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„Stahlbeton ist gefragt“

Bei Feralpi in Riesa merkt man bislang nichts von einer Krise auf dem Stahlmarkt. Ganz im Gegenteil.

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© Lutz Weidler

Riesa. US-Zölle, Russland-Embargo, chinesische Überproduktion: Den Schmiedewerken in Gröditz macht die aktuelle Lage in der Stahlbranche zu schaffen. Selbst einen Personalabbau will man bei der Unternehmensgruppe Georgsmarienhütte nicht ausschließen. Doch wie steht es um das zweite Stahlwerk der Region? Die SZ hat bei Feralpi in Riesa nachgefragt.

Frank Jürgen Schaefer ist Werksdirektor bei Feralpi Stahl in Riesa. Dort arbeiten aktuell 716Beschäftigte (Stand: Juni 2018).
Frank Jürgen Schaefer ist Werksdirektor bei Feralpi Stahl in Riesa. Dort arbeiten aktuell 716Beschäftigte (Stand: Juni 2018). © Lutz Weidler
Kai Holzmüller ist seit 2017 Personalleiter bei Feralpi. Zuvor war er bei einem Pharmaunternehmen und bei einem Kälteanlagenbauer tätig.
Kai Holzmüller ist seit 2017 Personalleiter bei Feralpi. Zuvor war er bei einem Pharmaunternehmen und bei einem Kälteanlagenbauer tätig. © Sebastian Schultz

Herr Schaefer, Herr Holzmüller: Sind bei Feralpi in Riesa derzeit „Personalanpassungen“ – sprich Stellenstreichungen – ein Thema?

Schaefer: Ganz im Gegenteil! Wir werden eher den Personalbestand aufbauen. Auch wegen der stärkeren Automatisierung.

Eigentlich soll eine Automatisierung doch Stellen einsparen, oder nicht?

Schaefer: Ja und nein. Einfache Tätigkeiten fallen weg. Aber wir haben schon jetzt einen hohen Automatisierungsgrad und brauchen dadurch noch zusätzliche Automatisierer oder Elektroniker. Mittelfristig wird es bei uns eine Verlagerung von weniger anspruchsvollen Jobs hin zu welchen mit komplexen Aufgaben geben. Dafür wollen wir auch unser vorhandenes Personal fit machen. Stellenbesetzungen in der Region werden ohnehin schwieriger.

Da müsste es Sie doch freuen, wenn bei einem anderen Stahlwerk womöglich Personal frei wird ...

Holzmüller: Nein. Die Schmiedewerke Gröditz sind ein wichtiger Partner für uns: Wir bilden gemeinsam unsere Verfahrenstechnologen im Qualifizierungszentrum Riesa aus. Wenn die Ausbildung von einem der Unternehmen wegbricht, könnte es mit der Bildung einer Klasse in Riesa schwierig werden. Dann müssten Lehrlinge für Stahlwerksberufe am Ende womöglich für eine Ausbildung ins Ruhrgebiet.

Schaefer: Das würde eine Ausbildung in Riesa weniger attraktiv machen. Das haben wir schon bei den Elektronikern gemerkt, die nur noch ein Lehrjahr in Riesa lernen können, bevor sie an die Berufsschule nach Dresden wechseln müssen.

Wie kommt es eigentlich, dass ein Stahlwerk über die schwierige Lage in der Branche klagt und das nächste dringend Personal sucht?

Schaefer: Gröditz und Riesa sind auf völlig unterschiedlichen Märkten unterwegs. Wir bei Feralpi bedienen die Nische Stahlbetonbau. Die Schmiedewerke mit ihren exakt geschmiedeten Produkten haben auch international ganz andere Märkte. So treffen uns bei Feralpi die 25 Prozent US-Strafzölle nicht, weil wir gar keine Kunden in Amerika haben.

Aber es könnte doch dadurch Verschiebungen auf dem Weltmarkt geben ...

Schaefer: Ja. Wir beobachten das genau. So gelten die US-Zölle für die Türkei schon etwas länger als für die EU-Staaten. Und die türkischen Stahlwerke gehören zu den modernsten weltweit und produzieren eine ähnlich große Menge wie die deutschen Stahlwerke. Dennoch ist bislang noch kein türkischer Betonstahl in Deutschland aufgetaucht, das würden wir sehr schnell bemerken. Warum das so ist, weiß ich nicht.

Und merkt man das in Europa? Feralpi exportiert doch auch.

Schaefer: Bislang ist auch in Südeuropa noch kein türkischer Baustahl in nennenswerter Menge aufgetaucht. Es ist schwer zu sagen, ob es da zu Ausschlägen kommen kann – und wohin. Aber die US-Zölle und ihre Auswirkungen sind für uns ohnehin nur ein Mosaikstein auf dem Markt.

Was meinen Sie damit?

Schaefer: Schon seit Jahrzehnten gibt es weltweit Überkapazitäten in der Stahlbranche. Mittlerweile aber macht China zwei Drittel der weltweiten Stahlproduktion aus. Das war nicht schlimm, solange China zweistellige Wirtschaftswachstumsraten und selbst eine entsprechende Nachfrage nach Stahl hatte. Die Frage ist, wie sich China künftig verhält: Verkauft das Land seinen Stahl auf Teufel komm raus – oder fährt es eher eine moderate Politik. Insgesamt ist das eine ziemlich komplexe Lage.

Wohin exportiert Feralpi aus Riesa?

Schaefer: Vor allem in die Niederlande und nach Tschechien, dann folgen die Slowakei, die Beneluxstaaten, Dänemark. Dorthin liefern wir Bewehrungsstabstahl und -matten. Beim Walzdraht hängt es von den Weltmarkt-Preisen ab, ob sich ein Export lohnt. Zeitweise wurde der sogar von Riesa bis nach Südamerika verkauft. Die Wertschöpfungskette bei unseren Produkten ist sehr kurz und auch nicht sehr aufwendig im Vergleich zu anderen Produktgruppen.

Und wie entwickelt sich der Absatz? Muss Feralpi seinen Ofen auch mal mangels Auslastung abschalten?

Schaefer: Nein. Wir profitieren davon, dass in Deutschland schon seit Jahren ein Bauboom herrscht. Auch wenn es beim Eigenheim-Bau etwas zurückgeht: Der Wirtschaftsbau zieht an, Stahlbeton ist gefragt. Das war 2017 so und sieht 2018 bislang auch so aus. Die Unternehmen investieren.

Und wie geht es künftig weiter?

Schaefer: Wir gehen davon aus, dass der Boom 2019 weiter anhält. Natürlich bleibt die Frage, wie sich die Zölle und der Verfall der türkischen Währung entwickeln. Aber in Deutschland hat die Politik eingesehen, dass es Nachholbedarf bei Investitionen in die Infrastruktur wie Straßen oder Brücken gibt. Wir sind optimistisch.

Interview: Christoph Scharf