockenheit weitgehend ausgeglichen zu haben, vermutet Kneis. „Die Mahd hat in diesem Jahr rund zwei Wochen früher begonnen.“ Damit standen den Weißstörchen mehr frisch gemähte Wiesen für die Futtersuche zur Verfügung. „Es gab also nicht unbedingt mehr Futter, aber mehr Flächen für die Nahrungssuche.“ Außerdem kamen die Weißstörche 2018 recht pünktlich wieder zurück in den Altkreis.

Von 23 belegten Nestern waren am Ende 20 besetzt, insgesamt zählten die Storchenfreunde in der Region 52 Jungtiere, etwas mehr als im Vorjahr. Verglichen mit früheren Jahren ist das freilich immer noch wenig: Vier Jungtiere pro Nest seien eigentlich normal, so Kneis. Das haben auch in diesem „überdurchschnittlichen“ Jahr nur drei Paare geschafft.

Nach ein paar Minuten ist die Beringung abgeschlossen. Ehe es für die beiden Jungstörche wieder nach oben geht, dürfen ein paar mutige Kinder die beiden noch streicheln. Es wird nicht mehr allzu lange dauern, bis die Storchengeschwister flugfähig sind. Ab einem Alter von neun bis zehn Wochen ist es so weit. In den Süden geht es dann noch nicht sofort, sagt Peter Kneis. Wenn die Felder allesamt abgemäht sind, finden die Weißstörche noch lange genug Futter. „Bis Mitte August werden sie wohl noch in der Region bleiben.“ Dann brechen sie Richtung Südosten auf. Den Weg finden sie instinktiv, auch ohne Hilfe der Alttiere.