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Stehend begraben mit Stab und Löffel in der Hand

Vor 205 Jahren quartierten sich die Baschkiren in Zittau ein. Ein Gymnasiallehrer schrieb ihre Lebensart für die Nachwelt auf.

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© Repro: Rolf Hill

Von Rolf Hill

Nach der vernichtenden Niederlage Napoleons in der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 folgte der Truppenrückzug. Davon wurde auch Zittau berührt. Die Einquartierung zurückflutender bzw. nachdrängender Truppen und Söldner, insbesondere der unzähligen Verwundeten, bereitete den Stadtvätern erhebliche Kopfzerbrechen. Die teilweise maßlosen Forderungen der das Kommando übernehmenden Militärs beeinflussten schmerzhaft die Lebensbedingungen der Zittauer. Preußen, Österreicher, Russen und Polen nahmen alles, was ihnen in die Hände fiel.

Genau 50 Jahre später dokumentierte der Gymnasiallehrer und Stadtbibliothekar Carl Anton Tobias diese Ereignisse für die Nachwelt. In seinem Werk „Beiträge zur Geschichte der Stadt Zittau – das Jahr 1813“ erwähnt Tobias auch die für ihn „merkwürdigsten fremden Truppen jener Tage“, der zwischen Wolga, Ural und Kama beheimateten Baschkiren. „Wundersame Sagen von ihrer Wildheit waren vorher angelangt“, schreibt Tobias. So gab es das Gerücht, dass Ende September das Corps des Generals Tolstoi über Lauban nach Zittau kommen sollte. Zitat: „Es sollen auch Baschkiren dabei sein, welche in Ebersdorf bei Löbau ein Kind geraubt haben.“ Tatsächlich aber sei keine Einquartierung fügsamer gewesen als eben jene Baschkiren, berichtet der Chronist. Natürlich hätten bereits die beiden Ersten, die zu Pferde mit Pfeil und Bogen bewaffnet und mit Pelzen bekleidet hier ankamen, bei den Zittauern große Aufmerksamkeit erregt. „Ihnen folgte eine große Schar schönen starken Volkes; jedoch die späteren, welche lange hier blieben, hatten diese Eigenschaften nicht“, heißt es weiter. Sie seien ein träges, furchtsames Volk gewesen, das dem Kaiser in seinen Kriegen nachzuziehen pflegte. Im Herbst lagen sie lange auf der Schießwiese in Strohhütten und boten „das Schauspiel eines Nomadenlagers“ dar. – Als es kälter wurde, quartierten sie sich in der Webervorstadt ein. Ihre Pferde hatten sie in der Johanniskirche, von wo aus sie täglich zur Tränke ritten. Kein Corps habe sich zu ihnen bekannt, und niemand habe so recht gewusst, wer eigentlich über sie verfügen sollte. Das sei wohl auch ein Grund dafür gewesen, weshalb sie so lange in Zittau blieben. Eine Belastung waren sie laut Tobias allemal: „Obwohl sie weder Unfug noch Ansprüche machten, sondern duldsam und genügsam waren; so kamen sie doch wegen des gebrauchten vielen Pferdefutters der Stadt sehr hoch (an 13 000 Thaler) zu stehen.“ Täglich kosteten sie der Stadt 600 Taler; so allein 72 Scheffel Hafer. Diese „Nomadenhorde“ habe nämlich mehr Pferde mitgehabt, als sie eigentlich brauchte. Die Überzähligen nahmen sie zum Tausch bzw. als Zahlungsmittel. So blieben „viele der kleinen Pferdchen“ in Zittau und dienten noch Jahre später den Bauern als Zugtiere.

Die fremden Krieger, notierte Tobias weiter, schienen teils Muslime, teils Heiden zu sein. Mehrere sollen demnach beim Gebet Fetische herausgenommen und vor sich hingestellt haben. Sie sollen in ihrer vielen freien Zeit auf flachen Pfeifen blasend durch die Gassen gegangen sein. Besonders liebten sie wohl die Jahrmärkte. Hier verkauften sie Pfeile und weitere handgefertigte Dinge als Andenken.

Als einige von ihnen starben, begrub man sie entsprechend den Sitten ihrer Heimat. Dazu der Chronist: „Man brachte die Toten zu Pferde zu Grabe (auf die Schießwiese), senkte sie in stehender Stellung ein und gab ihnen Stab und Löffel mit.“

Am 7. November 1813 kam ein russischer General mit seinen Kosaken, von dem sich die Zittauer Stadtväter die Befreiung von den Baschkiren erhofften. Sie wurden enttäuscht. Immer wieder gab es Eingaben und Bitten um deren Abzug, so an den preußischen Major von Bissingen, der Bautzen kommandierte. Zittaus Stadtobere wiesen erneut darauf hin, dass die Verpflegung von Mensch und Tier für Stadt und Bewohner zur drückenden Last geworden sei. Erst zwischen dem 31. Januar und 1. Februar 1814 wurde Zittau schließlich diese „seltsamen Gäste“ wieder los.