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Steuersündern auf der Spur

Digitale Daten gewinnen zunehmend an Bedeutung. Der Freistaat will deshalb neue IT-Fahnder einstellen.

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Von Juliane Richter

Das Handy ist längst mehr als ein Telefon. Whatsapp-Chats, E-Mails oder heruntergeladene Dateien machen den Besitzer gläsern. Vor allem, wenn Spezialisten wie die IT-Forensiker des hiesigen Finanzamtes das Smartphone in die Hände bekommen. Haben sie dann noch Zugriff auf die privaten und beruflichen Laptops sowie Daten, die in einer Cloud gespeichert sind, können sie die Steuersünden so manches Unternehmers aufklären. Schon 15 Millionen Euro hinterzogene Steuern haben die Fahnder des Dresdner Finanzamtes in diesem Jahr im Regierungsbezirk Dresden, der von Görlitz bis ins Osterzgebirge reicht, entdeckt. Mit dabei ist ein ungewöhnlich großer Fall mit acht Millionen Euro, die im Bereich der organisierten Kriminalität durch ein Umsatzsteuerkarrussel hinterzogen wurden. Die Kriminellen lassen sich dabei eine Vorsteuer auszahlen, die ihnen gar nicht zusteht.

Die Geheimnisse sitzen in der Festplatte des Laptops. Ein Dresdner IT-Fahnder baut sie aus, um die Daten auslesen zu können. Foto: Sven Ellger
Die Geheimnisse sitzen in der Festplatte des Laptops. Ein Dresdner IT-Fahnder baut sie aus, um die Daten auslesen zu können. Foto: Sven Ellger

In solchen verzwickten Fällen, die gleich mehrere Unternehmen betreffen, ermitteln die Steuerfahnder monatelang, bevor sie bei einer richterlich angeordneten Hausdurchsuchung zuschlagen. Mit drei eigenen Laptops und einer großen Mappe voller Adapter zieht der IT-Forensiker Sören Marschner* zu diesen Einsätzen los. Gern auch schon morgens um sechs Uhr, um die Verdächtigen noch zu Hause zu erwischen, während Kollegen in der Firma und ihren verschiedenen Standorten auftauchen. „Wir haben immer das Ziel, die Daten möglichst schnell vor Ort zu sichern, damit die Verdächtigen weiterarbeiten können“, sagt er. Die Unschuldsvermutung gilt. Mit einer Durchsuchung sollen die Firmen deshalb nicht lahmgelegt oder gar in den Ruin getrieben werden.

Bis zu zehn Terabyte Daten kann Marschner innerhalb eines Tages auf seine eigenen Geräte ziehen. Diese wertet er dann im Finanzamt auf der Rabener Straße in einem speziell gesicherten Bereich des Gebäudes aus. Ist ein Überspielen der Daten vor Ort nicht möglich, müssen die Geräte mitgenommen werden. Dann greift er im Finanzamt zum Schraubendreher und baut die Festplatten aus.

Damit die Fahnder überhaupt aktiv werden können, muss ein begründeter Verdacht vorliegen. Mal melden sich verärgerte Geschäftskunden, Angestellte oder gern auch der erzürnte Ehepartner, mit dem die Beziehung gerade in die Brüche gegangen ist. „Der Klassiker ist, dass ein Hinterzieher am Stammtisch mit seinen Taten prahlt. Da sitzen dann aber auch ehrliche Leute daneben, die das ungerecht finden“, sagt der zuständige Sachgebietsleiter Uwe Uhlig.

Offenherziges Facebook-Profil

Gibt es einen solchen Tipp, werden einige der insgesamt 40 Dresdner Steuerfahnder aktiv und ziehen hierbei oft schon ihre drei IT-Spezialisten hinzu. Im Internet, auf den gängigen Plattformen wie Facebook oder Xing verschaffen die sich zunächst einen Überblick über die Personen, die angegebenen Firmentätigkeiten und sogar über deren Tagesablauf – wenn er denn öffentlich gemacht wird. „Die Leute sind noch immer sehr offenherzig mit ihren Daten“, sagt IT-Fahnder Marschner. Gut für ihn, schlecht für die Verdächtigen. Vor allem, wenn sie die Einnahmen ihres Unternehmens kleinrechnen, sich aber einen exklusiven Lebensstandard mit Villa, Luxusauto und Fernreisen gönnen – und das entsprechend stolz mitteilen. Woher das viele Geld kommt, fragt sich das Finanzamt dann. Viele Puzzleteile ergeben am Ende ein Ganzes. Das Prinzip ist häufig: Einnahmen kleinrechnen, künstliche Ausgaben generieren. Beliebt sind dabei auch Beraterverträge mit Personen im Ausland. Hier ist schwer nachvollziehbar, ob es diese Personen überhaupt gibt und wenn ja, ob beraten wurde.

Erst wenn der Anfangsverdacht sich so erhärtet hat, dass von einer Steuerhinterziehung ausgegangen werden kann, ermöglicht ein richterlicher Beschluss die Hausdurchsuchung. Davon gibt es im Regierungsbezirk Dresden etwa 50 pro Jahr. Häufig sind die Verdächtigen an der Aufklärung interessiert und geben bereitwillig alle Passwörter preis. Vor allem beim Handy, das sie nur kurz entbehren können. Wenn sie allerdings nicht kooperieren, muss Marschner anders an die Daten gelangen. „Wir nutzen Entschlüsselungsprogramme, die wir ganz normal auf dem freien Markt kaufen“, sagt er. Geheime Software haben die Fahnder nicht. Aber sie sind immer auf dem neuesten technischen Stand. Das lässt sich der Freistaat einiges kosten. Die Grundausstattung eines IT-Forensiker-Arbeitsplatzes ist rund 22 000 Euro wert. Hinzu kommen Fortbildungen, die allein vergangenes Jahr für die Dresdner Fahnder 65 000 Euro gekostet haben. Gut investiertes Geld, findet Sachgebietsleiter Uhlig, wenn man sich die Erfolgszahlen ansieht. Die aufgedeckten Steuerschäden nehmen seit Jahren Millionenbeträge ein. Außerdem werden Steuerhinterzieher in schweren Fällen auch zu Gefängnisstrafen verurteilt. 2018 waren es schon 17 Jahre.

Welche Unternehmensgrößen am häufigsten ins Visier geraten, wollen die Fahnder nicht einordnen. Klar ist nur, dass die Steuererklärung von Privatpersonen in der Regel nur auf ihre Plausibilität geprüft wird. In Firmen wird am häufigsten bei der Umsatzsteuer betrogen. Es gibt aber auch die kleinen Unternehmer, die mit Kreativität ans Werk gehen. Finanzamtsvorsteher Helmut Reichel berichtet von einem Bratwurstverkäufer. Der findige Mann hatte einen Teil der Bratwürste auf eigene Rechnung gekauft, ohne sie anzugeben – und die Einnahmen ohne Steuerabgabe in die eigene Tasche gesteckt. Dumm nur, dass er beim Senf die richtigen Mengenangaben in der Steuererklärung eintrug. „Da hätte jede Wurst mit 500 Gramm Senf bestrichen werden müssen“, sagt Reichel.

Weil bei den Ermittlungen gerade die Arbeit der IT-Fahnder immer wichtiger wird, stockt der Freistaat nun auf. In den drei Finanzämtern Dresden, Leipzig und Chemnitz wird noch dieses Jahr je eine neue Stelle geschaffen. Erstmals sollen diese mit reinen Informatikern besetzt werden, die spezielle Anfragen für die Software selbst programmieren und Fälle somit schneller bearbeitet werden können. Denn jährlich prüfen die Ermittler allein in Dresden rund 500 Fälle.

*Name von der Redaktion geändert